"Wenn die Neobroker in die Altersvorsorge kommen, fressen sie uns auf"
Die Lebensversicherung hat durchaus eine Zukunft. So lautete das nur halbherzig positive Fazit der Teilnehmer des "2. Life Insurance Innovation Circle" – verbunden mit einem großen "Aber". Die Voraussetzung sei nämlich ein radikales Umdenken in Bezug auf die Geschäftsmodelle der Assekuranz.
Seit Jahren stagnieren die Neugeschäftszahlen in der Lebensversicherungs-Branche, und der Kundenbestand schmilzt, demografisch bedingt, immer stärker ab. Durch ausbleibende Produktinnovationen und die viel zu zaghaft angegangene digitale Transformation des eigenen Geschäftsmodells wird der Abstand zu neuen Mitbewerbern um Altersvorsorgekunden wie etwa den Neobrokern immer größer. So viel zum Ist-Zustand der Leben-Sparte, wie er sich derzeit in der Assekuranz-Branche zeigt.
Damit Lebensversicherer nicht weiter an Marktpräsenz einbüßen, sei ein radikales Umdenken ihrer Geschäftsmodelle erforderlich, lautete daher eine der Schlussfolgerungen beim "2. Life Insurance Innovation Circle" in Frankfurt. Bei dem von Bearingpoint, HBA-Consulting, Mypension, Oddo BHF und Vanguard organisierten Event nahmen die Teilnehmer auf dem Podium kein Blatt vor den Mund, als sie über den Reformstau in der Altersvorsorge, die zukünftige Rolle der Lebensversicherer und über unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen diskutierten.
Breites Spektrum
Um möglichst unterschiedliche Perspektiven in die Diskussion einzubringen, wurde das hochkarätig besetzte Panel bewusst aus verschiedenen Bereichen zusammengestellt. Thomas Soltau, CEO von Smartbroker+, sprach als Vertreter der neuen "Challenger" in einem Impulsvortrag und hob die Vorteile der Neobroker gegenüber Lebensversicherungslösungen hervor: kostengünstiger, transparenter, renditestark – und vor allem digital überlegen.
Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, betonte hingegen, dass modernere Rentenversicherungen mit geringerer Garantie vielen konservativen deutschen Sparern überhaupt erst den Weg in kapitalmarktorientierte Altersvorsorgelösungen ebnen würden.
Stefan Weinert, Global Head of Insurance bei der Deutschen Bank, betonte, dass Beratungsangebote auch zukünftig im komplexen Markt für Altersvorsorgelösungen eine wichtige Rolle spielen und es generell darum gehe, mehr Menschen für die Altersvorsorge zu gewinnen.
Am deutlichsten formulierte Georg Kornmayer, Geschäftsführer des Maklerpools Fondsnet, woran es in der Lebensversicherung hapere. Ein Großteil der Branche sei einfach auf einen verschärften Wettbewerb nicht vorbereitet, brachte er es auf den Punkt mit den Worten: "Wenn die Neobroker in die Altersvorsorge kommen, fressen sie uns auf."
Verschärfter Wettbewerb
Zum Hintergrund: Trade Republic, der größte Neobroker Deutschlands, konnte im Jahr 2024 rund 2,8 Millionen Neukunden hinzugewinnen. Und somit mehr als die gesamte Leben-Branche, die es im Jahr 2024 insgesamt auf lediglich 2,4 Millionen Neukunden schaffte. Um diese Entwicklung zu stoppen, seien umfassende Veränderungen in den Bereichen Vertrieb, Produktgestaltung und IT-Infrastruktur notwendig.
Am Ende des Tages wurde allen Anwesenden bewusst: Die Lebensversicherung hat nur dann eine Zukunft, wenn sie sich in einen kompromisslosen und tiefgreifenden Transformationsprozess begibt, der sowohl den Vertrieb und die Produkte als auch die bestehende IT-Infrastruktur umfasst. Eine Lösung für diese Vielzahl an Herausforderungen, denen sich die Lebensversicherer gegenübersehen, könne im Grunde nur im intelligenten Einsatz neuer Technologien und vor allem der Entwicklung echter Innovationen liegen. (hh)














