Maklerverband: Neues Rechtsgutachten stärkt Unabhängigkeit des Maklers
Die Trilog-Verhandlungen zur EU-Kleinanlegerstrategie könnten die Unabhängigkeit von Versicherungsmaklern unterhöhlen, die zu Versicherungsanlageprodukten beraten. Der Maklerverband BDVM will mit einem Rechtsgutachten vorbauen, das vorige Woche bei einem Fachgespräch in Hamburg vorgestellt wurde.
Die Ende Mai 2023 von der EU-Kommission vorgelegte "Retail Investment Strategy" (RIS), die zu Deutsch als "Kleinanlegerstrategie" bezeichnet wird, befindet sich noch immer im Entwurfsstadium. Um die RIS zu verabschieden, müssen sich in sogenannten Trilog-Gesprächen die EU-Kommission, das Europaparlament und der Ministerrat einigen, erinnert Wolfgang Eichele, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Bereits vor der Europa-Wahl im Juni 2024 hatte neben dem EU-Parlament auch der EU-Ministerrat einem drohenden Provisionsverbot eine Absage erteilt.
Insbesondere das partielle Provisionsverbot bei "unabhängiger Beratung" im Richtlinienentwurf sei vom Tisch. Im schlimmsten Falle müsse der Makler bei der Beratung zu Versicherungsanlageprodukten lediglich darauf hinweisen, dass die Beratung auf Provisionsbasis und daher nicht "unabhängig" erfolgt. Diese Position war durch ein Gutachten von Universitätsprofessor Christoph Brömmelmeyer (Europa-Universität Viadrina), das der BVK am 14. September 2023 veröffentlicht hatte (externer Link), untermauert worden. "Makler müssten sich im schlechtesten Fall gegenüber den Kunden von Versicherungsanlageprodukten genauer erklären", so Brömmelmeyer.
Neues Rechtsgutachten zur Unabhängigkeit des Maklers
Aktuell scheint bei den Trilog-Verhandlungen eher der Abbau unnötiger bürokratischer Regelungen auf der Tagesordnung zu stehen. Dennoch hat der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) quasi vorbeugend ein Rechtsgutachten zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des Auftretens von Versicherungsmaklern als "unabhängige Versicherungsmakler" in Auftrag gegeben. Darin kommt Robert Koch, Professor für Bürgerliches Recht und Versicherungsrecht an der Universität Hamburg und geschäftsführender Direktor des Seminars für Versicherungswissenschaft, im Kern zu diesem Ergebnis: "Solange Versicherungsmakler ihr Gewerbe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften (VVG, VersVermV und GewO) ausüben, sind sie in den Augen des angesprochenen Verkehrskreises (Versicherungsinteressenten bzw. Versicherungsnehmer) unabhängig und dürfen sich deshalb auch als 'unabhängiger Versicherungsmakler' bezeichnen."
Koch macht im Gutachten (externer Link) drei rechtliche Voraussetzungen fest, wonach der Makler sich im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften befindet:
- Er muss von Versicherern rechtlich und wirtschaftlich unabhängig sein,
- gegenüber Versicherern bei der Ausgestaltung der Versicherungsverträge ausschließlich die Interessen des Auftraggebers (Kunde) vertreten und
- bei der Auswahl eines Versicherers und/oder beim Vertragsabschluss seine Eigeninteressen nicht über die Interessen des Auftraggebers (Kunde) stellen.
Kampf um Unabhängigkeit beim Status
Darüber hinaus hält das Gutachten fest, dass ein Verbot der Bezeichnung "unabhängig" im Status für Versicherungsmakler zum Schutz des Versicherungsinteressenten beziehungsweise Versicherungsnehmers nicht erforderlich sei und deshalb gegen den verfassungsmäßig verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. "Dies wäre bei einer Umsetzung der RIS in deutsches Recht zu beachten", betonte BDVM-Geschäftsführer Bernhard Gause bei einem Fachgespräch des Verbandes vergangene Woche in Hamburg.
Die RIS befindet sich noch in den Trilog-Verhandlungen in Brüssel, die voraussichtlich am 21. Oktober fortgesetzt werden. Es ist weiterhin möglich, dass die Beratung im provisionsbasierten Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten nicht als "unabhängig" bezeichnet werden darf. "Die Bezeichnung des Versicherungsmaklers als im Status 'unabhängig' darf dies vor dem Hintergrund der gutachterlichen Stellungnahme von Professor Koch auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bei einer etwaigen Verabschiedung und nachfolgenden Umsetzung der Kleinanlegerstrategie in deutsches Recht nicht in Frage stellen", so Gause.
Was ein Versicherungskenner zum neuen Gutachten sagt
Die Redaktion hat Matthias Beenken, Professor für BWL, insbesondere Versicherungswirtschaft, an der Fachhochschule Dortmund, um eine kurze Einschätzung des Koch-Gutachtens gebeten. Er findet die grundsätzliche Bewertung nachvollziehbar, sieht aber ein Problem bei der Markteinordnung. "Das Gutachten setzt sich nicht mit dem Begriff der Unabhängigkeit im europäischen Kontext bei Anlage- und Versicherungsanlage-Beratung auseinander, obwohl genau das Gegenstand der geplanten Kleinanlegerstrategie ist", so Beenken. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz gebe es den Begriff einer "unabhängigen Honorar-Anlageberatung", die ausschließlich vom Kunden vergütet werden darf.
Zudem scheint das Gutachten den idealtypischen Industrie- und Gewerbemakler im Blick zu haben, weniger jedoch "die Lebenswirklichkeit der Makler im Privatkunden- und Kleingewerbegeschäft, wo es unwirtschaftlich wäre, für jeden Kunden individuell den ganzen Markt zu untersuchen", merkt Beenken an.
Rechtliche Stärkung gegen Verbraucherschützer-Klagen
Zugleich soll die Koch-Analyse wohl Verbraucherschützern den Wind aus den Segeln nehmen. Man wolle "aktiv gegen Verbraucherschützer kämpfen, die unsere Unabhängigkeit in Frage stellen", betont BDVM-Präsident Thomas Billerbeck. Bislang gebe es drei erstinstanzliche Urteile, zwei davon zugunsten des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), wo der Begriff "Unabhängigkeit" des Maklers auf dessen Website angezweifelt und abgemahnt wurde.
"Das Gutachten bestätigt, dass wir uns unter bestimmten Umständen weiterhin unabhängig nennen dürfen", meint Billerbeck. "Der Makler ist und bleibt ein unabhängiger Sachwalter des Kunden, die Vergütungsfrage ist dabei unerheblich", so der BDVM-Präsident. Der Verband werde hier weiter aktiv gegen Verbraucherschützer vorgehen, weil es um die DNA des deutschen Versicherungsmaklers gehe.
Interpretation von Unabhängigkeit geht weiter
Man darf auch gespannt sein, wie die Trilog-Verhandlungen weitergehen. Die Frage der Unabhängigkeit beziehe sich nicht auf den Status des Maklers im Sinne des Berufsbildes, sondern auf dessen Dienstleistung, die über Courtage oder Honorar bezahlt wird, so der BVK. "Dies kann leicht als Teil der Erstinformation für den Kunden erfolgen", riet BVK-Chef Eichele schon vor einem Jahr. Dem Verband wäre aber eine klare, einfache und verständliche Regelung lieber, die Verbrauchern als Abgrenzung des Maklers zum Vertreter besser hilft als die umständlichen Formulierungen im RIS-Entwurf. (dpo)














