Provisionsdebatte: Zwei Risiken und eine Klarstellung
Die Finanzlobby hat es geschafft, ein absolutes Provisionsverbot im Wertpapiergeschäft zu verhindern. Klar ist aber, dass Brüssel Verschärfungen durchsetzen will. Rechtsanwalt Christian Waigel ordnet die bisher bekannten Pläne ein.
Als EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness Ende vergangener Woche verkündete, vorerst doch kein Provisionsverbot für die Finanzberatung anzustreben, ging ein Aufatmen durch die Branche. "Damit ist das Thema aber noch nicht ganz vom Tisch", mahnt Christian Waigel, Partner der Kanzlei Waigel Rechtsanwälte in München.
Konkret sieht er an zwei Stellen potenziell Ungemach auf die Banken und Vermittler zukommen. Außerdem erläutert er auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE, was auf die Branche zukäme, wenn es McGuinness gelingt, ein Provisionsverbot für "Execution Only"-Geschäfte durchzusetzen.
Mehr Kostentransparenz
Zunächst zu den Risiken. "Die Kommissarin hat angedeutet, dass die Regelungen für die Provisionen verschärft werden sollen", erinnert Waigel. Deswegen wolle die Kommission zusätzliche Transparenzerfordernisse einführen. "Das läuft wahrscheinlich darauf hinaus, dass die Ex-ante-Kostentransparenz noch einmal erweitert wird", so der Rechtsanwalt. McGuinness möchte Kleinanlegern zum Beispiel den Vergleich verschiedener Finanzinstrumente erleichtern.
Waigel befürchtet daher zusätzliche Pflichten in der Anlageberatung: "Denkbar wäre, dass künftig zum Beispiel ein umfassendes Marktscreening vorzunehmen ist, um für den Kunden gleichwertige, aber günstigere Finanzprodukte zu ermitteln." Das bedrohe Geschäftsmodelle, in denen Berater vor allem gruppen- oder hauseigene Produkte vermitteln. "In der Mifid II könnte die Verpflichtung zum Äquivalenz-Test dahingehend erweitert werden, dass zukünftig den Beratungskunden auch mitgeteilt werden muss, wie kostenintensiv die Beratungsempfehlung im Branchendurchschnitt ausfällt." Möglich sei auch, dass der Kunde auf kostengünstigere Vergleichsprodukte der Konkurrenz aufmerksam gemacht werden müsse. "Das würde aber eine deutliche Erschwernis vor allem für kleinere Institute bedeuten, weil diese ein umfassenderes Screening von Vergleichsprodukten vornehmen müssten", so Waigel. "Angeblich sollen Berater die Kosten von unterschiedlichen Angeboten genauer aufschlüsseln, um den Verbrauchern einen Vergleich zu erleichtern."
Verschärfte Bedingungen
Zusätzlich möchte die EU-Kommission die Bedingungen, unter denen Provisionen erlaubt bleiben, verschärfen. Waigel erinnert daran, dass Zuwendungen aktuell nur dann zulässig sind, wenn sie offengelegt werden und eine Qualitätsverbesserung für den Kunden bezwecken. Dazu stellt die Mifid II selbst drei Regelbeispiele zur Verfügung. "Deutschland hatte in einem Alleingang ein viertes Regelbeispiel geschaffen, nämlich die Rechtfertigung von Provisionen durch ein flächendeckendes Filial-/Beraternetzwerk", so Waigel. "Zudem war die aufsichtliche Anforderung in den Hintergrund getreten, wonach Provisionen individuell am Kunden spürbar zu einer Qualitätsverbesserung beitragen müssten."
Würden diese Erleichterungen gestrichen, könnte das erhebliche Schwierigkeiten nach sich ziehen, fürchtet Waigel. "Zum Beispiel können Sparkassen jetzt einfach auf ihr Filialnetz verweisen und die zu dessen Finanzierung notwendigen Provisionen auf diesen Rechtfertigungsgrund stützen." Falls die Kommission oder die EU-Wertpapieraufsicht ESMA zu ihrer ursprünglichen Haltung zurückkehren, eine spürbare Qualitätsverbesserung pro Kunde erreichen zu müssen, wäre das nicht mehr möglich.
Provisionsverbot für "Execution Only"?
McGuinness wurde in verschiedenen Medien zudem so zitiert, dass sie Provisionen im reinen "Execution Only"-Geschäft verbieten möchte. Unklar ist, was das in der Praxis bedeuten würde: Wären Zuwendungen tabu, wenn keine Anlageberatung stattfindet, sondern lediglich eine Anlagevermittlung? Dann wäre das Geschäftsmodell aller Online-Broker und Direktbanken bedroht. Oder geht es um "Execution Only" im engeren Sinne – ein Geschäft, das in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle spielt.
"Die Begrifflichkeiten gehen in diesem Zusammenhang leider etwas durcheinander", erläutert Waigel auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE. Was gemeinhin als "Execution Only" bezeichnet werde, sei in der Regel eine Anlagevermittlung. Korrekterweise müsse man von "beratungsfreiem Geschäft" reden (geregelt in Paragraf 63 Abs. 10 WpHG): "Bei diesem Geschäft übermittelt der Anleger seinen Orderwunsch (gegebenenfalls über mehrere Intermediäre) letztendlich an eine Depotbank/Verwahrstelle, die die Order dann ausführt", so der Anwalt. "Die weiterleitenden Intermediäre und die Onlinebank nehmen keine Geeignetheitsprüfung vor, sondern lediglich eine Angemessenheitsprüfung."
Bei "Execution Only" (geregelt in Paragraf 63 Abs. 11 WpHG) handele es sich um einen Unterfall solcher Geschäfte. Möglich sei das bei sogenannten "nichtkomplexen" Finanzinstrumenten, bei denen die Intermediäre sogar auf die Angemessenheitsprüfung verzichten können. Sprich: "Execution Only" liegt nur vor, wenn die Order ohne Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung ausgeführt wird – und das tun nur wenige Marktteilnehmer.
"Ganz erhebliche praktische Probleme"
Käme es dagegen zu einem Provisionsverbot für die Anlagevermittlung, wäre das laut Waigel "ein echtes Problem". Denn: Die Depotbanken unterscheiden in der Regel nicht, wie ein Fondsanteil zu ihnen gelangt ist – ob über eine Anlageberatung, eine Finanzportfolioverwaltung oder eine reine Anlagevermittlung. "Kommt daher ein Provisionsverbot für die Anlagevermittlung, hätte das ganz erhebliche praktische Probleme, weil Bestände nach verschiedenen Wertpapierdienstleistungen abgegrenzt werden müssten. Für die Vergangenheit ist das wahrscheinlich gar nicht mehr möglich", so Waigel. (bm)