Schafft KI den Aktienanalysten ab? Die DVFA fragt nach
Künstliche Intelligenz revolutioniert das Aktienresearch – oder doch nicht? Eine DVFA-Umfrage zeigt: Analysten bleiben unersetzlich, doch KI verändert Prozesse tiefgreifend. Chancen und Risiken liegen eng beieinander.
Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) verändert viele Branchen – auch den Finanzsektor. Eine aktuelle Umfrage unter den DVFA-Investment-Professionals zeigt, wie differenziert die Einschätzung zur Rolle von KI im Aktienresearch ist: Die Technologie bietet großes Potenzial, aber ersetzt menschliche Analysten nicht.
Analysten bleiben – mit veränderter Rolle
Eine vollständige Ablösung menschlicher Expertise erwartet niemand unter den Befragten. Stattdessen gehen jeweils 49 Prozent davon aus, dass KI entweder einen erheblichen Teil des Research-Prozesses automatisiert oder als unterstützendes Werkzeug dient. Nur zwei Prozent glauben an einen geringen Einfluss.
Das größte Potenzial sehen 48 Prozent in der automatisierten Datenverarbeitung bei der Fundamentalanalyse. Weitere 31 Prozent verorten die Stärken in der Sentiment- und Marktdatenanalyse. Auch für quantitative Strategien sehen 17 Prozent eine sinnvolle Rolle.
Abbildung: In welchen Bereichen des Aktienresearchs halten Sie den Einsatz von KI für besonders effektiv? Quelle: DVFA e.V.
Die Mehrheit glaubt an einen Wettbewerbsvorteil durch KI-gestütztes Research – aber nur im Zusammenspiel mit menschlicher Expertise. "Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen menschlicher Expertise und KI-gestützten Analysen kann helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen", sagt Thorsten Müller, Vorstandsvorsitzender der DVFA.
Neue Schwerpunkte für Analysten
Die Rolle des Analysten verändert sich deutlich. 56 Prozent sehen künftig den Fokus auf nicht automatisierbare Aufgaben wie Unternehmensgespräche oder die qualitative Interpretation von Märkten. 24 Prozent sehen Analysten in der Validierung und Einordnung KI-generierter Ergebnisse. Nur drei Prozent erwarten, dass Analysten langfristig ersetzt werden.
Grenzen und Risiken der Technologie
Neben den Chancen sehen die Investment Professionals auch ernstzunehmende Hürden: 35 Prozent nennen verzerrte Trainingsdaten als zentrales Risiko, 33 Prozent sehen die größte Schwäche in der qualitativen Einschätzung zum Beispiel von Unternehmensführung, und 30 Prozent kritisieren mangelnde Transparenz der Algorithmen.
"Entscheidend ist die Qualität der zugrunde liegenden Daten", mahnt DVFA-Vorstandsmitglied Peter Thilo Hasler. "Mit ihnen steigt oder fällt der Wert der Vorhersage. Die Algorithmen sind zudem eine Blackbox – das deutet auf einen bemerkenswerten Mangel an Transparenz."
Auch ethische und regulatorische Fragen stehen im Raum. 37 Prozent der Befragten sehen in unklaren Haftungsfragen das größte Problem, 34 Prozent fürchten Marktverzerrungen durch algorithmische Fehlinformationen. Für 21 Prozent ist Datenschutz ein kritisches Thema. Nur acht Prozent sehen keine Risiken.
Abbildung: Wie häufig nutzen Sie künstliche Intelligenz im beruflichen Alltag? Quelle: DVFA e.V.
Fazit: KI als Ergänzung, nicht als Ersatz
Die DVFA-Umfrage zeigt ein klares Bild: KI verändert das Aktienresearch evolutionär, nicht revolutionär. Sie wird Prozesse effizienter machen, Datenmengen strukturieren und neue Einsichten ermöglichen. Doch der Mensch bleibt als Interpret, Entscheider und ethischer Kompass unersetzlich.
Wie Thorsten Müller zusammenfasst: "Es ist wichtig, Risiken zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Minimierung der Gefahren von KI im Finanzresearch zu ergreifen, während man die Vorteile nutzt." (mb)