Die Beitragseinnahmen der deutschen Versicherer gingen 2022 über alle Sparten hinweg um 0,7 Prozent auf 224 Milliarden Euro zurück. Während die Lebensversicherung ein Beitragsminus von 6,0 Prozent auf 97,1 Milliarden Euro verbuchte, legten die Einnahmen in der Schaden- und Unfallversicherung (+4,0 Prozent auf 80,4 Milliarden Euro) und in der privaten Krankenversicherung (+3,1 Prozent auf 46,8 Milliarden Euro) zu. "Wir haben uns 2022 unter schwierigen Rahmenbedingungen sehr ordentlich geschlagen", sagte GDV-Präsident Norbert Rollinger bei Vorstellung der Zahlen am Donnerstag (26.1.) in Berlin.

Die Geschäftsentwicklung bei Lebensversicherern, Pensionskassen und Pensionsfonds wurde 2022 vom großen Unterschied zwischen gebuchten Bruttobeiträgen für Verträge mit Einmalbeitrag (-18 Prozent auf 28,4 Milliarden Euro) und laufendem Beitrag (+0,6 Prozent auf 64,3 Milliarden Euro) geprägt, so Rollinger weiter, der im Hauptberuf Vorstandschef der R+V-Gruppe ist. Üblicherweise unterliegt das Geschäft gegen Einmalbeitrag stärkeren Schwankungen. Im Jahr 2019 hatten die Lebensversicherer da noch ein Plus von 37 Prozent verbucht.

bAV koppelt sich positiv von sonstiger Lebensversicherung ab
Für die Geschäftsentwicklung in der Lebensversicherung waren laut GDV vor allem zwei Gründe maßgeblich: Zum einen ergeben sich mit der Normalisierung des Zinsniveaus wieder mehr Anlagealternativen für Kunden. "Zum anderen führen die durch die Inflation gestiegenen Lebenshaltungskosten dazu, dass viele Menschen weniger Geld in ihre Altersvorsorge investieren", sagte Rollinger. Insgesamt sank die Zahl der Verträge auf 85,7 Millionen (-1,3 Prozent).

"Besser als die private Altersvorsorge entwickelte sich 2022 die betriebliche Altersvorsorge, insbesondere die Direktversicherungen", resümierte der GDV-Präsident. Das Neugeschäft stieg auf gut 650.000 Verträge (+13 Prozent), obwohl die Zahl der bAV-Verträge im GDV-Spektrum bei 16,4 Millionen Stück stagnierte. Unter dem Strich kletterten die Beiträge gegenüber 2021 um 3,7 Prozent auf 20,3 Milliarden Euro.

GDV für Bürgerrente als geförderte private Altersrente
Anders sah es bei der Riester-Rente aus, vor allem wegen ungünstiger Rahmenbedingungen, etwa der gesetzlichen 100-Prozent-Garantie und dem erneut reduzierten Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent. "Daher gibt es kaum noch Anbieter", erinnerte Rollinger. Folge: Das Riester-Neugeschäft ging 2022 um fast 60 Prozent auf 124.700 neue Verträge zurück.

Die Versicherer schlagen daher erneut eine Reform der privaten geförderten Altersvorsorge vor. Eine sogenannte Bürgerrente als standardisiertes Altersvorsorgeprodukt solle für breite Bevölkerungsgruppen mit unbürokratischer Förderung und nachgelagerter Besteuerung angelegt werden. "Im Vergleich zur Riester-Rente ist die Bürgerrente einfacher, verständlicher, nachhaltiger und renditestärker", sagte Rollinger. Im Kern sei vorgesehen, dass auf jeden in die Bürgerrente eingezahlten Euro zusätzlich eine Förderung von 50 Cent kommt. Die förderfähigen Beiträge sollen auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt werden. Aktuell wären dies bei 7.300 Euro BBG im Jahr 292 Euro voll geförderter Monatsbeitrag für eine Bürgerrente, also 146 Euro Zuschuss.

Mehr Rendite durch weniger Bürokratie und Vertriebskosten?
Eine verglichen mit der Riester-Rente höhere Rendite soll erreicht werden, indem das Garantieniveau von 100 Prozent auf 80 Prozent abgesenkt wird, erklärte Rollinger. Somit könnten die Beiträge gewinnbringender am Kapitalmarkt angelegt werden. Das wird schon in der bAV mit der beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ) praktiziert. Um die Bürgerrente auf ein breites Fundament zu stellen, sollen auch Selbstständige, Beamte und Arbeitslose einbezogen werden, schlägt der GDV vor. Die Riester-Rente sei zu komplex und bürokratisch, um eine weitere Verbreitung zu schaffen.

Allerdings gibt es Fragezeichen im Vertrieb. Um den Beratungsaufwand gering zu halten, soll das Altersvorsorgeprodukt in hohem Maße standardisiert sein und auch digital vertrieben werden können, so Rollinger. Entsteht damit womöglich eine Konfrontation zum klassischen Vertrieb – vergleichbar der Anfangszeit der Riester-Rente? Auf diese Nachfrage antwortete Rollinger diplomatisch: "Wer sich unsicher fühlt, kann auch Beratung bekommen."

Allerdings stünde auch die neue Bürgerrente wie die Lebensversicherung insgesamt unter Kostenbeobachtung. "Weniger Bürokratie wird die Kosten gegenüber Riester senken", ist Rollinger optimistisch. Auf Vertriebskosten ging er aber nicht ein. Kritik kam dennoch von der Bürgerbewegung Finanzwende: Das Kernproblem der Kunden – die viel zu hohen Kosten – werde nicht wirklich angegangen. Stattdessen wollten die Versicherer noch mehr Steuergeld in die eigenen Kassen lenken.

Erfolgschancen für Bürgerrente noch vage
Ob der GDV-Vorschlag bei der Politik verfängt, ist noch völlig offen. Noch vor dem Sommer will aber die vom BMF eingesetzte "Fokusgruppe private Altersversorgung" ihren Abschlussbericht vorlegen, erinnerte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen auf Nachfrage. Falls nach dem Sommer die Gesetzgebung startet, könnte die neue Zulagenrente Mitte 2024 gesetzlich festgezurrt werden, blickte er voraus. Studien hatten belegt: Eine reformierte Zulagenrente ist dringender denn je. Vorschläge zur Riester-Reform hatte kürzlich auch der Fondsverband BVI vorgelegt.

Für das laufende Jahr erwarten die Versicherer wieder ein Beitragswachstum von rund drei Prozent. In der Lebensversicherung rechnet der GDV mit stabilen Beiträgen in unsicherem Umfeld, also Stagnation. Die Zinsentwicklung dürfte das Geschäft befördern, während die gesamtwirtschaftliche Entwicklung es bremst, meint der Verband. In der Schaden- und Unfallversicherung geht der Verband für 2023 von 6,0 Prozent Beitragszuwachs aus, in der PKV von 3,5 Prozent. (dpo)