"Wir bieten keinen 'Sündenfonds' an"
Patrick Grewe traut sich, ESG-Kriterien bei der Aktienauswahl für seinen Hard Value Fund konsequent zu ignorieren. Mitunter fühlt er sich damit aber in eine falsche Ecke gestellt, wie er im Interview mit FONDS professionell ONLINE erläutert.
Patrick Grewe arbeitete als Portfoliomanager bei den Vermögensverwaltern Plutos und GAP, bevor er im Januar 2023 zur Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank wechselte, um unter deren Marke van Grunsteyn den Hard Value Fund zu lancieren. Der global investierende Aktienfonds sorgte bereits für einige Schlagzeilen, weil das Management ESG-Aspekte komplett ausblendet – was in der heutigen Zeit als durchaus mutig und unüblich gelten darf. FONDS professionell traf Grewe in den Büros der Bank, nur wenige Schritte von der Frankfurter Börse entfernt, zum Gespräch.
Herr Grewe, Sie legen bei Ihrem Hard Value Fund explizit keinen Wert auf Nachhaltigkeit. Unter den fünf Sektoren mit dem höchsten Gewicht im Portfolio finden sich aktuell Luftfahrt/Verteidigung, Atomkraft/fossile Energien sowie Tabak. Es gab schon einige Versuche, "Sündenfonds" zu etablieren. So richtig ging das Konzept aber nie auf. Warum versuchen Sie es erneut?
Patrick Grewe: Wir wurden anfangs in eine Ecke gestellt, in die wir nicht reingehören. Wir bieten keinen "Sündenfonds" an. Die Asset Manager, die das versucht hatten, setzten ausschließlich auf Branchen wie Alkohol, Tabak, Waffen und Glücksspiel – und nichts anderes. Das ist nicht unser Ansatz. Wir suchen nach Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell, deren Aktien unterbewertet sind. Wenn wir keinen Value sehen, investieren wir nicht. Dass wir aktuell mehrere Rüstungs-, Öl- und Tabakaktien im Portfolio haben, ist schlicht dem Umstand geschuldet, dass diese Titel günstig bewertet sind.
Dennoch ist es richtig, dass Sie keinen Wert auf Nachhaltigkeit legen, oder?
Grewe: Wir achten auf finanzielle Nachhaltigkeit, nicht auf ESG-Ratings. Das unterscheidet uns von vielen Mitbewerbern, und das betonen wir auch durchaus: Wir lassen uns bei unserer Titelselektion nicht von ESG-Kriterien einschränken. Unser Ziel ist es, eine solide Rendite für unsere Anleger zu erwirtschaften, unabhängig von der Diskussion darüber, was als nachhaltig angesehen wird und was nicht.
Wie gehen Sie bei der Aktienauswahl denn vor?
Grewe: Unser Investmentprozess basiert größtenteils auf einer quantitativen Analyse. Entscheidend ist deshalb eine gute Datenqualität. Außerdem setzen wir eine Marktkapitalisierung von mindestens einer Milliarde US-Dollar voraus, wobei sich im aktuellen Portfolio kein Wert unter zehn Milliarden Dollar findet. Weil wir wie erwähnt auf qualitativ hochwertige Daten angewiesen sind, kommen im Wesentlichen Aktien aus den Industrieländern für uns in Frage.
Welche Daten analysieren Sie?
Grewe: Wir schauen uns drei Bereiche an: die Charttechnik, geopolitische Faktoren und Fundamentaldaten. Für jede Aktie betrachten wir über 40 Parameter, beispielsweise zur Frage, ob das Unternehmen seine Marge ausbauen kann, wie intensiv der Wettbewerb ist oder ob Gegenwind aus der Politik droht. Diese Daten kaufen wir bei verschiedenen Dienstleistern ein, eigene Gespräche mit dem Management führen wir nicht. Sobald zehn Parameter negativ sind, verkaufen wir die Aktie.
Und wann wird eine neue Aktie aufgenommen?
Grewe: Wir haben ein Modell entwickelt, dass die Kassequote steuert, uns also sagt, ob der Fonds mit Blick auf die aktuelle Situation an den Märkten über- oder unterinvestiert ist. Basis ist ein "Angst und Gier"-Index für den weltweiten Aktienmarkt. Kommt das Signal, dass wir unterinvestiert sind, wird die Analyse angestoßen. Von insgesamt rund 3.300 Aktien bleiben in der Regel zehn bis 20 Werte übrig, die unsere Kriterien erfüllen. Von diesen nehmen wir einen oder zwei mit jeweils 1,5 Prozent ins Portfolio auf. Landet die entsprechende Aktie bei der nächsten Analyse erneut unter den Topwerten, können wir die Position auf drei Prozent aufstocken.
