Im neuen "Stabilitätsrating der Berufsunfähigkeits-Versicherer" hat der Marktinformationsdienst Map-Report neben dem Beitrag (Kalkulation, Dynamik und Scoring) auch Stabilität (Konstanz der Überschüsse und Schadenquote) sowie Finanzstärke (wichtige Unternehmenskennzahlen im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2020) untersucht und mit Kennzahlen zwischen 0 und maximal 100 bewertet.

Danach bekommen nur vier Anbieter die Höchstnote "hervorragend" (mmm+) und sind damit Stabilitätssieger unter 42 Gesellschaften (Vorjahr: 6 von 27 Gesellschaften; Swiss Life und Continentale sind leicht auf "sehr gut" abgefallen):

  • LV 1871: Kennziffer 91,6,
  • Hannoversche: 87,5,
  • Volkswohl Bund: 85,9,
  • Allianz: 85,2.

Vier weitere Versicherer stellten sich dem noch umfangreicheren BU-Unternehmensrating, bei dem Einblick in interne Kennzahlen und Prozesse genommen wird, und schnitten mit der Höchstbewertung "hervorragend" (FFF+) ab:

  • Nürnberger: 86,3,
  • Generali: 86,1,
  • Ergo Vorsorge: 85,8,
  • HDI: 85,3.

Weitere 21 Lebensversicherer (Vorjahr: 27) hatten nicht alle notwendigen Informationen offengelegt und konnten nur teilweise bewertet werden, ohne die Höchstnote zu schaffen.

Aggressives Pricing noch verschärft
Dabei zeigte sich im Vergleich zu BU-Stabilitätsstudien seit 2015 erneut: Bereits in der Vergangenheit hatten einige Versicherer die Überschüsse im BU-Bestand angepasst, Kunden mussten also höheren Nettobeitrag zahlen oder büßten Leistungen ein. "Auf das Neugeschäft sind diese Anpassungen in der Regel nicht durchgeschlagen, was einen gewissen Beigeschmack geben kann", resümiert Map-Report-Chefredakteur Reinhard Klages.

"Die Analyse der Beiträge 2022 zeigt, dass im Markt weiterhin sehr aggressiv kalkuliert wird", ergänzt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke und Bornberg. Die jeweilige Durchschnittsprämie werde um bis zu rund 40 Prozent unterschritten. "Ein solches Pricing ist nicht allein mit strenger Risikoselektion zu rechtfertigen, es zeigt deutliche Tendenzen einer Unterkalkulation", betont Franke. Dieser Trend war schon früher kritisiert worden.

Akademiker zu Lasten anderer Berufe privilegiert
Die Einschätzung des beruflichen Risikos ist – neben der Gesundheitsprüfung – eine tragende Säule der Antragsprüfung neuer BU-Versicherungen. Der Map-Report beobachtet eine weiter zunehmende Unterteilung der Berufsgruppen. Das führt zu Wanderbewegungen der guten Risiken, also gesunder Kunden, zu den Anbietern, bei denen sie Geld sparen können. "Das sorgt für eine negative Entmischung der bestehenden Gewinnverbände und damit für Druck auf die Überschussbeteiligung", folgert Klages.

Auch diese Entwicklung stütze den Trend zur Unterkalkulation. So zeigten sich im Zeitverlauf trotz wiederholt gesenkter Rechnungszinsen kaum steigende Tendenzen bei den Prämien. Beispiel Bankkaufmann (30, ledig, angestellt, 100 Prozent Bürotätigkeit, 1.500 Euro BU-Rente pro Monat versichert bis 67): Im ersten BU-Stabilitätsrating 2015 lag die durchschnittliche Bruttoprämie bei 107,99 Euro pro Monat (netto: 75,19 Euro), 2022 sind es im Schnitt brutto 121,94 Euro (netto: 85,86 Euro).

Am Ende könnte die Psyche der Scharfrichter sein
Ähnlich geringe Veränderungen gab es in den letzten sieben Jahren bei Musterkunden der Berufe Maschinenbauingenieur und Tischler (letzterer muss im Schnitt aber 229 Euro Monatsbeitrag zahlen). Beim Maschinenbauingenieur sank der Beitrag gar von brutto 103,34 Euro 2015 (netto: 69,97 Euro) auf brutto 98,75 Euro 2022 (netto: 64,75 Euro).

"Bei den günstigen Berufsgruppen wird weiterhin verstärkt selektiert, um immer noch ein bisschen billiger zu sein als der Wettbewerb", registriert Franke. "Ob diese Rechnung langfristig aufgehen kann, ist fraglich, sind doch gerade diese Berufe von dem Anstieg psychischer Gesundheitsprobleme betroffen", so der Chef des Analysehauses.

Brutto-Netto-Spreizung als Indiz für Beitragssprünge
Eine große Differenz zwischen Netto- und Bruttoprämie kann für Kunden unter Umständen stark steigende Beiträge zur Folge haben, so Klages. Gemeinhin gilt: Je größer der Abstand zwischen Netto- und Bruttoprämie, umso größer ist das Risiko, dass die Prämien steigen. "Beitragsanpassungen hat es schon bei diversen Gesellschaften gegeben“, betont der Map-Report. Dennoch sei von Nachhaltigkeit in der Preisentwicklung bisher nichts zu spüren.

Auffällig sei dagegen, dass der Brutto-Netto-Spread marktdurchschnittlich rückläufig ist. Lag die Differenz 2016 im Schnitt noch bei 36,1 Prozent, ging es über 33,9 Prozent 2019 auf 29,6 Prozent im aktuellen Geschäftsjahr zurück. Einige Gesellschaften verfehlen diesen Durchschnittswert jedoch drastisch und dürften mit Werten von bis zu 40 Prozent Unterschied zwischen Brutto- und Nettobeitrag prädestiniert für Beitragssteigerungen sein. Im Beispielfall Bankkaufleute betrifft dies insbesondere mit je 40 Prozent Huk24, Huk-Coburg, Continentale, Europa und Credit Life.

Preiskampf nagt zusätzlich an den Überschüssen
Die Differenz zwischen Brutto- und Nettobeitrag wird vom Überschusssatz geprägt. Insofern variieren die Brutto-Netto-Abweichungen zwischen den jeweiligen Musterbeispielen nur in Einzelfällen und nur um wenige Prozentpunkte. Die BU-Überschüsse und deren Stabilität stehen daher zusammen mit der Schadenquote im Zentrum der Untersuchung von Map-Report (über 30 Prozent Anteil am Endergebnis).

Risikoüberschüsse sind das Ergebnis einer vorsichtigen Kalkulation. "Sie entstehen, wenn das tatsächliche Risiko unterhalb der kalkulierten Invaliditäts-Wahrscheinlichkeit verläuft", erklärt Klages. Senkungen der Überschussanteile seien der stärkste Indikator dafür, dass die Kalkulation schon in der Vergangenheit nur teilweise aufgegangen ist. (dpo)


Das "Stabilitätsrating der Berufsunfähigkeitsversicherer" (Map-Report 923) kostet ab 326 Euro und ist im PDF-Format lieferbar. Interessenten wenden sich an service@fb-research.de oder bestellen direkt über die Website (externer Link). Eine kostenlose Basisinformation gibt es hier (externer Link).