Nachdem die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags über ein Vierteljahr zurückliegt, hat FONDS professionell die finanzpolitischen Sprecher fast aller im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin besucht. Sie haben zu wichtigen Fragen der Finanzpolitik, zu aufsichtsrechtlichen Themen sowie zur Reform der privaten Altersvorsorge Stellung genommen. Frauke Heiligenstadt, finanzpolitische Sprecherin der SPD, stand aus terminlichen Gründen nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Dafür hat Michael Schrodi, Parlamentarischer Staatssekretär im SPD-geführten Bundesministerium der Finanzen, Antworten gegeben. 


Herr Schrodi, vor der Bundestagswahl hatten Teile der Finanzbranche die Einführung eines Provisionsverbots befürchtet. Ein solches Verbot findet sich jedoch nicht im Koalitionsvertrag. Sehen Sie das positiv?

Michael Schrodi: In der Tat findet sich kein Provisionsverbot im Koalitionsvertrag, was wir als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mittragen. Auch die Europäische Kommission hat in dem von ihr vorgelegten Entwurf für eine Kleinanlegerstrategie kein umfassendes Provisionsverbot vorgeschlagen. Ich sehe hierfür auch keine Mehrheiten auf europäischer Ebene.

Die Finanzaufsicht Bafin soll mehr Kontrollbefugnisse bekommen. Worauf müssen sich Finanz- und Versicherungsvermittler einstellen?

Schrodi: Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, zu prüfen, ob die vorhandenen Instrumente der Missstandsaufsicht der Bafin ausreichen, um Fehlanreize in der Finanzberatung zu verhindern. Diese Prüfung werden wir angehen. In diesem Zusammenhang sind auch die laufenden europäischen Verhandlungen der Kleinanlegerstrategie von Bedeutung, da diese Änderungen bei den Regelungen zur Finanzberatung vorsieht und die Aufsichtsbefugnisse voraussichtlich weiter stärken wird.

Im Koalitionsvertrag ist zu lesen, die bisherige Riester-Rente solle in ein neues Vorsorgeprodukt überführt, von bürokratischen Hemmnissen befreit und grundlegend reformiert werden. Das erinnert an das von der FDP konzipierte Altersvorsorgedepot. Können Sie die Pläne für die Reform der Riester-Rente bitte genauer beschreiben?

Schrodi: Unser Ziel ist es, mehr Menschen den Zugang zu renditestarken, kostengünstigen und verständlichen Vorsorgeprodukten zu ermöglichen. Im Zentrum der Reform soll ein neues Altersvorsorgeprodukt stehen, bei dem unter anderem auf zwingende Garantievorgaben verzichtet wird, sodass höhere Renditen möglich sind. Die steuerliche Förderung soll möglichst einfach nachvollziehbar sein und insbesondere Vorsorgenden mit niedrigen und mittleren Einkommen zugutekommen. Außerdem wird es ein Standardprodukt geben, das den Bürgern Orientierung bei der Anlageentscheidung gibt.

Ist die Reform der Riester-Rente aus Ihrer Sicht der richtige Weg, um die private Altersvorsorge zu stärken?

Schrodi: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der damit verbundenen Herausforderungen für die umlagefinanzierte gesetzliche Rente gewinnt eine kapitalgedeckte, renditeorientierte dritte Säule zunehmend an Bedeutung. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, die es den Bürgern ermöglichen, langfristig Vermögen aufzubauen – transparent, verständlich und mit fairen Renditechancen. Hierzu setzen wir mit einer steuerlichen Förderung entsprechende Anreize.

Die Ampel-Koalition hatte sich auch eine Reform der gesetzlichen Rente vorgenommen. Welche Pläne verfolgt die neue Bundesregierung?

Schrodi: Im Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, die Haltelinie für das gesetzliche Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent festzuschreiben. So bleibt die gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule der Alterssicherung auch weiterhin verlässlich. Das haben wir gemeinsam mit der vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten bekanntlich Anfang August im Kabinett beschlossen. Zudem ist vereinbart, dass die Bundesregierung im Jahr 2029 einen Bericht vorlegen wird, der die Entwicklung des Beitragssatzes und der Bundeszuschüsse untersucht. Auf dieser Basis werden wir dann feststellen, ob und welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind.

Die geplante "Frühstart-Rente" ist zuletzt in die Kritik geraten, weil sie finanziell angeblich nicht genug bringt. Wo sehen Sie die positiven Aspekte?

Schrodi: Die "Frühstart-Rente" bietet jungen Menschen die Möglichkeit, frühzeitig mit dem Aufbau ihrer Altersvorsorge zu beginnen. Sie erhalten so ein Startkapital für die private Altersvorsorge, die sie bis zum Renteneintritt fortsetzen können. Der lange Anlagehorizont sorgt durch den Zinseszins-Effekt dafür, dass auch aus vergleichsweise geringen Beiträgen bis zum Renteneintritt ein nennenswerter Kapitalstock erwachsen kann. Außerdem können Jugendliche dadurch bereits frühzeitig Erfahrungen am Kapitalmarkt sammeln – so trägt die "Frühstart-Rente" auch zur finanziellen Bildung bei.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Schrodi: Die "Frühstart-Rente" ist Teil der prioritären Maßnahmen im Sofortprogramm der Bundesregierung, die wir noch in diesem Jahr auf den Weg bringen wollen.