Ins Portfolio kommt stur die Aktie, die in der quantitativen Analyse am besten abgeschnitten hat?
Grewe: Nein, das ist tatsächlich der einzige Schritt im Investmentprozess, der nicht quantitativ gesteuert ist, sondern an dem wir diskretionär eingreifen. Wir entscheiden also selbst, in welches der zehn bis 20 herausgefilterten Unternehmen wir investieren.
Wie breit ist das Portfolio denn gestreut?
Grewe: Wir investieren in der Regel in 30 bis 40 Unternehmen, aktuell sind es 36. Um eine ausreichende Risikostreuung sicherzustellen, haben wir außerdem festgelegt, dass ein Sektor maximal ein Viertel des Portfolios ausmachen darf. Das Risikomanagement wird bei uns ohnehin großgeschrieben. Mir ist eine Aktie lieber, die konstant um drei bis fünf Prozent im Jahr zulegt, als eine, die hoch volatil ist und auf einmal einen Satz um 30 oder 50 Prozent macht.
Wo Sie von Risikomanagement sprechen: Für viele Asset Manager fällt die Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien genau unter dieses Stichwort. Unternehmen, die in puncto ESG gut abschneiden, laufen weniger Gefahr, plötzlich von einem Umwelt- oder Governance-Skandal eingeholt zu werden. Rutscht über das Risikomanagement daher nicht automatisch ein Hauch Nachhaltigkeit ins Portfolio?
Grewe: Wir achten wie erwähnt darauf, in grundsolide Unternehmen zu investieren. Mag sein, dass darunter auch Firmen mit gutem ESG-Score sind, aber das ist nicht Teil unserer Analyse. Nachhaltigkeit ist zum regulatorischen Dschungel geworden. Da möchten wir nicht reingeraten.
Noch ist Ihr Fonds mit rund sechs Millionen Euro vergleichsweise klein. Wie sieht Ihre Strategie aus, um den Fonds auf eine auskömmliche Größe zu bekommen?
Grewe: Meine Kollegin Yasmin Mirzay, die den Vertrieb des Fonds verantwortet, ist viel unterwegs, um den Fonds bekannter zu machen, und ich unterstütze sie dabei natürlich. Anfang 2025 wird außerdem Philipp Kusnierz-Glaz, der derzeit noch als Werkstudent für uns arbeitet, als Vollzeitkraft zum Team stoßen. Aktuell konzentrieren wir uns darauf, Finanzanlagenvermittler und kleinere Vermögensverwalter anzusprechen, die die Freiheit haben, auch in neu aufgelegte Fonds zu investieren. Für viele andere Investmententscheider, etwa aus Banken oder von großen Finanzvertrieben, kommt ein Fonds meist erst in Frage, sobald er eine gewisse Historie aufweist und ein bestimmtes Volumen erreicht hat. Wir wissen, dass gerade die ersten Jahre nicht immer einfach sind. Aber wir sind von unserem Anlagekonzept überzeugt und bringen auch den nötigen langen Atem mit, um den Fonds zum Erfolg zu führen.
Den langen Atem muss vor allem Ihr Arbeitgeber aufbringen: van Grunsteyn ist eine Marke der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Dieses alteingesessene Frankfurter Wertpapierhaus ist auf den Anleihehandel spezialisiert. Wie kam es überhaupt zu der Entscheidung, einen Aktienfonds aufzulegen?
Grewe: Der Einstieg ins Asset Management soll das Geschäftsmodell diversifizieren. Als Anleihehändler profitiert unser Mutterhaus insbesondere von volatilen Finanzmärkten. Für einen Aktienfonds sind dagegen ruhige Börsenzeiten ideal. Mit dem Hard Value Fund schließen wir außerdem gewissermaßen eine Marktlücke, weil wir Anlegern die Möglichkeit bieten, Value ohne Ausschlüsse zu allokieren. Hinzu kommt, dass das Fondsgeschäft für unsere Bank eine Wachstumsoption darstellt: Die Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank ist Privatanlegern in aller Regel kein Begriff, im Anleihehandel in Frankfurt ist sie aber eine seit Jahrzehnten etablierte Größe. In diesem Marktsegment gibt es kaum noch Möglichkeiten, zu expandieren.
Vielen Dank für das Gespräch. (bm)
Kommentare
Glückwunsch
AntwortenWeiter so - der Ansatz gefällt mir sehr gut. Gerne mehr Fonds mit diesem individuellen und langfristig erfolgreichen Ansatz. Wie geht es aber Investoren z.B. mit GRÖNEMEYER Gesundheitsfonds NACHHALTIG ? - nachhaltig nach 3 Jahren sauber im Minus.......
HHub am 04.11.24 um 21:56