One Group: Anleger fürchten, übervorteilt zu werden
Anlegern verschiedener Anleihen der One Group droht ein empfindlicher Kapitalverlust. Der Mutterkonzern Soravia kann die Sorgen nicht zerstreuen und leistet unguten Befürchtungen Vorschub.
Es sind in erster Linie vier Immobilienprojekte des österreichischen Immobilienkonzerns Soravia, deren Schieflage den Insolvenzantrag der Poolgesellschaft SC Finance Four (SCFF) im März dieses Jahres unumgänglich machte: eine Büroimmobilie in Unterföhring bei München (UFO), Teil der Allianz-Zentrale, und die drei Wohn- und Hotelkomplexe "Sylter Hof", "Tegernsee" und "Zollhafen Mainz".
Den rund 280 Millionen Euro, die Anleger in die beiden Namensschuldverschreibungen Proreal Europa 9 und 10 (PRE) investiert haben, stehen laut Insolvenzantrag werthaltige Forderungen gegen die von der SCFF kreditierten Projektgesellschaften von gerade einmal knapp fünf Millionen Euro gegenüber.
"Vertrauen ist das höchste Gut"
Anleger bangen um ihr investiertes Kapital, und Vertriebspartner der One Group sind enttäuscht. Sie haben diversen Zusicherungen der Konzernmutter Soravia und ihres Chefs Erwin Soravia persönlich vertraut und sehen sich getäuscht. Auf einer Veranstaltung im Mai 2022, zu der zahlreiche Vertriebe geladen waren, umgarnte sie Erwin Soravia: "Wir haben Produkte gehabt, die vielleicht schlechter gegangen sind, aber dann lösen wir das Problem, weil wir sagen: 'Es ist das Geld von Dritten, mit dem wir umgehen, und daher ist Vertrauen das höchste Gut.' Das sind Produkte, bei denen wir von Anfang bis Ende in der Verantwortung sind. Wenn es nicht funktioniert, müssen wir geradestehen."
In einer Werbebroschüre aus dem Jahr 2021, die im Vertrieb eingesetzt wurde, hebt die One Group die Vorzüge von Mezzanine-Kapital hervor. Erwähnt wird zum Beispiel, dass es dann ins Spiel kommt, wenn eine 60- bis 70-prozentige Banken-Finanzierung besteht, aber eine für Projektentwicklungen typische Lücke zwischen Banken- und Eigenkapitalfinanzierung offen lässt, in der sich dann für Mezzanine-Kapital spezifische Chancen ergeben.
Mezzanine-Kapital und Bankenfinanzierung
Vertriebspartner wie Hans Ulrich Kosmack haben das in ihren Beratungsgesprächen stark gemacht. "In dieser Broschüre wird der Eindruck erweckt, dass das Mezzanine-Kapital der One Group erst nach einer fixierten Bankenfinanzierung ins Spiel kommen würde, was aber zumindest bei den beiden Projekten 'UFO' und 'Sylter Hof' offenkundig nicht der Fall war. In die Projekte ist Kapital geflossen, ohne dass eine Bankenfinanzierung dagewesen wäre", ärgert sich der Finanzdienstleister.
Ohne Bankenfinanzierung ändert sich auch der Charakter des Mezzanine-Kapitals. Es rückt zwar theoretisch in den ersten Rang, weil es dann keine anderen zuvor zu bedienenden Forderungen gibt, es nimmt aber zugleich auch den Charakter von Eigenkapital an – das zweite Gesicht des janusköpfigen Mezzanine-Kapitals – und ist damit einem noch mal erhöhten Risiko ausgesetzt. Ohne die Finanzierung einer Bank fällt darüber hinaus auch deren Due Diligence eines Projekts aus.
Ein vollkommen anderes Bild
Die SCFF hat insgesamt an 26 Projektgesellschaften Darlehen ausgereicht. Bei vier davon erklärt sie in ihrem Insolvenzantrag die daraus erwachsenden Forderungen für uneinbringlich, sie müssten komplett abgeschrieben werden. Die eintreibbaren Forderungen gegen 22 weitere Projektgesellschaften beziffert die SCFF in ihrem Insolvenzantrag insgesamt mit gerade einmal rund fünf Millionen Euro. Das sind weniger als zwei Prozent der von ihr ausgereichten Kreditsumme. Gleichwohl hat Soravia für eines dieser Projekte, den Wohn- und Hotelkomplex "Seeviertel Gmunden", im September, also ein halbes Jahr nach Insolvenzantrag der SCFF, über die österreichische Tochter IFA eine 15 Millionen Euro schwere und mit jährlich 6,5 Prozent verzinste Projektanleihe begeben.
