Betriebsrente definiert sich hierzulande über das Arbeitsrecht, denn der Arbeitgeber macht Zusagen für die betriebliche Altersversorgung (bAV) und wählt zumeist auch die Art der Kapitalanlage aus. Daher hat es Gewicht, wenn der Eberbacher Kreis, dessen Mitglieder für große Anwaltskanzleien wie Linklaters, Gleiss Lutz und Baker & McKenzie arbeiten und große Konzerne zur bAV beraten, Alarm schlagen.

Die Bestandsaufnahme fällt ernüchternd aus: "Das Rentenniveau wird sinken", sagte Marco Arteaga, Rechtsanwalt und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft sowie Sprecher des Eberbacher Kreises, jüngst auf einem Kongress in Berlin. Eine bAV-Stärkung sei zwingend erforderlich, erfordere aber stärkeres Engagement der Arbeitgeber, besonders in kleinen Unternehmen und im Mittelstand, wo bAV bisher nahezu nicht vorkomme. "Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der bAV gehen aber an den Bedürfnissen ausgerechnet dieses besonders beschäftigungsintensiven Teils der deutschen Wirtschaft vorbei", kritisiert Arteaga.

Zu kompliziert, zu starr, zu teuer und zu riskant für Arbeitgeber
Die Experten halten Betriebsrenten in Deutschland für viel zu kompliziert und zu starr. Firmen seien durch Versorgungsversprechen über viele Jahrzehnte gebunden und nahezu ohne Chance, Systeme an veränderte Bedingungen anzupassen oder Verpflichtungen auf Dritte zu übertragen – selbst wenn Versorgungsberechtigte keine Nachteile haben. Auch die Kosten seien weder in der Höhe noch zum Zeitpunkt ihrer Entstehung verlässlich planbar. Selbst bei sorgfältiger und angemessener Finanzierung müsse der Arbeitgeber uneingeschränkt haften.

Daher bieten vor allem KMU laut Arteaga fast durchweg keine Ruhegeldzusagen an. Folgerichtig stagniert die bAV-Verbreitung seit Einführung des Betriebsrentengesetzes vor 50 Jahren auf niedrigem Niveau. Insgesamt ist jeder zweite Beschäftigte in Deutschland ohne Aussicht auf eine bAV. "Und eine durchschnittliche Betriebsrente von rund 100 Euro pro Monat ist gemessen an der Versorgungslücke viel zu niedrig", kritisiert Arteaga. Daher fordert der Eberbacher Kreis schnelle Korrekturen in mehreren Bereichen.

Eberbacher Kreis fordert rasche Korrekturen
Die Hälfte der acht Forderungen betrifft die reine Beitragszusage (rBZ), die über das Sozialpartnermodell (SPM) in einigen wenigen Bereichen organisiert wird und bislang nur per Tarifvertrag erlaubt ist. "Die rBZ muss für alle Unternehmen möglich sein, auch wenn sie nicht tarifgebunden sind oder wenn ein für ihre Branche und ihre Region geltender Flächentarifvertrag nicht existiert", fordert Arteaga, der als Mitautor des maßgeblichen BMAS-Gutachtens 2016 als einer der Väter des SPM gilt. Der Tarifvorbehalt müsse deshalb entfallen. Existiert kein einschlägiger Flächen-Tarifvertrag und kommt mit der zuständigen Gewerkschaft auch kein Haus-Tarifvertrag zustande, müsse die rBZ auch auf rechtlicher Grundlage einer Einzel- oder Gesamtzusage oder Betriebsvereinbarung möglich sein.

Werde kein SPM auf Grundlage einer Einzel- oder Gesamtzusage oder Betriebsvereinbarung erlaubt, schlagen die bAV-Spezialisten alternativ vor, die rBZ auch als Verbandsmodell von Berufs- oder Branchenverbänden zu erlauben, wenn kein Tarifvertrag existiert. Statt der aktuell gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung an Durchführung und Steuerung der Tarifvertragsparteien am SPM (nach Paragraf 21 Abs. 1 BetrAVG) würde die Überwachung gesetzlich vorgegebener Qualitätsanforderungen durch die Aufsichtsbehörde Bafin treten, schlagen die Fachanwälte vor. Die Bafin könnte die Genehmigung für die Aufnahme des Geschäftsbetriebs von SPM daran knüpften, dass innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine vernünftige Kapitalgröße erreicht wird. "Nach den Erfahrungen im Ausland wird man hier ein Deckungskapital von wenigstens einer Milliarde Euro verlangen müssen, welches spätestens nach zehn Jahren erreicht werden muss", meint Arteaga.

Versorgungsordnungen vereinfachen
Der Eberbacher Kreis hält es für zwingend erforderlich und überfällig, die gesetzlichen bAV-Bedingungen so zu ändern, dass für Arbeitgeber mehr Kostensicherheit, Rechtssicherheit, Flexibilität und für Arbeitnehmer eine bessere Übertragbarkeit von Versorgungsversprechen erreicht wird. So sollte Arbeitgebern kraft Gesetzes die Vereinheitlichung der bisherigen bAV im Unternehmen möglich gemacht werden, fordern die Anwälte.

Hintergrund: Es gebe vielfach ein Sammelsurium unzähliger Versorgungsordnungen in einem einzigen Unternehmen. "Diese 'Flickenteppiche' verursachen enorme Kosten – letztlich zu Lasten der Begünstigten", weiß Arteaga. Das müsse ein Ende haben, gelinge aber nur, wenn eine barwertidentische Ablösung erlaubt wird, auch wenn dabei Details der ursprünglichen Versorgungszusage verändert werden. Bislang sei dies nicht erlaubt.

Für bessere Portabilität der Zusagen und Offenheit von Arbeitgebern
Erleichterungen fordert der Eberbacher Kreis auch für die Übertragbarkeit von Versorgungsverpflichtungen, insbesondere bei Arbeitgeberwechsel. Das bislang fast vollständige Verbot zur Abfindung von Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer wie auch die kaum mögliche Übertragung betrieblicher Versorgungsverpflichtungen auf Dritte seien gravierende Hindernisse für Akzeptanz und Vertrauen in die bAV, kritisieren die Eberbacher. "Die jetzigen Regelungen zwingen Unternehmen häufig, jahrzehntelang Versorgungsverpflichtungen selbst weiterzuführen, auch wenn dies wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist", betont Arteaga. Eine bessere Portabilität sei ebenfalls nötig.

Sollten die Reformideen bei der neuen Bundesregierung auf fruchtbaren Boden fallen, könnten auch auf bAV spezialisierte Versicherungsmakler profitieren. Sie finden ebenfalls historisch gewachsene Versorgungsordnungen vor, die oft nicht mehr mit modernen Maßstäben korrespondieren. Gerade in KMU sei damit überproportional hoher Aufwand in den Personalabteilungen verbunden, so die Fachanwälte. Weniger Bürokratie und weniger Arbeitgeberhaftung würden den Maklern Türen bei weiteren Firmenkunden öffnen und damit zur besseren bAV-Verbreitung beitragen. (dpo)