Der Wettbewerb im Privatkundengeschäft der deutschen Banken nimmt zu. Bereits jedes zweite Girokonto wird bei einer Neobank oder dem Direktbankableger eines ausländischen Instituts eröffnet. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil noch bei zwölf Prozent. Dies zeigt eine Analyse der Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey. Die Neobanken konnten ihren Anteil bei den Kontoeröffnungen in diesem Zeitraum sogar von zwei auf 30 Prozent steigern.

Damit verschärft sich zusehends der Konkurrenzdruck im deutschen Retail Banking. Dies folgt auf eine Periode, in der die Erträge der Banken deutlich gestiegen waren. Die Geldhäuser hatten mit den Folgen der jahrelangen Niedrigzinsphase gerungen. Seit der Abkehr der Notenbanken von der Niedrigzinspolitik 2022 erholte sich die Geschäftslage der Institute. "Doch der Zinsturbo verliert an Schwung und der Wettbewerb im Retail Banking verschärft sich", stellen die Studienautoren von McKinsey fest.

Privatkundenmarkt in Bewegung
Neue Akteure wie N26 oder Revolut sowie ausländische Institute wie die spanische BBVA, die im Juni in Deutschland ein Direktbankangebot gestartet hat, gewinnen zwar immer mehr an Neugeschäft. Doch die bestehenden Einlagen liegen zu weiten Teilen noch bei angestammten Universalbanken. Ihren Marktanteil beziffert die Unternehmensberatung auf 84 Prozent. Und die klassischen Akteure setzen zum Gegenangriff an.

"Im deutschen Privatkundenmarkt ist viel Bewegung. Die klassischen Universalbanken beschränken sich nicht darauf, Marktanteile zu verteidigen, sondern bauen ihr Geschäft mit bestehenden und neuen Kunden aus", sagt Max Flötotto, Leiter der Banken-Beratung bei McKinsey in Deutschland und Österreich. "Gleichzeitig etablieren sich neue Wettbewerber wie Direkt- und Neobanken mit ihrem fokussierten Angebot und digitalen Geschäftsmodellen."

Deutsche viel digitaler als gedacht
Der Analyse zufolge gewinnt eine digitale Präsenz im Retail Banking an Bedeutung. Denn Bankkunden würden mehr Zeit als je zuvor mit ihrem Geldhaus verbringen – allerdings größtenteils digital und häufig nur kurz. Im Schnitt interagieren sie 134 Mal pro Jahr mit ihrer Bank, wobei nunmehr 72 Prozent der Interaktionen über digitale Kanäle erfolgen. Rund zwei Drittel der Kunden seien bereit, Produkte und Dienstleistungen vollständig digital abzuschließen. Die Unternehmensberatung stützt sich bei den Zahlen auf den hauseigenen Datenpool, der sich wiederum aus den Angaben der Institute speist.

"Die Kunden in Deutschland sind viel digitaler, als viele annehmen", meint Ursula Weigl, Partnerin bei McKinsey und Co-Autorin der Studie. Allerdings bieten bislang allenfalls 20 Prozent der Banken in Deutschland und Österreich vollständig digitalisierte Produktabschlüsse in ihren Apps an. Die neuen Herausforderer erreichen hierbei 79 Prozent. Zudem seien immer mehr Kunden bereit, ihre Kontoverbindung zu wechseln sowie Geschäftsbeziehungen mit mehreren Geldhäusern einzugehen. So greift mehr als die Hälfte der Bankkunden auf die Dienste mehrerer Institute zurück. (ert)