Betriebsschließungspolice: Was die neuen AVB ändern
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat unlängst neue Musterbedingungen herausgegeben. Die meisten Versicherer würden bei einer Pandemie demnach nicht mehr zahlen. FONDS professionell ONLINE zeigt, worauf sich Makler und Kunden einstellen müssen.
Viele Versicherer wollen den vereinbarten Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen (BSV) nicht für den Fall von Pandemien angewendet wissen, auch nicht im zweiten Lockdown. Zu ihnen zählt die Allianz, die deswegen dem Bayerischen Kompromiss beigetreten war. Mehrere Gastwirte ließen sich darauf nicht ein und zogen vor Gericht. Die Allianz verglich sich vor dem Landgericht München I mit dem Wirt des "Paulaner am Nockherberg", nachdem das Gericht vorab eine Niederlage des Versicherers angedeutet hatte. Inzwischen hat die Allianz für die Zukunft reagiert. Mitte Oktober gab der Versicherer bekannt, die Bedingungen in seinen BSV zu ändern. Künftig solle der Schutz gegen eine generelle, behördlich verordnete Geschäftsunterbrechung wegen einer Pandemie wie Covid-19 ausgeschlossen sein.
Die bisherigen Policen seien relativ günstig – oft unter 100 Euro im Jahr – und nicht für Pandemien gedacht, erklärte ein Allianz-Sprecher. Wollte man diese mit absichern, müssten die Verträge sehr viel teurer sein. Kunden würden geänderte BSV-Verträge ohne Pandemieschutz angeboten. Stimmen sie diesen Änderungen nicht zu, würden die laufenden Verträge zum Ende der Laufzeit gekündigt.
Der Ausschluss von Pandemien/Epidemien soll bei der Allianz jetzt transparenter als bisher formuliert werden. Auch wolle man auf eine abschließende Auflistung der versicherten Krankheiten in den Versicherungsbedingungen (AVB) verzichten. Damit sei dann in der neuen BSV das Corona-Virus mitversichert, sofern der Kunde aufgrund einer behördlichen Anordnung wegen eines Corona-Vorfalls im versicherten Betrieb schließen muss.
Neue AVB schließen Pandemien aus
Damit liegt das Allianz-Schwenk in den AVB auf der Linie der neuen, unverbindlichen Musterbedingungen für die BSV, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Mitte Dezember gleich in sechs Varianten veröffentlicht hat. "Mit den Klauseln schaffen wir Klarheit – auch im Interesse unserer Kunden", sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Ob das tatsächlich so ist, wird die Zukunft zeigen. Für Firmenkunden dürfte der Vergleich dieser sechs Bedingungswerke zunächst mehr Fragen aufwerfen als Antworten bringen. Schon die Grundfrage, welches Bedingungswerk am besten zur Situation des Kunden passt, wird sich kaum ohne professionelle Beratung durch einen Makler beantworten lassen. Klar ist: "Flächendeckend angeordnete Betriebsschließungen, wie in der Corona-Pandemie der Fall, sind künftig eindeutig vom Versicherungsschutz ausgenommen", erklärt der GDV
Die sechs Bedingungswerke unterscheiden sich insbesondere bei den versicherten Krankheiten. Alle AVB haben jedoch einen einheitlichen Grundsatz:
- Gezahlt wird, wenn im Betrieb zufällig eine definierte Krankheit oder ein definierter Krankheitserreger auftritt und der Betrieb per Einzelverfügung geschlossen wird, um das Ausbreiten zu verhindern. "Dieses zufällige Ereignis ist kalkulier- und damit versicherbar", so der GDV.
- Gezahlt wird nicht, wenn Betriebe flächendeckend per Allgemeinverfügung geschlossen werden – etwa um allgemeine Kontaktbeschränkungen durchzusetzen. "Solche politischen Entscheidungen sind keine zufälligen Ereignisse, nicht kalkulierbar und daher generell vom Schutz ausgeschlossen, auch Pandemien", begründet der GDV.
