Keine andere Branche hat in Deutschland so großen Einfluss auf die Politik wie die Finanzindustrie. Dies zeigt eine Untersuchung der Bürgerbewegung Finanzwende auf Basis des öffentlich einsehbaren Lobbyregisters des Deutschen Bundestages. Unter den Top 100 der Lobbyorganisationen mit den meisten Geldmitteln ist die Finanzbranche demnach am häufigsten vertreten. 

Elf der 100 finanzstärksten Lobbyakteure sind der Analyse zufolge Banken, Versicherungsunternehmen und Investmentgesellschaften. Die ebenfalls gewichtige Autobranche ist mit sechs Einträgen unter den Top 100 vertreten, der Energiesektor mit immerhin neun Einträgen. Zusammen geben die Top-10-Konzerne und -Verbände der Finanzlobby mehr als 42 Millionen Euro im Jahr aus, um die Bundespolitik zu beeinflussen, wie die Bürgerbewegung Finanzwende errechnet hat. Dabei ist anzumerken: Im Register werden nur die Ausgaben für die Interessenvertretung auf Bundesebene erfasst, wobei Lobbygespräche mit Behörden wie der Finanzaufsicht Bafin keine Rolle spielen.

Mehr als 5.500 eingetragene Akteure
Das Lobbyregister wird seit Anfang 2022 auf der Website des Deutschen Bundestages geführt. Es soll die "Strukturen der Einflussnahme durch Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter auf den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess transparent" machen. So steht es auf der Startseite des entsprechenden Portals. Innerhalb eines Jahres haben sich im Register mehr als 5.500 Unternehmen, Verbände, Organisationen, Netzwerke, Einzelpersonen und andere angemeldet, wie die Agentur "dpa" berichtet.

Die Daten des Registers zeigten, dass kein anderer Akteur mehr Geld für seine Lobbyaktivitäten ausgebe als der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), so die Bürgerbewegung Finanzwende. Über 15 Millionen Euro lasse sich der Verband seine Lobbyarbeit allein auf Bundesebene kosten. Zwischen 141 und 150 Lobbyisten arbeiteten hier für den GDV. Das seien drei für jedes Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag.

Netzwerke sichtbar machen
"Das Lobbyregister macht auch das dichte Netzwerk großer Konzerne erstmals sichtbar", schreibt die Bürgerbewegung Finanzwende. Denn: Wer sich einträgt, muss Mitgliedschaften in Verbänden angeben. Diese Infos waren in Deutschland zuvor so nicht verfügbar. 

So sei etwa die Deutsche Bank bei 57 Organisationen vertreten. Zum Lobbygeflecht des Instituts gehörten unter anderem Netzwerke wie die Atlantik-Brücke und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. "Rechnet man die Lobbybudgets aller Organisationen und Co. zusammen, bei denen die Deutsche Bank Mitglied ist, kommt man auf beeindruckende Zahlen: mehr als 25 Millionen Euro und fast 600 Mitarbeitende", heißt es in der Untersuchung.

Noch Lücken
Ein Teil der Strukturen der Finanzlobby werde durch das Register transparenter, findet die Bürgerbewegung Finanzwende. Da es aber noch Lücken habe, bleibe nach wie vor viel Lobbyarbeit im Verborgenen. Daher müsste die Bundesregierung zügig nachschärfen. (am)