Anfang des Jahres sorgte die Insolvenz des Digitalversicherers Element für einige Aufregung in der Branche. Das Aus ist seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahr 1999 auch das erste dieser Größenordnung in der deutschen Versicherungswirtschaft. FONDS professionell ONLINE sprach mit Julia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungsaufsicht bei der Bafin, über die Rolle der Behörde beim Aus, die Konsequenzen, die sie daraus zieht, und die Frage, wie die Bundesanstalt grundsätzlich die Interessen der Versicherungsnehmer schützt.


Frau Wiens, die Bafin prüft regelmäßig die von ihr beaufsichtigten Versicherer. Im Falle des Digitalversicherers Element, der Anfang 2025 Insolvenz anmelden musste, ist einiges schief gelaufen. Was geschah genau? 

Julia Wiens: Bei Element trat die Überschuldung ein, nachdem der Gesellschaft der Rückversicherungsschutz gekündigt worden war. Als wir darüber informiert wurden, haben wir unverzüglich reagiert und veranlasst, dass Element kein Neugeschäft mehr schreiben darf. Denn ohne Rückversicherungsschutz darf kein Schadenversicherer tätig sein. 

Gab es nicht im Vorfeld Anzeichen, dass der Rückversicherer kündigen würde? 

Wiens: Nein, wir haben Element eng begleitet und die Kapitalausstattung war zu jedem Zeitpunkt gegeben. Das Thema Rückversicherungsschutz liegt jedoch in der alleinigen Verantwortung der Versicherer. Es gibt keine Berichtspflicht darüber. Die Gesellschaften müssen uns auch nicht über laufende Verhandlungen informieren. Daher kam die Nachricht auch für uns überraschend.

Werden Sie da demnächst genauer drauf schauen? 

Wiens: Wir ziehen unsere Schlüsse aus der Insolvenz von Element. Gesellschaften, die von einem einzelnen Rückversicherer abhängig sind, müssen dies künftig in den Berichten zur unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own Risk and Solvency Assessment, ORSA) gesondert thematisieren. Damit haben wir und die Unternehmen selbst einen besseren Blick auf das Thema.


In der kommenden Ausgabe von FONDS professionell, die Ende September erscheinen wird, finden Sie ein ausführliches Gespräch mit Julia Wiens über die Lage der deutschen Lebensversicherer und die Frage, wie die Bafin die Interessen von Verbrauchern schützt, die zwecks Altersvorsorge in Versicherungsanlageprodukte investiert haben.


Element war ein Start-up – und nicht das einzige in diesem Bereich. Schaut die Bafin da bei der Kapitaldecke etwas weniger streng hin als bei den etablierten Unternehmen?

Wiens: Nein, da machen wir keinen Unterschied. Der Schutz der Versicherungsnehmer steht immer im Vordergrund. Wir können das Wohl der Kundinnen und Kunden nicht von Finanzierungsrunden abhängig machen. Ein Versicherer muss stets genügend Kapital vorhalten, um alle Verpflichtungen gegenüber seinen Kundinnen und Kunden dauerhaft erfüllen zu können. 

Apropos Verpflichtungen gegenüber Kunden: Run-offs von Lebensversicherern werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Manche Marktbeobachter befürchten Nachteile für die Kunden. Wie ist denn nach einigen Erfahrungen aus den vergangenen Jahren die Sicht der Bafin auf Run-offs? 

Wiens: Die Abwicklung eines Versicherungsbestands ist in erster Linie eine geschäftspolitische Entscheidung. Es gibt immer auch die Möglichkeit, eine Bestandsübertragung vorzunehmen oder eine ganze Gesellschaft zu verkaufen. Für uns ist wichtig, dass dabei die Belange der Versicherten gewahrt sind. Der Erwerber muss ein ernstzunehmendes Interesse daran haben, den Bestand fortzuführen und weiterzuentwickeln. Das prüfen wir. Oft ergibt eine Übertragung durchaus Sinn, weil die sogenannten Run-off-Plattformen Effizienzgewinne aus der Verwaltung oder der Kapitalanlage heben können.

Im Falle des Run-off eines Lebensversicherungsbestandes der Zurich auf Viridium hat die Bafin aber ihr Veto eingelegt. Woran hakte es?

Wiens: Zu Einzelfällen äußert sich die Bafin nicht.

Eine Möglichkeit der Effizienz- und damit auch der Gewinnsteigerung ist der Einsatz von Tools auf Basis künstlicher Intelligenz. Wie weit sind die Versicherer hier, etwa in der Steuerung oder der Risikomodellierung der Kapitalanlage?

Wiens: Versicherer setzen KI an unterschiedlichen Stellen der Wertschöpfungskette ein, etwa bei der Dokumentenerkennung, dem Input-Output-Management oder der Betrugserkennung, teilweise auch im Leistungs- und Schadenmanagement. Einen flächendeckenden Einsatz sehen wir bisher aber nicht. Auch bei Systemen, die der europäische AI Act als Hochrisiko-KI einstuft, erleben wir im Moment noch eine gewisse Zurückhaltung. Wenn Sie mich aber in fünf Jahren noch einmal fragen, sieht es vermutlich ganz anders aus.

Wir danken für das Gespräch. (jb)