In der Krise zeigt sich die Kompetenz eines guten Beraters. Keinesfalls wird er seine Kunden im Stich lassen und fahrlässig Vertragskündigungen unterstützen (FONDS professionell ONLINE berichtete). Leider jedoch gibt es so gut wie keinen Schutz für Firmen, deren Geschäfte wegen Pandemien vorübergehend ruhen. 

Dennoch benötigen viele Gewerbetreibende schnelle Hilfe. Einige wenige hatten für diesen Fall mit einer Betriebsschließungsversicherung (BSV) vorgesorgt, insbesondere im Bereich Hotels, Gaststätten, Lebensmittelhandel und Heilwesen. "Die Gefahr einer Pandemie und die daraus resultierenden Betriebsschließungen wurde bisher versicherungstechnisch nicht erkannt, weder in der Beitragskalkulation noch bei den Versicherungsbedingungen", hat Oliver Drewes beobachtet, der Geschäftsführer des Maklerpools Maxpool.

Nur in sehr seltenen Fällen sei ein generelles Risiko übertragbarer Krankheiten versichert gewesen, sagt Drewes. Als weltweit gleichzeitig Schäden geltend gemacht wurden, funktionierte das Prinzip der Risikostreuung nicht mehr. "Die Versicherer schlossen seit Bekanntwerden vermehrter Corona-Fälle in Wuhan (Ende Dezember) innerhalb weniger Tage die Tarife und lehnten Neugeschäft ab", so Drewes Erfahrungen. "Sie werden voraussichtlich auch versuchen, ihre Leistungspflicht im Bestand zu umgehen und dies wohl richterlich entscheiden lassen."

Versicherer wiegeln meist ab
In der Tat mehren sich Fälle, in denen Versicherer die Leistung ablehnen – zum Teil mit fragwürdigen Begründungen. Tobias Strübing, Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte, sind entsprechende Fälle der Axa, Allianz, Helvetia, R+V, Gothaer und der Haftpflichtkasse bekannt.

Der Fachanwalt für Versicherungsrecht hat sich intensiv mit den Versicherungsbedingungen (AVB) befasst und ist optimistisch, dass viele Mandanten mit Leistungen ihres Versicherers bei Betriebsschließung rechnen können – vorausgesetzt, man besitzt eine Praxisausfall- oder Betriebsunterbrechungsversicherung mit Deckungserweiterungen für behördliche Schließungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). "In den meisten Fällen ist vereinbart, dass die zuständige Behörde den Betrieb geschlossen haben muss, damit der Versicherer zahlt", erklärt Strübing. Dazu reichen nach seiner Auffassung auch überregionale Anordnungen aus. In den meisten AVB stehe nicht, dass die behördliche Anordnung sich unmittelbar an das betroffene Unternehmen richten muss. Maßnahmen zur Schließung von Unternehmen dürfen die Bundesländer aufgrund des IfSG erlassen.

In den AVB wird Covid-19 als ganz neue Erkrankung nicht aufgelistet. "Einige Versicherer nehmen das zum Anlass, die Deckung abzulehnen", hat Strübing beobachtet. Damit dürften sie vor Gericht kaum durchkommen, denn die Bedingungen nehmen zumeist und gleich an mehreren Stellen Bezug auf das IfSG und bringen damit zum Ausdruck, dass die in diesem Gesetz aufgelisteten Krankheiten maßgeblich sein sollen. Covid-19 sei per Verordnung seit 1. Februar 2020 zu einer nach IfSG meldepflichtigen Krankheit erklärt worden. In anderen AVB wird nur pauschal auf das IfSG verwiesen und Versicherungsschutz geboten, wenn eine in diesem Gesetz genannte meldepflichtige Krankheit zu einer Schließung führt. "Dann dürfte dem Grunde nach in vielen Fällen Versicherungsschutz bestehen", meint Strübing. Rechtsprechung existiert dazu bisher nicht – und Zeit sowie Geld für einen langwierigen Rechtsstreit haben Versicherte ausgerechnet jetzt meist nicht.

