Kurswechsel? Rüstungsaktien-Tabu bei Pensionsfonds wackelt
Mehrere europäische Pensionsfonds prüfen, ob sie ihre bisherige Politik des Ausschlusses von Investitionen in Waffenhersteller lockern. Ziel sei es, die Portfolios an die veränderte geopolitische Lage anzupassen.
Der dänische Pensionsfonds PFA-Pension, der rund 120 Milliarden US-Dollar verwaltet, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur "Bloomberg", dass er mit seinem Aufsichtsrat über die Aufhebung des Verbots diskutiert, Anteile an Unternehmen zu halten, die Komponenten für westliche Atomwaffen herstellen. Auch die ebenfalls dänische Akademiker-Pension, mit einem verwalteten Vermögen von über 20 Milliarden Dollar, befragt derzeit ihre Mitglieder, ob Investitionen in Rüstungsfirmen – einschließlich Produzenten umstrittener Waffen – ausgeweitet werden sollen.
Europas größter Pensionsfonds, der niederländische Stichting Pensioenfonds ABP, investiert bereits in die Rüstungsindustrie und signalisiert Bereitschaft, dieses Engagement auszuweiten. Ziel sei es, die strategischen Interessen der EU zu unterstützen.
"Es geht um Demokratie"
"Das ist eine besondere Situation", erklärte Jens Munch Holst, Geschäftsführer von Akademiker-Pension, gegenüber "Bloomberg". "Es ist ein Kampf für die Demokratie, und ohne Demokratie existieren wir nicht. Es ist derzeit ein existenzielles Problem."
Seit Beginn der Präsidentschaft Donald Trumps wächst in Europa die Unsicherheit über die Verlässlichkeit der USA als Partner in Sicherheitsfragen. Angesichts der Bedrohung durch Russland rücken Verteidigungsausgaben in den Fokus vieler Staaten – und damit auch in die Portfolios der Investoren.
Akademiker-Pension will nun von seinen Mitgliedern wissen, ob die bestehenden Beschränkungen für Verteidigungsinvestitionen gelockert werden sollen. Dies würde auch eine Aufhebung des Verbots betreffen, in Unternehmen zu investieren, die umstrittene Waffen wie Streubomben herstellen.
Milliarden für die Verteidigungsindustrie
ABP hält derzeit zwischen 400 Millionen und zwei Milliarden Euro in Unternehmen der Rüstungsbranche – je nach Definition. Der Fonds betont jedoch, dass der Kauf von Aktien auf Sekundärmärkten nicht direkt zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie beitrage. Eine echte Kapazitätserweiterung erfordere "eine konsequente Investitionspolitik der Regierungen", heißt es in einem schriftlichen Kommentar an "Bloomberg".
Dennoch sei ABP bereit, in den Ausbau von Produktionskapazitäten zu investieren, wenn das Risiko und der erwartete Ertrag angemessen seien. Auch PFA-Pension zeigt sich offen für direkte Finanzierungen der europäischen Verteidigung. "Wir sind bereit, solche Projekte zu diskutieren, natürlich unter der Voraussetzung, dass sie finanziell sinnvoll sind", sagte Rasmus Bessing, ESG-Investmentleiter und Co-Chief Investment Officer bei PFA.
EU will private Finanzierung erleichtern
Die EU-Mitgliedstaaten haben die Europäische Kommission kürzlich aufgefordert, Maßnahmen zur Förderung privater Investitionen in die Verteidigungsindustrie vorzulegen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen signalisierte, dass "nichts vom Tisch" sei, um Kapital für die europäische Sicherheit zu mobilisieren.
Während die britischen Regulierungsbehörden bereits klargestellt haben, dass nachhaltige Investitionen Rüstungsbeteiligungen nicht grundsätzlich ausschließen, liegt der Fokus der EU-ESG-Vorschriften auf Transparenz statt Verboten.
Akademiker-Pension schließt derzeit rund 90 Prozent der europäischen Rüstungsunternehmen und fast alle US-Waffenhersteller aus. Das interne Verbot könnte nun kippen. Derzeit seien dem Sektor lediglich 45 Millionen Dollar zugewiesen, so Holst – künftig könnte dieser Anteil deutlich steigen. (mb/Bloomberg)