Verbraucherzentralen fordern Vertriebsverbot für Vermögensanlagen
Mehr als sechs Milliarden Euro haben Anbieter von Vermögensanlagen in den Jahren 2015 bis 2020 eingesammelt, hat ein Graumarktgutachten ermittelt. Weil sie nur gering reguliert und beaufsichtigt sind, schlagen Verbraucherschützer Alarm.
Prokon, P&R, Deutsche Lichtmiete – die Pleiten sind Legion. Auch nach Verabschiedung des Kapitalanlagegesetzbuchs gibt es noch graue, also nur in geringem Maße regulierte Bereiche im Kapitalmarkt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat beim Graumarktexperten Stefan Loipfinger ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Zusammenhang zwischen dem vergleichsweise niedrigen Grad der Regulierung bei Vermögensanlagen und unzureichendem Anlegerschutz verdeutlicht.
Bisher habe der Gesetzgeber auf Anlageskandale am weniger regulierten Kapitalmarkt jeweils mit auf den Einzelfall bezogenen Maßnahmen reagiert, auf die Prokon-Pleite etwa mit dem Kleinanlegerschutzgesetz oder auf die P&R-Katastrophe mit dem Anlegerschutzstärkungsgesetz. Das Gutachten macht demgegenüber einen systematischen Zusammenhang aus, der in der "Verbindung zweifelhafter Geschäftsmodelle mit undurchsichtigen Finanzkonstrukten und fehlender Kontrolle" entstehe, so der VZBV.
Mangels Fungibilität ergeben sich keine Marktpreise
Aufgrund fehlender Handelsmöglichkeiten sind Produkte des sogenannten Grauen Kapitalmarkts trotz der in der Regel sehr langen Laufzeiten de facto unverkäuflich. Damit einher geht, dass sich keine Marktpreise bilden können, die Anlegern eine Orientierung über die Entwicklung ihrer Investments und die Angemessenheit ihrer Risikoverzinsung geben könnten.
Der Markt für Vermögensanlagen, so eines der Ergebnisse des Gutachtens, sei durch Finanzkonstrukte dominiert, bei denen sich eigens für die Emission gegründete Zweckgesellschaften über nachrangiges Fremdkapital der Anleger finanzieren. Das eingesammelte Kapital werde dann zumeist an Projektgesellschaften weitergeleitet, die die eigentlichen wirtschaftlich handelnden Subjekte seien. Anleger finanzierten also meist nur eine leere Unternehmenshülle ohne direktes Eigentum an den Sachwerten erworben zu haben, obwohl genau das bei der Vermarktung regelmäßig im Mittelpunkt stehe, so der VZBV.
Unverhältnismäßige Verteilung von Chancen und Risiken
Die Initiatoren selbst beteiligen sich – wenn überhaupt – mit normalerweise nur sehr geringen Eigenkapitalquoten, was dazu führt, dass das Haftungsrisiko, regelmäßig bis zum Totalverlust, bei den Anlegern liegt, die Rendite aber auf den vereinbarten Darlehenszins beschränkt bleibt. "Damit entsteht ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Renditechance und tatsächlichem Risiko", sagt der VZBV.
In der Folge dieser und weiterer Ergebnisse des Loipfinger-Gutachtens fordert der VZBV ein Verbot des aktiven Vertriebs von Vermögensanlagen: Banken, Sparkassen und Finanzanlagevermittler sollen im Rahmen von Beratungs- und Vermittlungsgesprächen keine Vermögensanlagen mehr verkaufen dürfen. (tw)