Ist die "Frühstart-Rente" technisch überhaupt umsetzbar?

Schrodi: Das Bundesministerium der Finanzen arbeitet derzeit an einem Vorschlag zur konkreten Ausgestaltung. Ziel ist eine zeitnah umsetzbare sowie bürokratiearme Lösung. Zu bedenken ist auch, wie die "Frühstart-Rente" sinnvoll mit der zu reformierenden steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge verzahnt werden kann.

Wie soll die "Frühstart-Rente" finanziert werden?

Schrodi: Die Finanzierung der "Frühstart-Rente" wird von den Details der Ausgestaltung abhängen. Konkrete Aussagen zur Finanzierung wären zum jetzigen Zeitpunkt daher verfrüht.

Der frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner und die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hatten sich sehr für eine bessere Finanzbildung eingesetzt und dafür eine eigene Initiative ins Leben gerufen. Wie geht es damit weiter?

Schrodi: Die "Initiative Finanzielle Bildung" wurde 2023 mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Finanzkompetenz der Bevölkerung in Deutschland nachhaltig zu stärken. Teil der Initiative waren öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen, die gemeinsam mit der OECD erfolgte Entwicklung einer nationalen Finanzbildungsstrategie für Deutschland, die Schaffung einer digitalen Finanzbildungsplattform www.mitgeldundverstand.de sowie die Förderung wissenschaftlicher Forschung zur finanziellen Bildung. Das Thema Finanzbildung bleibt weiterhin ein wichtiges Anliegen des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fortsetzung der "Initiative Finanzielle Bildung" und die Einführung einer nationalen Finanzbildungsstrategie sind derzeit Gegenstand interner Abstimmungen. 

Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass der Finanzplatz Deutschland gestärkt werden soll. Mit welchen konkreten Schritten kann dieses Ziel erreicht werden?

Schrodi: In dieser Legislaturperiode setzen wir als Bundesregierung wichtige Impulse, um den Finanzplatz Deutschland zukunftsfest zu machen. Unser Ziel ist es, mehr privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Unternehmensfinanzierung durch Venture Capital. Start-ups und Scale-ups sollen leichter Zugang zu Kapital erhalten, damit gute Ideen schneller wachsen können. Mit dem Standortfördergesetz setzen wir konkrete Maßnahmen um, mit denen etwa die Finanzierungsmöglichkeiten für kleine Unternehmen und Start-ups verbessert werden. Ein zweiter Schwerpunkt des Entwurfs ist die gezielte Förderung von Fondsinvestitionen in erneuerbare Energien und Infrastruktur. Hier wollen wir bisherige Hürden im Aufsichts- und Steuerrecht beseitigen. Nicht zuletzt forcieren wir die Vereinfachung von aufsichtlichen Prozessen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, allerdings ohne die erreichten Standards im Anleger- und Verbraucherschutz zu gefährden.

Sie sprechen die Förderung von Fondsinvestitionen in erneuerbare Energien und Infrastruktur an. Was genau ist hier geplant?

Schrodi: Durch Änderungen des Investmentsteuergesetzes und des Kapitalanlagegesetzbuchs soll ein rechtssicherer Rahmen für Investitionen dieser Art geschaffen werden. Vorgesehen ist insbesondere, dass Investmentfonds aus Sicht des Investmentsteuerrechts prinzipiell unbeschränkt in gewerbliche oder gewerblich geprägte Personengesellschaften investieren können. Das war bislang nicht der Fall, es gab Grenzen, bei deren Überschreitung steuerrechtlich empfindliche Folgen drohten. Im Gegenzug entfallen allerdings nach dem Entwurf auch die bisher bestehenden Steuerbefreiungsmöglichkeiten für Einkünfte eines Fonds aus inländischen gewerblichen Quellen. Um Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Unternehmen zu vermeiden, die erneuerbare Energien erzeugen oder andere Infrastrukturprojekte betreiben, werden die Einkünfte von Investmentfonds aus derartigen Einkunftsquellen generell der Besteuerung unterworfen.

Kommen wir zum Schluss: Welche Projekte verfolgen Sie selbst in dieser Legislaturperiode?

Schrodi: Auf nationaler Ebene stehen für mich zunächst drei Gesetzgebungsverfahren im aktuellen Fokus: Das Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz, das Standortfördergesetz und das Fondsrisikobegrenzungsgesetz, die alle drei europäische Vorgaben umsetzen und wichtige Impulse für den Finanzstandort schaffen. Auf europäischer Ebene hat die Vertiefung der Spar- und Investitionsunion oberste Priorität. Wir müssen die Finanzierungsmöglichkeiten für europäische Unternehmen und die Investitionsmöglichkeiten für Bürger verbessern. Konkret konzentrieren wir uns derzeit auf die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Start-ups und Scale-ups, auf die Stärkung der Nachfrageseite und auf den Bürokratieabbau im Finanzmarktbereich.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)


Zu allen Fragen hat auch bereits Stellung genommen 
Fritz Güntzler, CDU
Christian Görke, Die Linke


Einen Bericht über die Standpunkte der Finanzexperten fast aller im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen Fragen der Finanz- und Steuerpolitik, zu aufsichtsrechtlichen Themen und zur Altersvorsorge finden Sie in der aktuellen Ausgabe 3/2025 von FONDS professionell, die Ende September erscheint.