Bei Pandemien soll der Staat mit ins Boot
"Die massiven Schäden durch Corona zeigen, dass die finanziellen Folgen von Pandemien rein privatwirtschaftlich nicht versicherbar sind", betont Asmussen. Denn das Versicherungsprinzip – die Gemeinschaft trägt die Schäden Einzelner – werde außer Kraft gesetzt, weil nahezu alle Versicherten gleichzeitig betroffen sind. Pandemien könnten daher nur gemeinsam von Privatwirtschaft und Staat getragen werden, so der GDV-Hauptgeschäftsführer
Mehrere Verbände hatten bereits ein mehrstufiges Absicherungssystem vorgeschlagen, bei dem staatliche Ad-hoc-Hilfen zumindest in einem frühen Pandemie-Stadium einsetzen könnten. Bei der Politik stoße das Modell des Public-Private-Partnership zwar auf Interesse, doch aktuell konzentriert man sich dort auf die Bekämpfung der Pandemie. Mit einer Entscheidung sei nicht vor dem späten Frühjahr 2021 zu rechnen.
Damit bleibt Maklern und Firmenkunden derzeit nur, sich die neuen Bedingungen genauer anzusehen. Dafür sorgen auch die Versicherer selbst, die bereits seit dem Herbst ihren Kunden neue Verträge anbieten. Wer diesen Änderungen nicht zustimmt, läuft Gefahr, die laufende Police zum Ende der Laufzeit gekündigt zu bekommen.
HDI bietet mehr, ist aber auch deutlich teurer
Die ersten Angebote zeigen: Die neuen Policen sind zwar auf den ersten Blick meist preisgünstig, decken aber praktisch nie Corona-bedingte Schäden und solche durch künftige Pandemien ab. Einzig die HDI Versicherung schert bislang dabei aus und bietet mehr als die GDV-Musterbedingungen: Der Pandemieschutz ist eingeschlossen, aber nur noch, wenn die Krankheit oder ein definierter Krankheitserreger im Betrieb auftritt und der Betrieb per Einzelverfügung geschlossen wird, um das Ausbreiten zu verhindern. Das ist aber auch mehrfach teurer als die leistungsschwächeren neuen Angebote der Konkurrenz.
Die Versicherer zahlen im Regelfall wie früher bei einer Salmonellen-Infektion im Betrieb. "Gezahlt wird der Gewinnausfall und die fortlaufenden Kosten im Rahmen der individuell vereinbarten Versicherungssumme, Entschädigungsgrenzen und Haftzeiten, wenn der Betrieb wegen Einzelverfügung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes geschlossen wird", heißt es bei der R+V Versicherung.
BSV-Absicherung meist nur im Paket zu haben
Außerdem gleicht die neue BSV die Lohnfortzahlung bei Tätigkeitsverboten aus, den Warenwert bei Vernichtung von Waren, die Kosten für Desinfektion und für Beobachtung, etwa die Analyse von Laborproben. Wie zu hören ist, nehmen einige Versicherer derzeit noch keine Neukunden nach den neuen Bedingungen auf. Andere wie der HDI versichern nun nicht mehr nur lebensmittelverarbeitende Firmen sowie die Gastronomie und Medizinbranche, sondern Firmen jeglicher Gewerbezweige bis zu einem Jahresumsatz von fünf Millionen Euro.
Allerdings klappt der BSV-Schutz meist nur im Gesamtpaket mit einer Betriebsinhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung, betont der Münchener Verein. Die BSV-Ausschnittdeckung allein wird bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht am Markt geboten. (dpo)
Kommentare
Gut beraten und gut versichert
AntwortenWie wichtig und entscheidend eine wirklich gute Beratung ist, hat dieses Nischenprodukt BSV deutlich gezeigt. Der gute Berater, der eine leistungsstarke und auch teure BSV für seinen Mandanten ausgewählt hat, wird jetzt im Leistungsfall für seine richtige Beratung zu Recht gelobt, weil Unternehmen so weiter existieren werden. Covid-19 zeigt, wie essentiell wichtig Versicherungslösungen sind. Den richtigen Tarif am Markt zu filtern und zu entsprechend zu beraten, ist leichter gesagt als getan. Auch künftig wird es die BSV im Lebensmittelbereich eine zentrale Rolle bekommen. Und ja, die BSV wird auch teurer werden (müssen); für eine Unternehmensfinanzierung wird künftig die BSV als Voraussetzung für die Gewährung von Kredite zwingend erforderlich sein. So verändert Covid-19 den Markt aber auch die Sichtweise auf so oft für überflüssig gehaltene und vernachlässigte Versicherungsprodukte. Ein Umdenken folgt allzu oft erst mit der schmerzhaften Erfahrung. Fachmakler Knut Kahnt
kontakt@ohne-schaden.de am 29.12.20 um 11:49