Dazu von FONDS professionell befragt, wie das zusammenpasse, teilt Soravia mit: "Bei der Beurteilung der zu erwartenden Massezuflüsse aus den gewährten Nachrangdarlehen muss die SCFF die Werthaltigkeit ihrer Forderung, insbesondere die Einbringlichkeit, in ihrer Gesamtheit bewerten. Dabei kann sich auf der Projektentwicklungsebene in einzelnen Projektgesellschaften ein vollkommen anderes Bild für die anderen Projektpartner in anderen Risikoklassen ergeben."
"Erhebliche Ertragspotenziale", die aber derzeit nicht realisiert werden
In Ergänzung mit einer Passage aus dem Insolvenzantrag entsteht eher das Bild eines gravierenden Liquiditätsengpasses als das eines "Marktversagens", mit dem im Antrag die Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens begründet wird: "Die Antragstellerin verfügt zwar noch über erhebliche Ertragspotenziale aus den laufenden beziehungsweise für die Zukunft angebahnten Investitionen in 22 weitere Projekte. Dieses Ertragspotenzial kann derzeit jedoch zumindest faktisch nicht realisiert werden, da die Forderungsausfälle aus den vier Investitionen in die Projekte Unterföhring, Sylter Hof, Tegernsee und Zollhafen zu weitreichenden Abweichungen von der ursprünglichen Cash-Flow-Planung geführt haben." Sprich: Vier Forderungsausfälle blockieren die Entwicklung 22 weiterer Projektgesellschaften. Heißt aber auch: Wer den gordischen Knoten durchschlagen kann, kommt später in den Genuss der "erheblichen Ertragspotenziale" der übrigen Projekte.
Soravia sei offensichtlich nicht bereit, die SCFF mit genügend Liquidität auszustatten, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen könnte, argumentiert Christoph Ludz, Geschäftsführer der IC Consulting, die über Vertriebspartner einige Anleger vermittelt hat. "Unklar ist hingegen, ob nicht doch noch ausreichend Geld aktiviert werden könnte, um die noch laufenden Projekte voranzutreiben", sagt er.
Eine "eher geringe" Abfindung
Das Interesse von Soravia oder eines externen Investors, die laufenden Projekte weiterzuentwickeln, hält sich jedoch in Grenzen, solange jeder daraus gewonnene Euro in die Insolvenzmasse der SCFF fließen würde. Ludz vermutet daher, dass es auf eine "eher geringe" Abfindung hinauslaufen dürfte. Sprich: Die Anleger würden zwar mehr Geld erhalten, als sie aus der Insolvenz erwarten könnten, aber weniger, als bei erfolgreicher Beendigung der anderen Projekte herauszuholen wäre.
Ende Oktober kam es zu einem bemerkenswerten Geschäftsführerwechsel bei der SCFF. Während zuvor sowohl auf der Schuldnerseite, also der SCFF, als auch auf der Gläubigerseite, also den beiden Emittentengesellschaften PRE 9 und 10, Joachim Winter als Geschäftsführer installiert worden war, ist inzwischen Timm Hartwich Geschäftsführer der SCFF. Seine Kanzlei wurde von der SCFF Anfang dieses Jahres damit beauftragt, den Insolvenzantrag zu stellen.
Werden die Forderungen verkauft, sind sie weg
Die jüngste Personalie löst zwar nicht den grundsätzlichen Interessenkonflikt, denn beide bleiben als Auftragnehmer der Soravia deren Interessen verpflichtet. Sie löst aber die Personalunion auf und könnte ermöglichen, sofern das Gericht dem zustimmt, dass Hartwich die Forderungen der SCFF gegen die Projektgesellschaften verkaufen kann – sei es an Soravia oder an einen Dritten – und mit dem Erlös die von Winter vertretenen Anleger der PRE 9 und 10 abfindet.
Zählt man zu den für werthaltig erklärten Forderungen die inzwischen aufgelaufenen und weiterhin wachsenden Zinsansprüche hinzu, die die SCFF gegen ihre Schuldner hat, ergibt sich eine Summe von rund zehn Millionen Euro. "Alles, was darüber liegt, wird Soravia als uneigennütziges Entgegenkommen gegenüber den Anlegern kommunizieren. Aber die Forderungen sind dann weg", sagt Ludz.
Rechtsanwalt Niels Andersen, der einige hundert One-Group-Anleger vertritt, warnt vor deren Übervorteilung: "Es sollte nicht akzeptiert und vom Gericht hingenommen werden, dass das Insolvenzverfahren dazu missbraucht wird, die Anleger endgültig rauszukanten und von künftigen Ertragspotenzialen abzuschneiden." (tw)
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