"Gleich und gleich gesellt sich gern", sagt der Volksmund. Andererseits ist wohl jedem auch die Binsenweisheit bekannt, die da lautet: "Gegensätze ziehen sich an". Doch gilt einer der beiden Sprüche für die Finanzberatung? Und wenn ja, welcher? Das hat Andreas Walter, Professor für Finanzdienstleistungen an der Justus-Liebig-Universität Gießen, untersucht. Das interessante Ergebnis: Je ähnlicher sich Kunde und Berater sind, desto höher fällt die Abschlussquote aus. 

"Auf dem Gebiet der Finanzberatung erforschen wir vor allem die Interaktion zwischen Kunde und Berater", erklärt Walter im Interview mit FONDS professionell. "In unserer ersten Studie dazu sind wir der Frage nachgegangen, ob und wie sich eine Situation schaffen lässt, in der die Beratung besonders effektiv ist", erklärt er. Dabei haben Walter und sein Forschungsteam Bezug auf das Konzept der sozialen Homophilie genommen.

Wann Menschen andere Menschen mögen
"Dieses Konzept aus der Soziologie besagt, dass Menschen andere Menschen umso mehr mögen, je ähnlicher sie ihnen sind. Daher bestimmt der Grad der demografischen Ähnlichkeit auch darüber, welchen Wert ein Ratschlag für den Ratsuchenden hat", so Walter. Für seine Studie hat er die Hypothese aufgestellt, dass in einer Finanzberatung das Verständigungs- und Vertrauensverhältnis höher ist, wenn Kunde und Berater sich ähnlich sind. "Das wollten wir auch messen und haben uns dafür einfach die Abschlussquoten angeschaut", berichtet er.

Die Forscher haben Protokolle von 3.500 Beratungsgesprächen analysiert, die ihnen eine deutsche Sparkasse zur Verfügung gestellt hatte. Die Handlungsempfehlungen haben sie mit den daraufhin erfolgten Transaktionen abgeglichen und so die Abschlussquote gemessen. Zu den Kunden lagen ihnen viele Informationen vor, darunter Alter, Geschlecht, Familien- und Berufsstand sowie Bildungsabschluss. "Glücklicherweise hat uns die Sparkasse einen Teil dieser Informationen auch zu ihren Beratern übermittelt. So konnten wir untersuchen, ob die Abschlussquote umso höher ist, je mehr Merkmale übereinstimmen", erläutert der Professor.

Hypothese bestätigt
Tatsächlich hat sich die Hypothese des Forschungsteams bestätigt. "Die Ähnlichkeit zwischen Kunde und Berater spielt für die Abschlussquote eine riesengroße Rolle", sagt Walter. In der Studie wurden nur vier Merkmale betrachtet. Die Abschlussquote lag im Durchschnitt bei 66 Prozent, wenn es bei keinem dieser Merkmale eine Übereinstimmung gab. Stimmten hingegen alle Aspekte überein, belief sich die durchschnittliche Abschlussquote auf 79 Prozent. "Das ist eine wirklich signifikante Steigerung und betriebswirtschaftlich gesehen natürlich durchaus relevant", findet Walter. 

"In der Vertriebssteuerung von Banken wird das Phänomen der Homophilie in aller Regel aber überhaupt nicht berücksichtigt", sagt er. "Dabei hätten sie ja die notwendigen Daten, um solche 'Kunde-Berater-Paare' zu bilden. Aus meiner Sicht würde sich das lohnen", konstatiert der Wissenschaftler.

Den Homophilie-Effekt nutzen
Bei Finanzvertrieben findet ein solches Matching implizit schon statt. Dort sprechen zum Beispiel junge Berater, die gerade einsteigen, die Mitglieder ihrer Fußballmannschaft an oder gehen an Hochschulen, um Kunden zu akquirieren. "Das ist genau richtig, um den Homophilie-Effekt als Vertrauensvorschuss zu nutzen", urteilt Walter. Auch freien Vermittlern rät er, ganz bestimmte Zielgruppen anzusprechen, zu denen sie eine persönliche Verbindung haben.

Dass Robo-Advisors menschliche Berater eines Tages komplett ersetzen könnten, glaubt der Forscher nicht. "Neben einem fundierten Fachwissen können Berater aus Fleisch und Blut ihren Kunden auch ein Gefühl der Sicherheit vermitteln und Vertrauen herstellen. Und gerade weil es in der Finanzberatung so heftig menschelt, ist das ganz wichtig", sagt er. (am)


Das vollständige Interview mit Andreas Walter finden Sie in der aktuellen Ausgabe 3/2024 von FONDS professionell ab Seite 310. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.