Der Wiener Edelsteinhändler The Natural Gem GmbH hat beim Handelsgericht Wien einen Insolvenzantrag eingereicht. Momentan geht man laut dem österreichischen Kreditorenverband AKV von Verbindlichkeiten in Höhe von rund 6,6 Millionen Euro und 42 betroffenen Gläubigern aus.

Der größte Teil dürfte auf die Hausbank, die Sparkasse Niederösterreich Mitte West, entfallen. Sie ist laut Jahresabschluss 2023 mit rund vier Millionen Euro bei The Natural Gem engagiert.

Umsatzeinbruch – Differenzen in der Geschäftsführung

2023 war bei dem Unternehmen der Umsatz auf knapp zwölf Millionen Euro eingebrochen, nach einem Rekord von gut 20 Millionen im Jahr davor. Als Grund nennt die Geschäftsleitung die Zurückhaltung der Anleger, die wegen der Konjunkturschwäche selbst Liquiditätsbedarf hatten und die angesichts gestiegener Zinsen in anderen Investments attraktivere Renditen sahen.

Gleichzeitig ist es gesellschaftsrechtlich zuletzt nicht optimal gelaufen. Im Jahresabschluss ist von einer "selbst verursachten geringeren Verkaufsleistung der Mitarbeiter" die Rede. In der Geschäftsführung gab es Streit über die strategische Ausrichtung. Es seien Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet worden, die aber zu spät kamen.

Gesellschafter ausgestiegen

In der Folge stieg vor gut einem Jahr die 20-Prozent-Eignerin Lyncurion (Eigentümer: Patrick-Noel Herold-Gregor) aus. Die Gesellschaft gehört nun zu 100 Prozent der c10plus Consulting Österreich GmbH von Thomas Schröck.

Einen Namen hatte sich The Natural Gem einst mit dem Vorhaben eines Farbedelsteinfonds gemacht. Ab 2019 wurde das Produkt – es hätte das erste seiner Art sein sollen – gemeinsam mit Incrementum in Deutschland und Österreich kräftig beworben. Sogar in eine Dissertation fand der "Natural Gemstone Fund One" Eingang. Anlegergeld hat das Produkt jedoch allem Anschein nach nie eingesammelt. 

Rückzug

2020 wurde der Gemstone Fund bereits wieder liquidiert. Bei Incrementum heißt es, der Fonds habe die Bewilligung der Aufsicht besessen. Allerdings sei es "aufgrund des kurzfristigen Rückzugs eines wichtigen Kapitalgebers" nicht zur Auflage gekommen. 

 

Es war nicht die einzige Produktinitiative: Um eine jüngere Kundenschicht anzusprechen, hat das Unternehmen 2023 ein Edelsteinportfolio in seiner Tochtergesellschaft, der Habsburg Fine Arts AG in Liechtenstein, tokenisiert. Namens- und Lizenzgeber ist Sandor Habsburg-Lothringen.

Edelsteine – Vertrieb über Tippgeber

Abseits davon hat sich das Unternehmen auf die Vermittlung realer naturfarbiger Edelsteine spezialisiert, vorwiegend Rubine, Saphire und Smaragde. Diese werden vermögenden Privatkunden zu Anlagezwecken verkauft, wobei man den Kunden laut eigenen Angaben auch Portfolios zusammenstellt.

Der Vertrieb läuft über gewerbliche Vermittler (zumeist Vermögensberater), über den Webshop oder das Netzwerk der TNG. Bei den Vermittlern dürfte das Unternehmen vor allem Tippgeber ansprechen, wie Unterlagen aus dem Markt zeigen, die der Redaktion vorliegen.

Liquiditätsproblematik

Ein Problem dürfte auch das liquiditätsintensive Geschäftsmodell gewesen sein. Offenbar gab es Rückkaufverpflichtungen in Höhe von über zwei Millionen Euro gegenüber Kunden, die im Rahmen eines Edelsteinportfolios Sachvermögen erworben hatten.

Ob und inwieweit Anleger oder weitere Gruppenunternehmen von der Insolvenz betroffen sind, ist vorerst den der Redaktion vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. In den Büchern stehen jedenfalls mehrere Töchter: The Natural Gem Swiss AG (Eigentumsanteil 100 Prozent), Habsburg Fine Arts GmbH (75 Prozent), Habsburg Fine Arts AG in Liechtenstein (93 Prozent) und die Rubius AG (100 Prozent).

The-Natural-Gem-Chef Thomas Schröck betont in einer Mitteilung, er strebe eine Sanierung und Fortführung an. Den Gläubigern werden 20 Prozent geboten. Der Geschäftsbetrieb werde "in vollem Umfang fortgeführt". Kundenaufträge würden weiter bearbeitet. (eml)