Gerhard Schick: "Scholz muss Bafin-Spitze austauschen"
Als Konsequenz aus dem spektakulären Bilanzskandal bei Wirecard fordert der Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende einen personellen Neustart bei der Bafin. Zudem müsse die Behörde komplett umgebaut werden, da sie schon in der Vergangenheit bei Finanzskandalen immer wieder zu spät reagiert habe.
Der ehemalige Grünen-Bundesabgeordnete und Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende Gerhard Schick fordert aufgrund des Bilanzskandals beim Zahlungsdienstleister Wirecard einen personellen Neustart für die Finanzaufsicht Bafin, die auch vonseiten der EU-Kommission in die Mangel genommen wird. Dies erklärt er in einem Interview mit dem "Mannheimer Morgen". Es seien "zu viele große Fehler" gemacht worden. Daher müsse Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Spitze der Behörde nun austauschen. Neben dem Bafin-Präsident Felix Hufeld solle auch die Vizepräsidentin und Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht Elisabeth Roegele ihren Hut nehmen.
Zudem sei es notwendig, die gesamte Behörde umzubauen. "Das geht nur, wenn jemand diese Aufgabe übernimmt, der unbelastet ist", sagt Schick dem "Mannheimer Morgen".
Die zentrale Kontrollinstanz habe in den vergangenen Jahren schelcht gearbeitet, weil sie bei Finanzskandalen immer wieder zu spät gehandelt habe, so etwa beim Cum-Ex-Steuerskandal oder beim Betrugsfall P&R. "Die Bafin enttäuscht, weil sie immer wieder zu spät kommt und erst im Nachhinein sagt, was man hätte tun sollen", ärgert sich Schick.
Im Fall von Wirecard habe die Behörde, als sie schließlich tätig wurde, zu alle Überfluss auch noch die falsche Richtung eingeschlagen. "Das ist mein zentraler Vorwurf an Frau Roegele", so Schick. Die Bafin habe Journalisten unter Druck gesetzt hat, die die Betrugsvorwürfe gegen Wirecard formulierten, statt diesen Hinweisen entschieden nachzugehen. Die sei "eine krasse Fehlleistung" und der Grund, warum auch die Vizepräsidentin der Finanzaufsicht ihren Posten aufgeben müsse.
"Scholz muss jetzt liefern"
Bei Finanzminister Olaf Scholz erkennt Schick zwar kein persönliches Fehlverhalten, das eine Rücktrittsforderung rechtfertigen würde. Da er jedoch nicht argumentieren könne, er habe von den Vorgängen bei Wirecard nichts gewusst, falle der Skandal auch in seine Verantwortung. "Scholz muss jetzt liefern und darf jetzt nicht wie seine Vorgänger alles unter den Teppich kehren", fordert Schick.
Auch der Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi (Die Linke) sieht kein direktes Versagen des Finanzministers. "Aber dass die Bafin ein Aufsichtsproblem hat, wissen wir schon lange und muss den Minister interessieren", sagte er der Zeitung "Neues Deutschland". An Bafin-Präsident Hufeld, der am Mittwoch (30. Juni) dem Finanzausschuss des Bundestags wegen des Wirecard-Skandals Rede und Antwort stehen soll, hat der Politiker einen Fragenkatalog geschickt. "Ich möchte wissen, wo die Bafin die ganze Zeit über war, denn unter ihren Augen hat sich der größte Börsenskandal der jüngeren deutschen Geschichte ereignet", erklärt De Masi.
Offenbar prüfte nur ein einziger DPR-Mitarbeiter
Involviert in diesen Skandal ist verschiedenen Medienberichten zufolge auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Die DPR ist ein privatrechtlich organisierter Verein, der seit Juli 2005 die Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland checkt. Die Bafin hatte die auch als "Bilanzpolizei" bezeichnete Prüfstelle im Februar 2019 offenbar damit beauftragt, den Abschluss von Wirecard für das erste Halbjahr 2018 unter die Lupe zu nehmen, wie die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) schreibt. Allerdings soll nur ein einzelner Mitarbeiter mit dieser Prüfung betraut gewesen sein, die offenbar noch immer nicht abgeschlossen ist.
Als Konsequenz aus dem mutmaßlichen Versagen wollen das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium den Vertrag mit der DPR nun fristgerecht per Ende 2021 kündigen, berichtet die "NZZ". Die Prüfstelle selbst sehe sich allerdings als Bauernopfer. Im Fall Wirecard habe es sich um ein Standardvorgehen gehandelt. DPR-Präsident Edgar Ernst wirft der Bafin vor, dem Fall Wirecard nicht genügend Beachtung geschenkt zu haben.
Wirecard-Aktie bleibt vorerst im Dax
Während sich die Finanzkontrolleure gegenseitig die Verantwortung zuschieben, bleibt die Wirecard-Aktie trotz der Wirren um fehlende Milliarden, die drohende Insolvenz und des eklatanten Kursrutsches vorerst weiterhin in der Top-Liga der börsennotierten deutschen Unternehmen, dem Dax. Erst bei der nächsten regulären Überprüfung zum September wird über die Indexzugehörigkeit des klammen Zahlungsdienstleisters entschieden. Die Regeln sehen einen außerturnusmäßigen Rauswurf aus dem Leitbarometer allenfalls vor, wenn eine Abwicklung ansteht oder wenn ein Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird. Dennoch wuchs zuletzt die Kritik, dass der Skandalkonzern weiterhin in dem Leitindex verharrt.
Darauf reagiert die Deutsche Börse nun mit der Ankündigung, eine Änderung der Dax-Vorschriften zu erwägen. "Das Vertrauen in den Kapitalmarkt hat offensichtlich in den letzten Tagen gelitten”, erklärte der Börsenbetreiber am Montag (29. Juni). "Deshalb haben wir uns entschlossen, die Regelwerke unter Einbindung der Regulatoren und die Regeln für die Zugehörigkeit zur Dax-Familie einer vertieften Prüfung zu unterziehen und zu überarbeiten."
Keine schnell Regeländerung
Eine schnelle Regeländerung ist allerdings nicht zu erwarten. "Die Vorschläge zur Veränderung des Dax-Regelwerks werden im Rahmen des üblichen Konsultationsprozesses mit den Marktteilnehmern besprochen", erklärte die Börse. Für gewöhnlich dauert dieser Prozess Monate. (am/ert)