Thomas Wiesemann (58) startete seine Karriere bei der Allianz 1995 als Assistent des Finanzvorstands. Nach Stationen im Vertrieb und Finanzbereich wechselte der promovierte Mathematiker im Jahr 2000 ins Asset-Management-Ressort, wo er auch dem Global Executive Committee von Allianz Global Investors angehörte. Seit 2014 ist Wiesemann Vorstand der Allianz Lebensversicherung (Ressort Vertrieb) und der Allianz Private Krankenversicherung (Maklervertrieb).


Herr Wiesemann, einige große Wettbewerber haben ihre klassischen Lebensversicherungsbestände in den Run-off geschickt. Sie haben das bisher nur mit der Pensionskasse gemacht. Mit welcher Strategie will die Allianz einem Run-off der LV-Bestände begegnen?

Thomas Wiesemann: Die Allianz Pensionskasse wurde nicht in den Run-off geschickt. Wir nehmen seit 2022 keine Neuverträge an. In den Jahren zuvor war dieser Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung (bAV) immer weniger nachgefragt, weil es deutlich attraktivere Angebote in der Direktversicherung und im Pensionsfonds gab. Für bestehende Kunden hatte das keine Auswirkungen. Für die Allianz Leben gilt: Wir sind in Deutschland bestens positioniert und stark wachsend, finanzstark und innovativ und mit über zehn Millionen Kunden der größte Anbieter in Deutschland.

Stichwort bAV: Man hört gar nichts von Abschlüssen beim Sozialpartnermodell. Wie ist da die Lage bei der Allianz?

Wiesemann: Die bAV bietet verschiedene Wege. Und mit den vorhandenen Durchführungswegen und Zusagearten bietet das Betriebsrentenrecht für jeden Arbeitgeber und seine Mitarbeiter das Passende. Das Sozialpartnermodell ist dabei eine Lösung – neben den anderen. Die Entscheidung darüber, ob Sozialpartnermodelle vereinbart werden, liegt im Ermessen der jeweiligen Sozialpartner, also der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften. Und dabei kommt es natürlich entscheidend darauf an, ob die Branche mit Blick auf die bAV schon gut aufgestellt ist.

Was brachte der Allianz die Einführung einer fondsgebundenen Vorsorge in Unterstützungskassen Anfang 2024 bisher? Welche Kunden werden mit diesem eher stiefmütterlich behandelten Durchführungsweg angesprochen?

Wiesemann: Zumindest für unser Haus kann ich sagen, dass das Neugeschäftsvolumen der Unterstützungskasse seit vielen Jahren signifikant ist. Der Durchführungsweg U-Kasse ist überaus attraktiv: Beiträge sind unbegrenzt steuerfrei und bei Arbeitgeberfinanzierung unbegrenzt sozialversicherungsfrei. Die U-Kasse bietet sich daher insbesondere für Mitarbeiter höherer Gehaltsstufen an oder wenn die Fördergrenzen bei Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds bereits ausgeschöpft sind. Das sehen wir auch bei unseren Firmenkunden: Viele nutzen die U-Kasse zur Ergänzung ihres Angebots in den versicherungsförmigen Durchführungswegen sowie zur Versorgung von Fach- und Führungskräften und bei der Ansprache hochqualifizierter Bewerber. Deshalb war es uns wichtig, in der U-Kasse die vollständige Produktpalette anzubieten und das Vorsorgekonzept "Invest Flex", das eine freie Fondsauswahl ermöglicht, einzuführen.

In jüngerer Vergangenheit ging mehr als jeder dritte Vertrag zur betrieblichen Krankenversicherung (bKV) an die Allianz. Was gibt eigentlich den Ausschlag, für welchen Anbieter sich ein Unternehmen entscheidet? Ist es der Name, also die Marke, der Service oder der Preis?

