Digitale Rentenübersicht: Makler nicht unabhängig genug?
Die digitale Rentenübersicht soll die meisten Altersvorsorgeansprüche eines jeden Bürgers abbilden, hat aber Lücken. Für weitergehende Informationen verweist eine Broschüre auf unabhängige Stellen. Doch dort fehlen Versicherungsmakler. Warum? FONDS professionell ONLINE hat nachgefragt.
Die digitale Rentenübersicht (DRÜ), auch Online-Rentenkonto genannt, ist seit Jahresbeginn 2024 im Regelbetrieb. Der erste Evaluierungsbericht Anfang August fällte ein "sehr positives" Fazit, hieß es bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund), die das DRÜ-Portal betreibt. "Das Feedback der Nutzer ist wertvoll und wichtig, hilft es uns doch, die Plattform weiter zu optimieren", sagt Stephan Fasshauer, Direktor der DRV-Bund.
Zugleich äußerten Nutzer zahlreiche Wünsche an die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht (ZfDR) zur Weiterentwicklung des Portals. Laut Bericht gehe es insbesondere um die Landingpage, eine Vereinfachung und bessere Verständlichkeit des Anmeldeprozesses und weiterführende Hinweise zu unabhängigen Beratungsangeboten. Der letzte Punkt ist besonders wichtig, denn die ZfDR berät nicht persönlich.
Verweis auf nötige unabhängige Beratung
"Die Daten des Online-Portals können aber bequem exportiert und für ein unabhängiges Beratungsgespräch genutzt werden", heißt es in der virtuellen Info-Broschüre der ZfDR "Die Digitale Rentenübersicht: Fragen und Antworten" (externer Link). Dann folgt der knappe Hinweis, dass "Auskünfte beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung, Sozialverbände wie der SoVD und der VdK sowie gewerbliche Rentenberaterinnen und -berater oder Verbraucherschutzorganisationen erteilen".
Nicht in der Broschüre genannt werden unabhängige Versicherungsmakler oder professionelle sonstige Versicherungs- und Fondsvermittler mit Zulassung nach Gewerbeordnung samt Sachkundenachweis und verpflichtender Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Die DRV wolle die Formulierung "zum jetzigen Zeitpunkt nicht ändern, zumal die Aufzählung in der Broschüre explizit beispielhaft erfolgte", so eine Sprecherin im Oktober auf Anfrage von FONDS professionell.
BVK bittet um Hinweis auch auf Versicherungsvermittler
Daran störte sich der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). In einem Brief an DRV-Präsidentin Gundula Roßbach erinnerten BVK-Präsident Michael H. Heinz und BVK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Eichele zunächst daran, dass der Verband auf seiner Homepage für Vermittler ein Tool anbietet, dass die Ergebnisse der DRÜ aufgreift und auf Kundenwunsch im Beratungsgespräch genutzt werden kann.
Zugleich äußert der BVK seine Verwunderung, dass in der ZfDR-Broschüre "zur Beratung zur Altersvorsorge im gewerblichen Bereich zwar auf Rentenberaterinnen und -berater verwiesen wird, die für die private und betriebliche Altersvorsorge essenziellen und existenziellen Versicherungs- und Bausparkaufleute jedoch nicht aufgeführt werden", die laut BVK "einen sehr großen Anteil am Aufbau und Erhalt der bestehenden Daseins- und Altersvorsorge in der Gesellschaft haben". Der BVK geht von einem Versehen aus und bittet die DRV-Präsidentin darum, "die Versicherungs- und Bausparkaufleute in Ihrer Downloaddatei ebenfalls als mögliche Beratungsmöglichkeit mit aufzunehmen".
ZfDR-Chefin lehnt BVK-Bitte ab
Inzwischen liegt eine Antwort vor, die der Redaktion bekannt ist. Sie stammt jedoch nicht von DRV-Präsidentin Roßbach, sondern von Imke Petersen, Leiterin der ZfDR bei der DRV-Bund, an die das Schreiben der BVK-Spitze zur Beantwortung weitergeleitet wurde. Petersen bestätigt darin, dass die Nutzer des Portals sich laut Evaluierungsbericht "unter anderem Informationen wünschen, wo sie sich unabhängig und neutral über mögliche Handlungsbedarfe beraten lassen können".
In einem Steuerungsgremium, das bei der ZfDR eingerichtet ist, sei intensiv diskutiert worden, wie mit dem Feedback der Bürger umgegangen werden soll. Das Steuerungsgremium habe sich bewusst für die Aufnahme der genannten neutralen und unabhängigen Angebote ausgesprochen, antwortet Petersen. Regelmäßig würden die Inhalte von Portal und Internetseite überprüft. "Zum jetzigen Zeitpunkt ist allerdings keine weitere Aufnahme von Beratungsalternativen vorgesehen", schreibt die Leiterin der ZfDR dem BVK.
Makler gelten seit Jahrzehnten als unabhängig – aber nicht jedem
Das verwundert viele Branchenkenner, denn Versicherungsmakler gelten spätestens seit einem wegweisenden BGH-Urteil von 1985 als unabhängig und sind als Sachwalter des Kunden zu betrachten. Manche Verbraucherschützer sehen dies anders, für sie ist eine provisionsbasierte Beratung weniger unabhängig als eine Honorarberatung. "Die Unabhängigkeit gehört zum Selbstverständnis des Maklers", betonte jüngst jedoch Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung, im Interview mit FONDS professionell ONLINE.
Das Steuerungsgremium der ZfDR hat bei der Nennung neutraler Beratungsangebote in der Info-Broschüre den Begriff "Unabhängigkeit" offenbar auf spezielle Weise ausgelegt. Laut einer Verordnung vom Juni 2021 besteht das Gremium aus sechs Mitgliedern mit je einem Vertreter der DRV-Bund, der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der Stiftung Warentest, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesfinanzministeriums. Offenbar konnte der GDV den unabhängigen Vermittlern dort kein Gehör verschaffen. (dpo)