Assekurata kritisiert Bafin-Ansatz zum Kundennutzen von Lebenspolicen
Die Ratingagentur Assekurata übt in einer Studie Kritik am Value-for-Money-Ansatz der Bafin zur Bestimmung des Kundennutzens. Das Vorgehen der Behörde orientiere sich zu sehr an Kosten und Renditen und lasse andere Aspekte außer Acht – unter anderem das Anlegerverhalten.
Assekurata hat in einer Studie die Value-for-Money-Ansätze (VfM-Ansätze) der europäischen Finanzmarktaufsicht ESMA und vor allem der deutschen Finanzaufsicht Bafin unter die Lupe genommen. Dabei hat die Kölner Ratingagentur einige Schwachstellen entdeckt. So lege der aktuelle VfM-Ansatz der Bonner Behörde den Schwerpunkt zu sehr auf quantitative Kennzahlen und Benchmarks für das Rendite-Kosten-Verhältnis. Er vernachlässige dabei jedoch einige wesentliche Produktmerkmale – und auch die Risikoscheu der deutschen Verbraucher.
"Ein verbraucherfreundlicher VfM-Ansatz sollte nicht nur ein ausgewogenes, langfristiges Rendite-Kosten-Verhältnis, sondern auch das individuelle Sicherheitsbedürfnis der Verbraucher, Flexibilität und Servicequalität berücksichtigen", lässt sich Studienautorin Tatiana Wandraj in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie zitieren.
Angemessenen Kundennutzen sicherstellen
Die Bafin hat im Mai 2023 ihr "Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten" veröffentlicht. Mithilfe dieses Merkblatts möchte die Behörde Lebensversicherer dazu bringen, einen "angemessenen Kundennutzen" im Hinblick auf deren Bedürfnisse sicherzustellen. Den Kundennutzen ("Value") sieht die Bafin vor allem darin, dass die Verträge ausreichend Rendite für das eingesetzte Kapital ("Money") erwirtschaften, weshalb die Assekuranz ihre Kosten in den Griff bekommen soll.
Ein wichtiger Aspekt der Bewertungen des Kundennutzens sind daher für die Bafin zum einen die Effektivkosten, die alle Ausgaben der Gesellschaft einschließen – auch die Vertriebsaufwendungen, die einen Großteil der Kosten ausmachen. Der zweite entscheidende Punkt sind die Renditeerwartungen an die Produkte, die unter Berücksichtigung einer langfristigen Inflationsrate von etwa zwei Prozent bei mindestens zwei Prozent liegen sollten. Einer Erhebung der Aufsicht zufolge liegen die durchschnittlichen Kosten, gerechnet auf Basis des gewichteten Mittelwertes, je nach Vertragslaufzeit zwischen 1,75 und 2,66 Prozent. Daraus resultieren Renditeerwartungen von 3,75 bis 4,66 Prozent.
Nur Aktienfonds erreichen die Renditevorgaben
Assekuera hat die tatsächliche historische Entwicklung von Portfolios fondsgebundener Lebensversicherungen analysiert. Basis waren die Tarifdaten von 34 Versicherungsunternehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die regulatorischen Renditevorgaben vor allem durch Investments in Aktienfonds erreicht werden konnten, wobei sich die Renditechancen je nach Region und Anlagedauer unterscheiden. Mit Misch- oder Rentenfonds ließen sich die Renditvorgaben dagegen kaum oder gar nicht erreichen.
Höhere Renditen lassen sich in der Regel aber nur durch die Bereitschaft erzielen, ein höheres Risiko einzugehen. Hier gebe es jedoch das Problem, dass deutsche Sparer aufgrund ihrer hohen Risikoaversion Produkte mit geringen oder keinen Garantien oft als unattraktiv empfinden, selbst wenn diese höhere Renditen und langfristige Anlageerfolge ermöglichen.
Weitere Probleme
Der starke Fokus der Bafin auf die Renditen kann Assekurata zufolge noch zu anderen Problemen führen: "Unsichere Inflations- und Renditeprognosen bergen Risiken für die Produktauswahl und die Beratung mit Fokus auf Realrenditen, da Timing-Risiken und volatile Märkte die Renditeerwartungen enttäuschen und das Vertrauen in Altersvorsorgeprodukte gefährden können", heißt es in der Mitteilung. Mindestrenditen stünden daher teils im Widerspruch zu dem Ziel, Vorsorge zu fördern und das Vertrauen der Versicherungsnehmer zu stärken.
Daher haben die Autoren konkrete Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung des VfM-Modells erarbeitet. Zu den zentralen Empfehlungen gehören unter anderem ein erweitertes Bewertungsmodell, das qualitative Faktoren wie Beratung und Produktflexibilität stärker berücksichtigt. Ferner sollten die Benchmarks und die quantitativen Kennzahlen regelmäßig auf ihre Aussagekraft und Verhältnismäßigkeit geprüft werden. (jb)