Die Europäische Zentralbank (EZB) verankert Klima- und Umweltrisiken künftig fest in ihrer Methodik zur Bankenaufsicht. Damit schlägt sie ein neues Kapitel in ihrem regulatorischen Ansatz auf. Die Risiken des Klimawandels sollen laut EZB "entschlossener und selbstverständlicher" in den sogenannten aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) einfließen. Das erklärte Patrick Amis, Generaldirektor für spezialisierte Institute und weniger bedeutende Institute, in einem Interview mit "Bloomberg".

Der SREP dient der Festlegung individueller Kapitalanforderungen (Säule-2-Anforderungen) für Banken. Klimabezogene Aspekte hätten "in einigen Fällen" bereits Auswirkungen auf diese Bewertungen gehabt, sagte Amis – ohne jedoch betroffene Institute konkret zu benennen.

Europa geht voran, USA zögert
Mit ihrem Ansatz geht die EZB deutlich über den Kurs anderer Notenbanken hinaus. Während in Europa Klimarisiken zunehmend als Bedrohung für die Solvenz von Banken gesehen werden, zeigt sich die US-Notenbank zurückhaltend. Fed-Chef Jerome Powell erklärte kürzlich, das Klima sei kein Thema, "für das die US-Notenbank viel Zeit und Energie" aufwende.

Die konträren Haltungen verdeutlichen eine wachsende transatlantische Kluft. US-Finanzinstitute ziehen sich vermehrt aus Netto-Null-Allianzen zurück – eine Entwicklung, die europäische Investoren alarmiert. Laut einer aktuellen Analyse von JP Morgan sehen zwei Drittel der 100 größten institutionellen Anleger Klimawandel als erhebliches Risiko.

EZB zeigt Standfestigkeit – trotz Druck aus den USA
Die Regierung von Donald Trump hat unterdessen Gegenmaßnahmen gegen europäische Umweltvorgaben angekündigt, die US-Unternehmen treffen könnten. Doch die EZB zeigt sich unbeeindruckt. "Wir halten uns stets an unseren Auftrag", sagte Irene Heemskerk, Leiterin des Kompetenzzentrums Klimawandel bei der EZB. "Wir halten Klima- und Umweltrisiken – unabhängig von politischen Strömungen – als für die Banken relevant."

Auch andere Zentralbanken ziehen mit
Nicht nur die EZB verschärft ihre Anforderungen: Die Bank of England verlangt Rückmeldungen zu einem neuen Aufsichtsentwurf bis Ende Juli. Grund dafür sind zunehmende Schäden durch Extremwetter, die laut BoE bereits heute Banken und Versicherer treffen – etwa durch direkte Verluste oder notwendige Anpassungen ihrer Geschäftsmodelle.

Langfristige Strategie mit messbaren Folgen
Die EZB hat ihren Kurs über Jahre hinweg aufgebaut. Bereits vor fünf Jahren veröffentlichte sie einen Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken. Seitdem verhängte sie Bußgelder gegen Institute, die keine adäquaten internen Kontrollmechanismen vorweisen konnten.

Im internationalen Vergleich scheint sich dadurch ein Unterschied in der strategischen Positionierung europäischer und US-amerikanischer Banken abzuzeichnen. Die französische BNP Paribas etwa ist heute der weltweit größte Emittent grüner Anleihen und Kredite. Die US-Bank JP Morgan hingegen liegt an der Spitze der Finanzierung fossiler Energieprojekte, wie "Bloomberg"-Daten bis Ende Mai zeigen.

Nächster Schritt: Übergangsplanung statt Rückzug
"Wir haben für eine Reihe von Institutionen die Maßnahmen ausgeweitet", so Amis. "Aber wir haben auch insgesamt sehr große Fortschritte gesehen." Als nächste Priorität sieht er die sogenannte Übergangsplanung. Diese soll sicherstellen, dass Banken die Klimaanfälligkeit ihrer Kunden systematisch analysieren – etwa im Hinblick auf den Pfad zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Vieles davon sei bereits in früheren Leitlinien angelegt worden.

Amis betont die Notwendigkeit eines pragmatischen Ansatzes: "Das gemeinsame Ziel sollte sein, dass Banken den Übergang finanzieren und sich nicht einfach aus Sektoren zurückziehen, die Übergangsfinanzierungen benötigen." (mb/Bloomberg)