Bafin begräbt Provisionsrichtwert, wettert aber gegen hohe Kosten
Der Provisionsdeckel für Lebensversicherungen ist längst Geschichte, nun ist auch der alternativ diskutierte Provisionsrichtwert vom Tisch. Ein neues Bafin-Merkblatt verdeutlicht, wo die Aufsicht stattdessen ansetzen will, um den hohen Vertriebskosten Herr zu werden – auch bei Fondspolicen.
Die Finanzaufsicht Bafin hat am Montagabend (31.10.) den lange erwarteten Entwurf eines "Merkblatts zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten" veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Die Assekuranz hat bis zum 15. Januar 2023 Zeit, zu dem Papier Stellung zu nehmen. In ihm beschreibt die Aufsicht in erster Linie, an welchen Punkten Lebensversicherer aufpassen sollen, dass die Kosten für Kunden nicht aus dem Ruder laufen. Die Behörde kritisiert seit geraumer Zeit die zum Teil hohen Effektivkosten und damit auch die Vertriebsvergütungen von kapitalbildenden Lebensversicherungen und vor allem von Fondspolicen.
Für Vermittler ist wichtig, dass der Entwurf grundsätzlich keinerlei Begrenzung der Provision für Versicherungsvermittler vorsieht. Das war von Beratern und ihren Interessenvertretern befürchtet worden, nachdem die Aufsicht Anfang Mai angekündigt hatte, einen Provisionsrichtwert entwickeln zu wollen, um die Kosten zu senken. Die Ankündigung kam, nachdem ein Provisionsdeckel für Lebensversicherungen Anfang 2021 politisch endgültig gescheitert war. Allerdings kündigt die Bafin in ihrem Merkblatt zugleich deutlich an, dass sie künftig bei Lebensversicherungsgesellschaften sehr genau hinschauen wird, deren Produkte hohe Kosten, speziell hohe Vertriebsvergütungen, aufweisen und die "aggressive Verkaufspraktiken" anwenden.
"Risikoorientierter Aufsichtsansatz"
Aber von vorn: Das Merkblatt umfasst im Wesentlichen drei Themenbereiche: Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren, Vorgaben zur Vermeidung von Fehlanreizen bei der Vertriebsvergütung sowie Erläuterungen der Aufsicht zu ihrem "risikoorientierten Aufsichtsansatz". Insbesondere dieser letzte, kurze Abschnitt enthält die Aussagen, die neben den Versicherungsgesellschaften auch für die Vermittler wichtig sind.
So zählt die Bafin eine Reihe an "Risikoindikatoren" auf, die eine nähere Untersuchung eines Versicherers nach sich ziehen können. Dazu zählen ein starkes Neugeschäft und hohe Stornoquoten: "Ein hohes Neugeschäft kann Ausdruck einer aggressiven Verkaufspraxis sein, bei der im Interesse des Absatzerfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet. Ein erhöhtes Storno kann ebenfalls Ausdruck einer aggressiven Verkaufspraxis sein, bei der im Interesse des Absatzerfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet. Ein erhöhtes Storno kann auch Ausdruck davon sein, dass das in Rede stehende Produkt die Erwartungen der Kunden im Hinblick auf seinen Nutzen nicht erfüllt", heißt es in dem Entwurf.
Hohe Provisionen als Risikoindikator
Ferner sind hohe Abschluss- und Verwaltungskosten und vor allem hohe Abschlussprovisionen – jeweils im Verhältnis zu den verdienten Brutto-Beiträgen im Jahr – ein Grund für die Bafin, genauer hinzuschauen: "Hohe Abschlusskostenquoten (= Abschlussaufwendungen in % der verdienten Beiträge) können (...) auf die Zahlung hoher Abschlussprovisionen hinweisen, mit denen gegebenenfalls ein (Fehl-)Anreiz für eine aggressive Verkaufspraxis durch die Versicherungsvermittler gesetzt wird, bei der im Interesse des Vermittlungserfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet", erläutert die Behörde. Und schließlich sind generell hohe Effektivkosten ein Risikoindikator für die Aufsicht.
Zudem kündigt die Aufsicht an, sich vor allem auf die Lebensversicherer fokussieren zu wollen, bei denen die Effektivkosten der meistverkauften Produkte im oberen Viertel (75-Prozent-Quantil) der vergleichbaren Policen liegen. Um welchen konkreten Prozentsatz es sich handelt, legt die Aufsicht nicht strikt fest, er unterscheidet sich von Produktkategorie zu Produktkategorie. In einer Anfrage für das Neugeschäft im ersten Halbjahr 2021 kam beispielsweise heraus, dass das 75-Prozent-Quantil bei am Markt befindlichen Fondspolicen gegen laufenden Beitrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren und jährlicher Beitragszahlung seinerzeit bei 2,35 Prozent lag.
Angemessene Rendite
Auch der erste, ausführliche Teil des Merkblatts enthält einige für Vermittler relevante Punkte. Hier führt die Behörde aus, dass die Lebensversicherer bei der Produktprüfung das Zusammenwirken der Kosten, der Rendite vor Kosten und der Inflation prüfen müssen. Ziel ist hierbei, dass die Verbraucher eine angemessene Rendite oberhalb der langfristigen Inflation erwarten können, die die Behörde mit zwei Prozent ansetzt.
Zu den Stellschrauben, an denen die Versicherer hierbei drehen können und sollen, zählt die Bafin auch die Stornowahrscheinlichkeiten und die konkrete Ausgestaltung der Vermittlerprovisionen in den ersten Jahren der Laufzeit. Ferner mahnt die Behörde an, dass die Versicherer die unterschiedlich hohen Vergütungen für verschiedene Vertriebspartner bei ihrer Kosten-Nutzen-Kalkulation berücksichtigen soll – wohl ein unverhohlener Hinweis darauf, die Provisionen für bestimmte Partner nicht zu hoch anzusetzen.
Rückvergütungen von Asset Managern im Visier
Ferner geht die Behörde im Detail auf Rückvergütungen ein, die die Lebensversicherer von Asset Managern bekommen, deren Fonds sie in ihren Fondspolicen verwenden. Diese Rückvergütungen treiben die Fondskosten in die Höhe und damit auch Effektivkosten der Police. Die Bafin fordert daher, dass die Versicherer prüfen sollten, ob sie die Kosten der Rückvergütungen an anderen Stellen der Prämienkalkulation angemessen ausgleichen können, etwa durch geringere Verwaltungsgebühren. Hinzu kommt, dass die Versicherer vermeiden müssen, dass durch die Rückvergütungen Fehlanreize für sie selbst entstehen – etwa Fonds des Vermögensverwalters zu nehmen, der die höchsten Rückvergütungen zahlt.
Zudem mahnt die Aufsicht, dass eventuelle Rückvergütungen, die Asset Manager direkt an die Vertriebspartner der Versicherer zahlen, ebenfalls bei der Prämienkalkulation berücksichtigt werden. Das komme laut Bafin zwar nur im Einzelfall vor. Vor knapp einem Jahr wurde aber beispielsweise bekannt, dass die DVAG für fondsgebundene Policen, in denen bestimmte Fonds der DWS stecken, sowohl Provisionen des Versicherers Generali als auch eine Vergütung von der DWS erhält. "Im Fall von Rückvergütungen direkt an ihre Vertriebspartner haben die Versicherer in besonderer Weise auf einen korrespondierenden Kundennutzen solcher Rückvergütungen zu achten. Sie haben dabei ihre eigenen Vergütungszahlungen an ihre Vertriebspartner und die Rückvergütungen insgesamt zu betrachten", heißt es in dem Merkblatt. (jb)