"Viele Fondsanbieter unterschätzen Greenwashing-Risiken"
Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag für die "Green Claims Directive" auf Eis gelegt. Warum Fonds dennoch nur mit umweltbezogenen Aussagen werben sollten, wenn sie diese klar belegen können, erklärt Daniel Pehle vom Beratungshaus und Wirtschaftsprüfer Forvis Mazars im Interview.
Daniel Pehle, Salary Partner der globalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Forvis Mazars in München, unterstützt Asset Manager, Banken, Versicherer und Immobilienkonzerne zu Fragen rund um ESG, Digitalisierung und Wachstum. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE erläutert der promovierte Wirtschaftswissenschaftler, aus welchen Gründen die EU-Kommission das Gesetzgebungsverfahren für die "Green Claims Directive" ausgesetzt hat – und warum Fondsgesellschaften und -vermittler bei der Werbung mit Umweltaussagen trotzdem sehr vorsichtig sein sollten.
Herr Pehle, die Europäische Kommission hat in Bezug auf die geplante Richtlinie gegen irreführende Nachhaltigkeitsetikettierung, die "Green Claims Directive", zuletzt ein Hin und Her veranstaltet. Mitte Juni ließ sie verlauten, sie ziehe den Vorschlag für das Regelwerk zurück. Nur zwei Wochen später kam dann die Erklärung, die Kommission wolle das Vorhaben doch nicht aufgeben. Was ist denn nun der aktuelle Stand der Dinge?
Daniel Pehle: Die EU-Kommission hat das Gesetzgebungsverfahren zur Green Claims Directive Ende Juni 2025 ausgesetzt, unter anderem nachdem die Europäische Volkspartei, als stärkste Fraktion im EU-Parlament, die Rücknahme der Richtlinie gefordert hatte. Ursprünglich sollte diese Ende Juni 2025 im Gesetzblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden, womit die Frist zur Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedsstaaten begonnen hätte. Solange es keinen offiziellen Zeitplan für eine Wiederbelebung der Richtlinie gibt, liegt die Green Claims Directive auf Eis.
Was waren denn die Argumente gegen die Richtlinie?
Pehle: Als wesentliches Argument gegen die Richtlinie wurde die bürokratische Belastung kleinerer Unternehmen vorgebracht. Aufgrund ähnlicher Bedenken war zuvor bereits der Kreis der Firmen stark verengt worden, die gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind. Auch die Gruppe der Unternehmen in der EU, die nach der Corporate Sustainability Due Diligence Directive zur Einhaltung von Lieferkettensorgfaltspflichten angehalten werden sollen, wurde stark verkleinert. Die Aussetzung des Green-Claims-Directive-Gesetzgebungsverfahrens reiht sich also ein in den Kontext des Abbaus von EU-Bürokratie inklusive ESG-Vorgaben.
Was genau hätte die Richtlinie Fondsanbietern vorgeschrieben?
Pehle: Mit der Green Claims Directive sollten Verbraucherschutz und fairer Wettbewerb in der EU gestärkt werden, indem man Unternehmen dazu verpflichtet hätte, ihre Umweltversprechen durch wissenschaftliche Nachweise und unabhängige Prüfungen zu belegen. Zudem wollte die EU einheitliche Standards für Umweltkennzeichnungen schaffen. Konkret gesagt, wären beispielsweise umweltbezogene Aussagen wie "klimaneutral" oder "öko" nur noch dann zulässig gewesen, wenn sie erstens nachgewiesen und zweitens für das jeweilige Unternehmen oder Produkt erheblich gewesen wären.
Dann dürfte die Aussetzung der Green Claims Directive der Fondsbranche doch ganz gelegen kommen.