Wiesemann: Die bKV ist für uns ein sehr starkes Wachstumsfeld. Wir haben sie zu unserem dritten Standbein neben der privaten Vollversicherung und den privaten Krankenzusatzpolicen aufgebaut und von 2018 an das Neugeschäft jedes Jahr kontinuierlich steigern können. Auch in diesem Jahr wachsen wir weiter. Ausschlaggebend für den Erfolg einer bKV ist das Gesamtpaket, das in Summe stimmen muss. Ein Vorteil für Vermittler ist dabei der traditionell gute Zugang der Allianz zu Firmenkunden. Dabei spielt sicherlich auch die Reputation des Versicherers beim Arbeitgeber eine Rolle. Denn er vertraut schließlich seine Arbeitnehmer diesem Versicherer an. Sehr wichtig ist ebenfalls, wie gut ein Versicherer Vermittler und Arbeitgeber unterstützt. Wir begleiten auf dem gesamten Weg – vom ersten Gespräch bis zur tatsächlichen Einrichtung der bKV, auf Wunsch vor Ort oder auch digital. Und dann kommt natürlich die Produktpalette und ihre Flexibilität. Denn es geht bei der bKV darum, eine Lösung zu finden, die genau zu der Situation des jeweiligen Betriebes passt. Deshalb bieten wir ab April 2025 ein neues bKV-Gesamtkonzept an, das den Arbeitgebern maximale Freiheit bei der Gestaltung ihres Gesundheitspakets für die Mitarbeiter gibt.

In der privaten Krankenvollversicherung haben Sie im vergangenen Jahr neue Bausteintarife eingeführt. Was ist daran anders als bisher und wie hat der Maklermarkt dies angenommen?

Wiesemann: Unsere neue PKV-Tarifserie "Mein Gesundheitsschutz" erfreut sich großer Beliebtheit. Das zeigen die Rückmeldungen der Makler genauso wie das stark steigende Neugeschäft. Besonders bei Leistungsstärke und Flexibilität kann "Mein Gesundheitsschutz" punkten. Ein Feedback der Vermittler war auch, dass die Bereitschaft der Kunden zu Investitionen in ihre eigene Gesundheit gestiegen ist. Marktforscher sprechen von einem "Megatrend Gesundheit". Unser neues Angebot geht darüber hinaus auf zwei weitere gesellschaftliche Entwicklungen ein: die zunehmende Individualisierung in allen Lebensbereichen und das gestiegene Sicherheitsbedürfnis vieler Menschen. Die neuen Tarife reagieren darauf mit einem Gesundheitsschutz, der sich über die Zeit an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen lässt – und die Allianz hat den Anspruch, für Sicherheit und Verlässlichkeit zu stehen. Auch haben wir die Gesundheitsprävention bei den neuen Tarifen deutlich ausgebaut und bieten ein umfangreiches Vorsorgeprogramm an. Dazu kommen viele Familienleistungen. So sind Neugeborene jetzt die ersten sechs Lebensmonate und die Eltern während der Elternzeit bis zu sechs Monate beitragsfrei versichert.

Verbraucherschützer und viele Politiker wettern nach wie vor gegen den Provisionsvertrieb und unterstellen, Versicherungsmakler seien abhängig. Was setzen Sie als Marktführer dem entgegen?

Wiesemann: Die Diskussion um ein Provisionsverbot geht am Bedarf der Vorsorgesparer vorbei. Ein solches Verbot würde die Verbreitung der Altersvorsorge stark einschränken. Kunden müssten die Beratung dann unmittelbar bezahlen. Die Praxis zeigt, dass große Teile der Bevölkerung dazu nicht gewillt oder in der Lage sind. Die Frage ist: Wie organisiere und vergüte ich gute Beratung für die Altersvorsorge, für Vorsorge und Versicherung? Provisionen sorgen unter anderem dafür, dass sich jeder Beratung leisten kann: Wer nur mit wenig Geld vorsorgt, bezahlt auch weniger – so stützen starke Schultern eine gute Beratung für alle. Eine repräsentative Umfrage der Allianz hat ergeben: Beratung ist den Menschen insbesondere bei der langfristigen Vorsorge wichtig. Der Anteil der Befragten, der sich am liebsten persönlich zu Lebens- und Rentenversicherungen beraten lässt, ist mit 84 Prozent doppelt so hoch wie bei allgemeinen Anlageprodukten.

Vielen Dank für das Gespräch. (dpo)


Ein ausführliches Interview mit Thomas Wiesemann lesen Sie in Ausgabe 1/2025 von FONDS professionell, die Ende März erscheint. Dort äußert sich der Allianz-Vorstand unter anderem zum Fondspolicen-Geschäft des Anbieters, dem Start der neuen "Privat Markets Police" und der Neuorganisation der Allianz-Agenturen.