Dieser Tage kam "Finanztest" mit einem 200 Seiten starken Sonderheft auf den Markt, das mit 100 Infografiken unter dem Titel "Finanzen verstehen" Tipps rund um Geldanlage, Steuern und Versicherungen geben will. Keine schlechte Idee, komplexe Themen mit Grafiken auf einen Blick erschließen zu helfen.

Doch die Reduktion auf das Wesentliche gelingt nicht in jedem Fall wirklich gut. Beispiel Versicherungen: Dort ist zum Thema "Versicherungen abschließen" als einziger Weg der "digitale Makler" erwähnt. Nicht genannt werden jedoch klassische Versicherungsmakler mit ihrem umfassenden unabhängigen Beratungsangebot, keine Vertreter der Versicherer, auch nicht Honorarberater.

"Finanztest" reagiert auf Kritik der Redaktion
Auf Nachfrage von FONDS professionell ONLINE gab "Finanztest"-Expertin Simone Weidner zu Protokoll: "Grundsätzlich hat die Philosophie der Stiftung Warentest, Verbraucher zu 'empowern', ihren Versicherungsschutz selbst in die Hand zu nehmen, nach wie vor Bestand." In Tests würden Versicherer und Tarife genannt, und es werde empfohlen, Policen direkt beim Versicherer abzuschließen. "Bei komplizierteren und sehr lang laufenden Versicherungen empfehlen wir Verbrauchern mit Beratungsbedarf, sich an Versicherungsmakler zu wenden, etwa bei Berufsunfähigkeitsversicherungen", so Weidner weiter.

"Einen Versicherungsabschluss via Makler-Apps empfehlen wir eingeschränkt", so die Finanztesterin, da der Abschluss nach Auffassung der Stiftung für informierte und digitalaffine Kunden geeignet ist. Und: "Sonderpublikationen erheben nicht den Anspruch, alle verbraucherrelevanten Informationen der Stiftung Warentest in einer Publikation zu veröffentlichen."

Sonderheft mit Ungereimtheiten
Im Begleittext des jetzt erschienenen Infografik-Sonderheftes zeigen sich einige Besonderheiten. Da wird pauschal behauptet, dass Versicherungsmakler "neben allen Schwächen auch Vorteile haben". Was diese Schwächen sein sollen, erfährt der Leser nicht. Dazu äußert sich Weidner nicht. Immerhin werden im Heft einige Vorteile von Maklern genannt, wie Haftung bei Falschberatung, Hilfe im Schadenfall und Beratungsqualität mit Blick auf den passgenauen Schutz ohne Unter- oder Überversicherung.

Wenig realitätsnah folgt dann die Prognose, "dass die Zeiten, in denen eine Beratung zu Hause beim Kunden stattfindet, bald vorbei sein könnten". Tatsächlich findet die persönliche Beratung entweder im Maklerbüro statt oder zunehmend per Telefon oder Video-Call. Der Rat, "bequem vom Sofa die Dienste von Maklern auch über das Smartphone via Makler-App zu nutzen", wirkt da fehl am Platz – dazu braucht es keine Makler-App, das können auch viele klassische Vermittler.

Finanztester nicht von Makler-Apps überzeugt
Makler-Apps böten "grundsätzlich die gleichen Leistungen wie Makler aus Fleisch und Blut", meint "Finanztest". Eine steile These, denn mit der vollwertigen Kundenberatung taten sich die Maklerportale bislang schwer, wie zahlreiche Wettbewerbsprozesse von echten Versicherungsvermittlern gegen die formal als Makler zugelassenen Portale wie Check24 oder Verivox belegen.

Doch dann attestiert "Finanztest" selbst der Beratung via App nur eine "höchstens befriedigende" Note. Die Apps "stellten zu wenige Fragen zum Versicherungsbedarf", lautet die einzige Begründung. Mit diesem Ausblick wird der Leser allein gelassen. Ob er daraus die richtigen Schlüsse für seine individuell passende Versicherungsberatung ziehen kann? Die Reduktion auf das Wesentliche läuft hier offensichtlich ins Leere. Immerhin hätte sich der Verweis auf etwas weitergehende Tests der Vergangenheit zumindest als Fußnote angeboten.

Was der letzte Test von Makler-Apps gebracht hat
Doch auch in der Vergangenheit hatten entsprechende Tests unter Fachleuten viel Kritik hervorgerufen. Beispiel Makler-Apps. Der jetzt in "Finanztest" erwähnte hauseigene Test, der nicht näher benannt wurde, bezog sich auf sechs Makler-Apps, ist aber schon ziemlich lange her: Er stammt aus der Januar-Ausgabe 2020 von "Finanztest" mit Stand vom September 2019.

Seinerzeit wurden sechs kostenlose Apps getestet (externer Link): Check 24 Versicherungscenter, Clark, Knip, Treefin, Verivox Versicherungsmanager und Wefox. Während Treefin und Knip ein "befriedigend" bekamen, wurden alle anderen nur "ausreichend" benotet. Fazit der Tester: Infrage kommt eine App allenfalls für Kunden, die keinen großen Beratungsbedarf haben, in Versicherungsfragen informiert und internetaffin sind. Neuere Umfragen sind nicht bekannt. Daher erstaunt es umso mehr, dass es angesichts dieser Ergebnisse der "digitale Makler" als einziger Beratungsansatz ins aktuelle Sonderheft geschafft hat.

Seriöser Test von Versicherungsmaklern steht aus
Immerhin hatte "Finanztest" in der Dezember-Ausgabe 2020 bereits Versicherungsmakler aus Fleisch und Blut getestet (externer Link). Allerdings betraf dies nur vier große Firmen, darunter drei Finanzvertriebe (Plansecur, Dr. Klein und MLP). Einziger klassischer Makler war Hoesch & Partner, der mit "gut" prompt die beste Bewertung der vier Unternehmen bekam.

"Guter Rat ist selten", titelte "Finanztest" damals. Tatsächlich wurde jedoch gar nicht die Qualität der Versicherungsberatung insgesamt getestet, sondern nur die Beratung zur PKV-Vollversicherung, und auch dazu nur eine Frage gestellt: Soll der Musterkunde (zwischen 30 und 40) in die PKV wechseln oder nicht? Seinerzeit kritisierten mehrere Experten das Testverfahren. Bemängelt wurde unter anderem, dass zwar auch Kleinbetriebe besucht wurden, aber jeweils nur ein einziger Tester pro Versicherungsvertreter, -makler und -berater unterwegs war. Bewertet wurden diese Beratungen wegen der geringen Fallzahl und der einmaligen Beratung damals nicht. Zur Frage, ob die Stiftung demnächst einen repräsentativen Test von Versicherungsmaklern plant, wollte sich Weidner nicht äußern. (dpo)