Der Status quo der Deutschen scheint noch weit von finanzieller Freiheit entfernt zu sein: Jeder zweite Bundesbürger (50,3 Prozent) empfindet negative Gefühle beim Blick auf die privaten Finanzen, während gerade mal 29,5 Prozent angeben, positiv gestimmt zu sein, ergab der "Financial Freedom Report" der LV 1871 in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforscher Civey. Der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit rangiert diesmal mit knapp 60 Prozent (2023: 62,8 Prozent) deutlicher hinter solchen Grundwerten für Freiheit wie freie Meinungsäußerung (83 Prozent) oder selbstbestimmtes Handeln (79,5 Prozent).

"Das kommt angesichts wachsender Bedrohung der Demokratie nicht überraschend", sagt Julia Pitters, Professorin für Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Finanzpsychologie an der IU Internationale Hochschule in Erfurt, die den Report wissenschaftlich begleitet hat. Finanzielle Freiheit sei aber ein zentraler Baustein für ein selbstbestimmtes Leben und umfasse nicht nur das Vorhandensein ausreichender finanzieller Mittel, sondern auch die Fähigkeit, fundierte Entscheidungen zu treffen, die langfristig Sicherheit und Wohlstand ermöglichen.

Dauerkrisenmodus erfasst auch eigene Finanzen
Der "Financial-Freedom-Index" liegt laut Umfrage bei 41,6 Prozent und ist damit im Vergleich zu 2023 um 2,2 Prozentpunkte gesunken. Das Leben in einer Art Dauerkrisenmodus und die zunehmende Unzufriedenheit mit den eigenen Finanzen seien damit 2024 sehr präsent. Der Index zeichnet anhand der Bedeutung der Finanzen im Freiheitskontext zusammen mit der Zufriedenheit und dem Entspannungsgrad der Befragten ein Stimmungsbild der aktuellen Lage in Deutschland. Dabei wird auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent zwischen den Stufen Chaos (0 bis 20 Prozent), Normalität (20 bis 50 Prozent), Kontrolle (50 bis 80 Prozent) und Freiheit (80 bis 100 Prozent) unterschieden.

Seit der ersten Erhebung 2022 bewegt sich der Index immer im Bereich der finanziellen Normalität. Dieser Zustand sei noch mit existenziellen Gefahren verbunden, sobald die Einkommensquelle versiegt. "Die Mehrheit der Deutschen befindet sich zwar nicht in einem Chaos-Zustand im Hinblick auf die persönlichen Finanzen, ist gleichzeitig aber noch weit davon entfernt, ihre Finanzen auf lange Sicht unter Kontrolle zu haben", sagt LV-1871-Vertriebsvorstand Hermann Schrögenauer.

Finanzielle Unabhängigkeit bleibt großer Traum
Grundsätzlich setzen die befragten 2.500 Bundesbürger finanzielle Freiheit gleich mit finanzieller Unabhängigkeit in allen Lebenslagen (59,2 Prozent). Darauf folgen der Wunsch, nicht mehr arbeiten zu müssen (12,7 Prozent), die Erfüllung finanzieller Träume (10,7 Prozent) und die Idee für vorzeitigen Renteneintritt (5,3 Prozent).

"Im Generationenvergleich wird das Ergebnis jedoch differenzierter", sagt Pitters. Alarmierend: Für 20 Prozent der Generation Z, also die 18- bis 29-Jährigen, bedeutet finanzielle Freiheit, sich Träume finanziell erfüllen zu können. Das heißt: An erster Stelle steht die Wunscherfüllung, dann erst die Finanzierung. Nur 40 Prozent dieser Generation wollen finanziell unabhängig in allen Lebenslagen sein. Gleichwohl ist diese Altersgruppe am unzufriedensten mit den eigenen Finanzen (44,8 Prozent). Laut Pitters entspricht dies dem Grundgefühl "wird schon" und "yolo" (englisches Akronym für "you only live once") der jüngeren Generationen. Diese haben teilweise durch die multiplen Krisen auch ein gewisses Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Weltgeschehen entwickelt beziehungsweise priorisieren die Gegenwart.

Jüngere priorisieren immer mehr die Gegenwart
"Im Gegensatz zu früher spielt die Wunscherfüllung heute eine viel wichtigere Rolle bei jungen Menschen, noch bevor sie sich Gedanken über die Finanzierung machen", interpretiert die Finanzpsychologin. Bei den älteren Generationen sei dagegen der Gedanke viel stärker verankert, sich nur leisten zu können, was man auch bezahlen kann. Jeder Zweite der 30- bis 39-Jährigen und sogar 65 Prozent der älteren Menschen ab 65 seien mit ihrer aktuellen Finanzlage zufrieden. "Angesichts der größer werdenden Finanzierungslücke bei der staatlichen Rente und Themen wie Rezession und Inflation kommt es aber gerade für die Jüngeren mehr denn je auf weitsichtige und langfristige Finanzplanung an", warnt Schrögenauer. Je früher, desto besser. Und: Je professioneller, desto sinnvoller.

BVK-Tool bringt Realitäts-Check und Ideen für bessere Finanzplanung
Das klingt wie ein Steilpass für Vorsorgeberater. Der Gesetzgeber bereitet bekanntlich gerade eine Reform der privaten Altersvorsorge mit einem neuen Altersvorsorgedepot vor. Zugleich soll das zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz gerade für Geringverdiener eine stärkere Förderung bei Betriebsrenten bringen. Zudem soll bald die digitale Rentenübersicht (DRÜ) den individuellen Überblick zu den eigenen Altersfinanzen erleichtern.

Da passt es gut, dass der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) Vermittlern aktuell ein neues Beratungstool anbietet. Es nennt sich "Altersvorsorgecheck inklusive Analyse der DRÜ-Daten" und unterstützt Vermittler bei der umfassenden Beratung ihrer Kunden. "Das Tool befindet sich, wie die DRÜ auch, noch in der Pilotphase", sagte BVK-Präsident Michael H. Heinz am Dienstag (29.10.) bei der Präsentation auf der DKM in Dortmund.

Dabei gebe es zwei verschiedene Versionen: Die Basisversion (externer Link) ist kostenlos für alle Vermittler auf der Website des BVK verfügbar, die erweiterte Version können nur BVK-Mitglieder im Online-Mitgliederbereich aufrufen und damit zusätzlich eine Detailberechnung anstellen und dabei weitere individuelle Kundenparameter berücksichtigen. "Damit wird eine bisher im Vermittlermarkt einmalige und fundierte Basis für unabhängige und qualifizierte Vorsorgeberatung geboten", so Heinz. (dpo)