Typische Vorgehensweise
Wie in der Branche Entschädigungen abgelehnt werden, zeigt sich an einem Beispiel der Helvetia. Gemäß den Bedingungen (BS-21-0801) wird entschädigt, wenn die zuständige Behörde nach IfSG den Betrieb schließt. "Alle meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind in den Bedingungen abschließend aufgezählt", heißt es in einer Antwort an einen Kunden, der eine Schadenanzeige geschickt hatte. "Da das Corona-Virus nicht aufgeführt ist, sind durch dieses Virus ausgelöste Betriebsschließungsschäden nicht versichert." Etwaige Änderungen im IfSG spielten dabei keine Rolle. Maßgeblich sei "alleine die abschließende Aufzählung der auslösenden Erreger in den Bedingungen", heißt es in der Ablehnung weiter.

Ob das einer gerichtlichen Nachprüfung standhalten würde, ist offen. Denn in den AVB wird ausdrücklich Bezug genommen auf die in den Paragrafen 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Erreger. Im Gesetz stand das Coronavirus vor dem 1. Februar noch nicht. "Aber die Auflistungen in den AVB haben nur deklaratorischen, nicht jedoch konstitutiven Charakter", hält der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) in einem Schreiben an die Zurich Versicherung dagegen, die nach BDVM-Beobachtung in mehreren Fällen ebenfalls keine Deckung aus der BSV gewähren will. Das gleiche treffe beispielsweise auf Allianz und Ergo zu. Das ist besonders ärgerlich, weil es meist nur um Minimaldeckungen im Vergleich zum Gesamtumsatz der Betriebe geht. Die Schäden, die durch einen Betriebsstopp durch Corona entstehen, seien laut BDVM eher rudimentär abgesichert, da nicht die Umsätze ersetzt werden, sondern nur laufende Betriebskosten wie Miete, Löhne, Kredit- und Leasingraten.

Auch die Helvetia-Deckung scheint allenfalls rudimentär zu sein. Hier wäre ein Tagessatz in vereinbarter Höhe und Dauer der Schließung – maximal sechs Wochen – fällig, aber erst nach einem Monat Wartezeit seit Abschluss des Vertrages. Einen Monat ohne Geld vom Versicherer dürften viele kleine Betriebe, die erst kürzlich die Police abgeschlossen hatten, finanziell aber gar nicht durchhalten. "Wir möchten dazu keine Stellung nehmen", sagte ein Helvetia-Sprecher auf Nachfrage von FONDS professionell ONLINE.

Vorsicht bei Verweis auf öffentlich-rechtliche Entschädigung
Wichtig sind für Firmeninhaber auch Obliegenheiten. Muss etwa ein Mitarbeiter in Quarantäne, sollte der Versicherer unverzüglich darüber informiert werden, weil dann oftmals Lohnkosten abgesichert sind. Auch der eigentliche Versicherungsfall, die Schließung, muss unverzüglich dem Versicherer gemeldet werden.

Einige verlangen zusätzlich, dass etwaige Entschädigungsansprüche nach dem InfSG bei den zuständigen Behörden angemeldet werden, so auch die Helvetia. Dabei könne der Kunde vom Versicherer ein zinsloses Darlehen bis zur vollen Versicherungshöhe verlangen. Meist lässt der Versicherer sich die behördlichen Entschädigungsansprüche dann abtreten. Das ist aber nicht ungefährlich, denn in den AVB der Helvetia steht auch: Wenn die öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtskräftig aberkannt wird, verlangt der Versicherer das Darlehen sofort zurück. "Vielfach dürfte kein Entschädigungsanspruch der Behörde bestehen", fürchtet Strübing. Die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte hat dazu Fragen und Antworten zusammengestellt und auch ein Musterformular zur Schadenmeldung entwickelt.

Eines ist klar: Hätten die Versicherer bislang schon eine inhaltlich gute BSV für den Pandemie-Fall in allen Branchen im Sortiment gehabt, stünden viele von ihnen jetzt selbst vor der Insolvenz. "Einen Rettungsschirm kann allenfalls der Staat aufspannen", meint Maxpool-Chef Drewes. Doch da, wo Versicherungsschutz für Betriebsschließungen nach IfSG bestand, sollten die Versicherer im Zweifel Kulanz zeigen statt sich mit spitzfindigen Argumenten der Leistung zu entziehen. "Sonst droht ein gewaltiger Imageschaden für die Branche, die ohnehin mit dem Vorurteil leben muss, Regenschirme bei Sonnenschein auszugeben, sie bei Regen aber zurückzuverlangen", warnt Drewes. (dpo)