Der Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bank und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) über die Frage, ob ein ehemaliger Berater des Mobilen Vertriebes der Bank selbstständig oder abhängig beschäftigt war, geht in die nächste Runde. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel wird im ersten Quartal dieses Jahres über eine Nichtzulassungsbeschwerde des Beraters entscheiden, wie eine BSG-Sprecherin auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE mitteilte. 

Der Vermittler geht damit gegen das vor knapp einem Jahr ergangene Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) (22.2.2024, Az. L 8 BA 36/21) vor, welches das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 8. März 2021 (Az. S 18 BA 93/18) aufgehoben hatte. In erster Instanz hatte die Bank eine Niederlage hinnehmen müssen, die Richter stuften den Berater als abhängig Beschäftigen ein. Das LSG sah das genau anders herum.

Hochrelevantes Verfahren für die Bank
Bei dem Streit steht für die Deutsche Bank viel auf dem Spiel. Sollte das BSG der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Vermittler das Revisionsverbot des LSG anfechtet, stattgeben und auch das Urteil des LSG wieder aufheben, kommen auf die Bank vermutlich hohe Nachzahlungen für nicht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge zu: nicht nur für den Handelsvertreter, über dessen Status konkret verhandelt wird, sondern wohl auch für andere Berater, die ebenfalls auf die Zahlung der Beiträge pochen dürften.

Noch schwerwiegender für den deutschen Bankenprimus ist, dass damit auch das Arbeitsmodell des Mobilen Vertriebes auf dem Prüfstand steht. Die dort aktuell tätigen gut 1.200 Handelsvertreter sind ein wichtiger Absatzkanal des Instituts.

Abhängig beschäftigt oder selbstständig?
Zum besseren Verständnis muss man etwas ausholen. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen abhängig Beschäftigten und Selbstständigen. Beschäftigte unterliegen der vollen Sozialversicherungs- und Rentenversicherungspflicht. Selbstständige dagegen sind für ihre soziale Absicherung, insbesondere Arbeitslosen- und Krankenversicherung, stets eigenständig verantwortlich, meist auch für ihre Altersvorsorge. Die Grundlage für die Unterscheidung ist Paragraf 7 Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV). Als beschäftigt gilt eine Person laut dem Gesetzestext insbesondere dann, wenn sie aufgrund von Weisungen tätig wird und sie in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert ist. Für ein Beschäftigungsverhältnis sprechen demnach etwa eine detaillierte Berichtspflicht, ein Arbeitsort am Firmensitz oder das Verbot von Untervertretern. 

Für eine Selbstständigkeit wiederum sprechen eigene Angestellte und Untervertreter, keine oder nur geringe zeitliche Vorgaben, eine eigene Betriebsorganisation und der Einsatz von eigenem Kapital. Bei der Beurteilung, ob jemand selbstständig oder abhängig beschäftigt ist, ist aber immer die Gesamtschau entscheidend. Sowohl die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse, also wie die Beschäftigung "in der Praxis gelebt wird", als auch die vertraglichen Bedingungen müssen geprüft werden (FONDS professionell ONLINE berichtete ausführlich).

Deutsche Bank: LSG-Urteil entspricht "ständiger Sichtweise" der DRV
Der vorliegende Rechtsstreit begann, weil der frühere Berater die Deutsche Rentenversicherung bat, seinen Sozialversicherungsstatus festzustellen. Das ist durchaus üblich. Die DRV kam zum Schluss, dass der Handelsvertreter abhängig beschäftigt ist, da sein Berufsalltag laut Rentenversicherung "deutlich von dem eines selbstständigen Unternehmers abwich", wie das "Handelsblatt" berichtete. Das wollte die Bank nicht hinnehmen. Das Sozialgericht Frankfurt schloss sich der Argumentation der DRV an, während das LSG vergangenes Jahr nach Beurteilung der Gesamtsituation zu dem Schluss kam, dass der Berater selbstständig war. 

"Das Hessische Landessozialgericht hat mit der Entscheidung vom 22.2.2024 in der Tat mit überzeugenden Gründen bestätigt, dass der ehemalige Finanzberater nicht als (angestellter) Mitarbeiter, sondern als Handelsvertreter auf selbständiger Basis für die Deutsche Bank tätig war", teilt ein Sprecher der Deutschen Bank auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE mit. "Diese Einwertung ist aus unserer Sicht richtig und entspricht der ständigen Sichtweise der Deutschen Rentenversicherung in Bezug auf weitere Handelsvertreter, die für uns tätig sind. Das Hessische Landessozialgericht hat in dieser Sache keine Revision zugelassen. Dennoch ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, da der ehemalige Finanzberater Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht eingelegt hat, über die bisher nicht entschieden wurde." (jb)