Pehle: Vielleicht, aber unabhängig von einer Green Claims Directive müssen solche Aussagen nach dem deutschen Wettbewerbsrecht ohnehin redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Eine zunehmende Anzahl an Abmahnungen und Klagen aufgrund von Greenwashing-Vorwürfen, insbesondere von Verbraucherschutzorganisationen, unterstreicht das reputative, rechtliche und letztlich finanzielle Risiko unfundierter Umweltaussagen. Fondsanbieter und -vertriebe sind nach der EU-Offenlegungsverordnung, Englisch: Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz: SFDR, zudem weiterhin an nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten auf Unternehmens- und Produktebene gebunden. Auch wenn die Umsetzung einer Green Claims Directive zusätzlichen Druck auch auf die Asset-Management-Branche bedeuten würde, ist dieser Druck allein durch die SFDR bereits sehr hoch, wenngleich das möglicherweise noch nicht allen bewusst ist.
Wie meinen Sie das?
Pehle: Meiner Beobachtung nach sind sich viele Fondsanbieter beispielsweise noch immer nicht völlig darüber im Klaren, welche produktbezogenen Berichtspflichten ein Fonds genau schafft, der zum Beispiel nach Artikel 8 der SFDR eingestuft ist. Dies dürfte vor allem mit der unglücklichen deutschen Übersetzung der englischen Originalfassung der SFDR zu tun haben, die einen Artikel-8-Fonds als Sondervermögen bezeichnet, das ökologische und/oder soziale Merkmale "bewirbt".
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin sieht die Sache anders, oder?
Pehle: Die Bafin hat diesbezüglich bereits 2022 erklärt, dass sie "to promote" im Einklang mit dem Verständnis der Tatbestandsvoraussetzung von Artikel 8 SFDR als "fördern" und nicht als "bewerben" auslegt und dass ein "Fördern" grundsätzlich nicht bereits bei einem reinen "Investiert sein" in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten vorliegt. Weitergedacht bedeutet dies, vor allem im Sachwertebereich, dass die Förderung von Nachhaltigkeit durch die Kapitalanlage gemessen werden muss, um sie redlich, eindeutig und nicht irreführend darlegen zu können.
Das klingt sehr kompliziert und nach viel Aufwand.
Pehle: Ja, nehmen wir einen Immobilienfonds, der nach Artikel 8 SFDR klassifiziert ist. Für einen solchen Fonds ist es meines Erachtens nicht ausreichend, beispielsweise eine Verbesserung des ESG-Scores über den Gesamtbestand auszuweisen, solange nicht zusätzlich offengelegt wird, auf Basis welcher objektiven Daten aus welchen vertrauenswürdigen Datenquellen der Score im Zeitverlauf methodisch konsistent berechnet wurde. Dazu kommt, dass die gemessene Förderungswirkung von Nachhaltigkeitsmerkmalen, zum Beispiel im Vergleich zum Fondsvolumen, nicht insignifikant sein darf. In diesem Fall könnte eine gemessene Absenkung von CO2-Emissionen durch energetische Gebäudesanierungsmaßnahmen im Immobilienportfolio also nicht absolut, sondern nur in Relation zum gesamten Bestand oder Emissionsvolumen des Portfolios signifikant sein.
Was folgt daraus für Fondsgesellschaften?
Pehle: Ich würde an Anbieter nachhaltiger Fonds, unabhängig vom Schicksal der Green Claims Directive, appellieren, die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen noch ernster zu nehmen. Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten entsteht hier ansonsten ein potenzielles Einfallstor für Schadensersatzforderungen respektive für Prospekt- und Beraterhaftungsfragen.
Was sollten die Anbieter nach Ihrer Ansicht konkret tun?
Pehle: Ich würde mich zunächst auf die Überprüfung und gegebenenfalls die Weiterentwicklung der Methoden, Daten, Prozesse und Zuständigkeiten bei der Messung der Nachhaltigkeitswirkung und -förderung konzentrieren und die schriftliche Ordnung entsprechend anpassen. Im zweiten Schritt wäre zu überlegen, ob und wie man Anleger über etwaige Anpassungen informiert.
Vielen Dank für das Gespräch. (am)
Den vollständigen Artikel über die Aussetzung der "Green Claims Directive" sowie über den Stand anderer EU-Regulierungsprojekte finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 3/2025 von FONDS professionell ab Seite 430. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.















