Das vergangene Jahr war von kontroversen Entwicklungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) geprägt, berichtet das Analysehaus Franke und Bornberg (FuB). Insbesondere die Einführung des Verzichts auf die konkrete Verweisung im BU-Fall durch die Versicherer HDI und die Bayerische sowie der Verzicht auf die Prüfung der Umorganisation bei Selbstständigen durch die Condor Lebensversicherung lösten Kritik bei den Analysten aus.

"Insbesondere der Verzicht auf die konkrete Verweisung übertritt die Linie zwischen Versicherungsschutz und sinnlosen Geschenken an einzelne Versicherte", merkt Michael Franke an. Der Geschäftsführer von FuB findet es erfreulich, dass andere Versicherer diesen Beispielen bisher nicht gefolgt sind. "Die Entscheidung der meisten Versicherer, an der konkreten Verweisung festzuhalten, unterstreicht die Bedeutung von Stabilität und Risikobewusstsein im Markt."

Höherer Rechnungszins kann BU-Rentensteigerungen ausbremsen
Zum Jahreswechsel trat eine weitere wichtige Veränderung in der Lebensversicherung in Kraft: Der Höchstrechnungszins stieg von 0,25 auf 1,0 Prozent. Dies hat auch Auswirkungen auf die BU-Versicherung. "Die Anhebung führt in der Regel zu einer proportionalen Reduzierung der Überschussbeteiligung von 0,75 Prozentpunkten – mit Auswirkungen auf die BU-Rente im Leistungsfall", begründet Franke. Tatsächlich dürfte jedoch von der Logik her das Zinsergebnis formal identisch bleiben, da ja der Garantiezins um 0,75 Prozentpunkte steigt.

Auf Nachfrage sagte Franke: "In der BU-Leistungsphase wird der Vertrag weiterhin an den entstehenden Überschüssen beteiligt, die vorrangig aus dem Kapitalanlageergebnis stammen. Werden höhere Werte als der Rechnungszins erzielt und auch in Form von Überschüssen weitergegeben, wirken sich diese Überschüsse in Form von Steigerungen der jeweiligen Vorjahresrente aus. Fallen keine Überschüsse an, entfällt die Rentensteigerung. Die Rentensteigerung ist also nicht garantiert."

Einige Versicherer kürzen Überschüsse moderater
Franke erinnert daran, dass der Höchstrechnungszins diejenige Verzinsung ist, die Versicherer für die Kalkulation der Beiträge und für Deckungsrückstellungen maximal ansetzen dürfen. In der BU-Versicherung sei es üblich, dass die Versicherer diesen Zinssatz auch verwenden. "Eine Erhöhung des Höchstrechnungszinses bedeutet somit, dass Versicherer höhere Mindestverzinsungen für die Kapitalanlagen erzielen müssen, um ihre Verpflichtungen erfüllen zu können." Dadurch sinke der Spielraum für Kapitalüberschüsse, da die Differenz zwischen tatsächlichen Erträgen und garantierter Verzinsung kleiner wird.

Folge: "BU-Rentensteigerungen durch Überschüsse im Leistungsfall können geringer ausfallen, wie wir es jetzt auch am Markt sehen", berichtet Franke. Allerdings gebe es positive Ausnahmen: Einige Versicherer haben ihre Überschusskürzungen laut FuB moderater gestaltet. Die Universa beispielsweise reduziert die Beteiligung lediglich um 0,25 Prozentpunkte, die Hannoversche um 0,45 Prozentpunkte und die Ergo Vorsorge um 0,3 Prozentpunkte.

Positive Regelungen im BU-Fall bei Umorganisation von Kleinbetrieben
Für Kunden, die berufsunfähig werden, könne also ein geringerer Rechnungszins vorteilhaft sein. Zu beachten sei jedoch, dass die jetzt von den Versicherern deklarierten Werte für die Tarifgeneration des aktuellen Neugeschäfts gelten. "Für Verträge im Bestand – auch im Leistungsfall – gelten in der Regel andere Verzinsungen und auch Überschusssätze, die sich nicht ändern müssen", relativiert Franke.

Auch bei Regelungen zur Umorganisation beobachtet das Analysehaus viele Anpassungen: Immer mehr Versicherer heben die Grenze für den Verzicht auf die Prüfung der Umorganisation bei Kleinbetrieben von fünf auf zehn Mitarbeiter an. Bei Selbstständigen verzichten mehr Versicherer generell auf die Prüfung der Umorganisation, wenn mindestens 90 Prozent der Arbeitszeit auf kaufmännische oder organisatorische Tätigkeiten entfällt – unabhängig von der Berufsausbildung. Diese Regelung war in der Vergangenheit meist nur für Akademiker vorgesehen, werde nun aber auf eine breitere Zielgruppe ausgeweitet.

Vielfach vereinfachte Anerkennung des BU-Falles
Eine weitere Verbesserung betrifft das vereinfachte Anerkenntnis der BU bei Vorliegen einer Erwerbsminderung. Dabei wird eine Berufsunfähigkeit automatisch anerkannt, wenn eine (volle) Erwerbsminderung durch die gesetzliche Rentenversicherung festgestellt wurde, was nicht selten der Fall ist. Eine zusätzliche Prüfung durch den Versicherer entfällt dann bei immer mehr Gesellschaften. "Dadurch wird die Dauer der Leistungsprüfung erheblich verkürzt und Betroffene erhalten schneller und einfacher ihre Leistungen", betont Franke.

Detailliertere Ergebnisse kündigt das Analysehaus für das Frühjahr an. Dann werde sowohl das BU-Produktrating aktualisiert sowie die Studie zur Leistungspraxis der BU-Versicherer, die aufzeigt, wie Versicherer im Leistungsfall tatsächlich handeln. Ebenfalls im Frühjahr erscheint der Map-Report "Stabilitätsrating der Berufsunfähigkeitsversicherer", der einen detaillierten Einblick in die finanzielle Stabilität und Risikopolitik der Anbieter gewährt. Im Vorjahr war die Prämiengestaltung im Markt weiterhin sehr aggressiv ausgerichtet gewesen und die jeweilige Durchschnittsprämie von einigen Versicherern um 40 Prozent unterschritten worden. (dpo)