Ombudsfrau: So viele Beschwerden über Versicherer wie noch nie
Beim Verein Versicherungsombudsmann, der seit einem Jahr erstmals von einer Frau geleitet wird, beschwerten sich 2024 wieder mehr Kunden über die Versicherer. Im Jahresbericht nennt die Ombudsfrau auch die neuesten Zahlen zu Beschwerden über Versicherungsvermittler.
Im vergangenen Jahr sind beim Schlichterverein 21.548 Beschwerden (+ 19,5 Prozent) eingegangen, nachdem die Beschwerdeflut 2022 auf 15.907 Eingaben abgeebbt zu sein schien. "2024 erreichten die Schlichtungsstelle so viele Beschwerdevorgänge wie noch nie seit Gründung des Vereins im Jahr 2001", sagte Versicherungsombudsfrau Sibylle Kessal-Wulf am Mittwoch (16.4.) bei der Vorstellung des "Jahresberichtes 2024" (externer Link). Kessal-Wulf war zum 1. April 2024 als erste Frau zur Chefin des Schlichtervereins ernannt worden. Als Ursache für die erhöhte Beschwerdezahl vermutet die Ombudsfrau den gestiegenen Bekanntheitsgrad des Vereins und eine gesteigerte Erwartungshaltung der Kunden, die schnelle und volle Schadenregulierung wollten.
Zulässig waren allerdings nur 15.659 Beschwerden (+ 18,6 Prozent). Traditionell wird dabei auch die Erfolgsquote der zulässigen Beschwerden genannt. Bei den 2024 beendeten Verfahren betrug die Erfolgsquote zugunsten der Kunden bei den Beschwerden über Versicherer 52,4 Prozent (2023: 50,8 Prozent). Die Lebensversicherung wird gesondert betrachtet. Hier gab es 2024 aus Kundensicht 34,4 Prozent erfolgreiche Beschwerden; das liegt im Schnitt der Vorjahre.
Warum die Zahl beendeter Beschwerden aussagekräftiger ist
Die Zahl der beendeten Eingaben ist aussagekräftiger als die der eingegangenen Beschwerden. "Nach Abschluss des Verfahrens stehen sämtliche Angaben und Erkenntnisse zur Verfügung; deshalb eignen sie sich für eine vertiefte Auswertung eines Jahres entschieden besser als die Eingänge", heißt es im Jahresbericht. Die Zahl der beendeten Fälle stieg 2024 um 10,9 Prozent auf 13.859, nachdem sie 2023 noch auf 12.501 gesunken war. 571 Verfahren (2023: 647) konnten nicht in der Sache entschieden werden, da die endgültige Bewertung von Fragen abhing, deren Klärung die Möglichkeiten des vereinfachten Ombudsmann-Verfahrens übersteigt, die rechtsgrundsätzlich waren, also vor Gericht geklärt werden müssten, oder den effektiven Betrieb der Schlichtungsstelle ernsthaft beeinträchtigt hätten.
Von den übrigen 13.288 Verfahren beendete die Ombudsfrau fast 6.600 mit einer Entscheidung oder Empfehlung. In 4.418 Verfahren half der Versicherer ab, kam dem Kunden also ganz oder teilweise entgegen. Ein beiderseitiges Nachgeben, also ein Vergleich, kam in 886 Fällen zustande. In 1.385 Verfahren zog der Kunde seine Beschwerde zurück.
Starker Beschwerdeanstieg in der Sachversicherung
Besonders starke Zuwächse verzeichneten bei den zulässigen Beschwerden Kfz-Versicherungen (Haftpflicht: + 66 Prozent, Kasko: + 39,4 Prozent), die Gebäudeversicherung (+ 34,4 Prozent) und die "sonstigen Versicherungen", zu denen Elektronik-, Tierkranken- und Reiseversicherung zählen (+ 33,8 Prozent). Nach absoluten Zahlen gab es die meisten zulässigen Beschwerden bei Kfz-Versicherungen, gefolgt von den Sparten Rechtsschutz und Leben.
"Die Kooperation mit den Versicherern war auch im letzten Jahr gut", resümierte Kessal-Wulf. Generell seien die Vereinsmitglieder gewillt, Anregungen der Ombudsfrau zu prüfen und zogen die rasche Einigung einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung vor. Dennoch nehme die Zahl der Beschwerden zu, bei denen eine gänzlich ausbleibende oder zumindest stark gestörte Kommunikation mit dem Versicherer beklagt wird. Begründet werde dies von den Versicherern mit dem Fachkräftemangel und hohen Krankenständen.
"Sei es, weil der Versicherer überhaupt nicht antwortet, sei es, weil er nur mit großer zeitlicher Verzögerung auf die Meldung von Versicherungsfällen oder auf Rückfragen des Kunden reagiert", beschreibt die Ombudsfrau die Lage. Nicht selten werde auch beklagt, dass die Versicherer Leistungsablehnungen nicht, nur knapp oder für einen juristischen Laien nicht verständlich genug begründen. Dies passt zur Kritik von Maklern über verspätete Reaktionszeiten der Versicherer. Die Aufsichtsbehörde Bafin beobachtet die schleppende Bearbeitung bereits. "Der Schlichterverein ist in zwei Bafin-Beiräten vertreten und wir stimmen uns ab", sagte die Ombudsfrau auf Nachfrage von FONDS professionell ONLINE. Die Zusammenarbeit sei jedoch vertraulich.
Kaum Beschwerden über Vermittler
Beschwerden über Vermittler spielen beim Versicherungsombudsmann-Verein eine sehr untergeordnete Rolle. Von den über 21.500 Beschwerden betrafen nur 334 (2023: 318) Versicherungsvermittler. Laut Jahresbericht waren 44 Prozent davon unzulässig, da es keinen Zusammenhang mit der Vermittlung der Verträge selbst gab. Zulässig waren also lediglich 158 Beschwerden, ein Prozent aller zulässigen 15.659 Beschwerden. Die Erfolgsquote aus Kundensicht stieg auf 34,3 Prozent (2023: 21,4 Prozent).
Auch hier ein kurzer Blick in die Statistik der beendeten Beschwerden über Vermittler: Die Ombudsfrau hat 327 Verfahren abgeschlossen (2023: 306). Davon fielen 153 in den Bereich der Vermittlerbeschwerden, wo danach unterschieden wird, ob der Beschwerdegegenstand rechtlich geprüft werden kann, also justiziabel ist, oder nicht. Falls ja, suchte die Ombudsfrau nach Ansätzen für eine Schlichtung. Bei 5,9 Prozent der als zulässig beendeten Beschwerden kam so ein Vergleich zustande. Ansonsten versuchte die Schlichterin, eine Partei von ihrem Prüfungsergebnis zu überzeugen und Abhilfe zu schaffen, was in 12,4 Prozent der Fälle gelang. Rücknahmen der Beschwerde erfolgten in 4,6 Prozent der Fälle.
In 26 Fällen hatte der Beschwerdeführer sein Anliegen nicht weiterverfolgt. 148 Beschwerden ließen sich nicht dem von der Ombudsfrau schon weit ausgelegten Aufgabenbereich der Vermittlung zurechnen und waren somit unzulässig. Häufigster Grund war in 61 Prozent der Fälle der fehlende Zusammenhang mit einer Vertragsvermittlung. Die zweithäufigste Fallgruppe betraf mit 19 Prozent die fehlende vorherige Anspruchsanmeldung des Kunden beim Vermittler. (dpo)