Das Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) hat in seinem Rating von 30 Anbietern der Grundfähigkeitsversicherung (GF) erneut eine Flut der angebotenen Tarife ausgemacht. Dabei vergaben die Analysten an gut vier von fünf Offerten die Höchstnote "Fünf Sterne". Im Startjahr 2020 des GF-Ratings lag die Zahl erst bei 53 Tarifen und Tarifkombinationen, 2021 dann bei 78, und 2022 stieg das Angebot auf 112 Tarife. Aktuell werden nun 167 Tarife bewertet.

Ergebnis: Das Wachstum spielt sich in den oberen Bewertungsrängen des Ratings ab. "Im Fünf-Sterne-Segment ist in den letzten drei Jahren nahezu eine Verdreifachung der Tarifanzahl, von 52 auf 138, zu verzeichnen", sagt Andreas Ludwig, Bereichsleiter Analyse & Ratings (Vorjahr: 92). Auch die Vier-Sterne-Bewertungen seien in diesem Zeitraum von 15 auf 22 angestiegen. "Damit bleibt das bereits anfänglich sehr gute Bedingungsniveau weiter bestehen", konstatiert Ludwig.

Immer mehr Leistungsauslöser …
Seit 2020 stellt M&M auch eine stetig steigende Anzahl an Leistungsauslösern in den AVB fest. Die GF-Versicherung soll jedoch eine bezahlbare Alternative der Einkommensabsicherung sein. Flächendeckender Absicherung würde es entgegenwirken, wenn das Produkt durch weitere Zusatzoptionen und Erweiterungen nicht mehr für die primäre Zielgruppe der körperlich Tätigen finanzierbar ist, so Ludwig weiter. Daher bewertet das Analysehaus auch in diesem Jahr wieder nur 15 Grundfähigkeiten als ratingrelevante Leistungsauslöser. Andere Leistungsauslöser würden analysiert, aber nicht als ratingrelevant gewertet, um keinen Bedingungswettbewerb – wie in der BU-Versicherung zu beobachten – anzustoßen.

Bereits im Vorjahr hatte das Analysehaus bei seinem GF-Rating nur 15 Grundfähigkeiten als relevante Leistungsauslöser einbezogen. Damals wie heute "ist ein sehr modulares Wachstum auf hohem Bedingungsniveau zu erkennen", sagt Ludwig. Soll heißen: Die Tarife sind als Baukastensystem individuell zusammenstellbar. "Der Wettbewerb findet hauptsächlich in der zunehmenden Ausdifferenzierung der Leistungsauslöser statt, was langfristig zu einem höheren Preisniveau führen und die preisliche Attraktivität für körperlich tätige Berufe gefährden könnte“, sieht Ludwig die Entwicklung kritisch. Eine Auflistung der von M&M untersuchten Tarife gibt es hier (externer Link).

… werden auf lange Sicht die Preise treiben 
Weitere Trends 2023, die eine Explosion der GF-Angebote begründen könnten: Die Zielgruppe wird laut M&M zunehmend jünger. "Einige wenige Gesellschaften bieten Tarife schon für Kinder von sechs Monaten", stellt Ludwig die aktuelle Marktentwicklung dar. Insgesamt setzten die Versicherer weiterhin stark auf die GF-Versicherung als alternative Arbeitskraftabsicherung oder als Einstieg in die Arbeitskraftabsicherung, indem sie eine spätere Wechseloption zur Berufsunfähigkeit offerieren. "Diese Option bieten inzwischen alle Tarife", so der Analyst.

Erstmals zieht M&M auch einen Preisvergleich im Rahmen der Arbeitskraftabsicherung, wo vielen Interessenten der Zugang zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) verwehrt bleibt, die als höchste Absicherungsform gilt. Grund sind meist die zu hohen Beiträge aufgrund von körperlicher Tätigkeit im ausgeübten Beruf. Ein Dachdecker beispielsweise zahlt in einem Fünf-Sterne-Tarif 160,07 Euro monatlich für die preisgünstigste BU-Absicherung. Bei einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) sind es im günstigsten Tarif nur 56,30 Euro, während die GF-Police mit lediglich 46,19 Euro zu Buche schlägt – siehe Tabelle.

Ausblick und Ärgernis fehlender Marktstandards
M&M erwartet eine weiterhin steigende Anzahl sowie eine weitere Ausdifferenzierung der GF-Tarife. Einige Tarife enthielten zudem eine Arbeitsunfähigkeitsklausel, die den jeweiligen Tarif stark in Richtung einer temporären BU-Police schiebe und damit den Preis in die Höhe treibe, Tendenz steigend. Bezahlbare Ausweichprodukte seien diese Tarife aber nur selten, so Ludwig. Hauptsächlich finde der Wettbewerb nach wie vor in der zunehmenden Ausdifferenzierung der Leistungsauslöser statt. 

Der deutsche Markt für GF-Policen ist noch jung, boomt aber, weil die leistungsstärkeren BU-Policen für viele als riskant eingestufte Berufe zu teuer geworden sind. Das Analysehaus Franke & Bornberg (F&B) hatte bereits im GF-Rating 2021 einen kreativen Wildwuchs beobachtet. "Für die sachgerechte Bewertung von Grundfähigkeiten sind Mindeststandards unverzichtbar", weiß Christian Monke, Leiter Analyse bei F&B. Die gibt es aber noch gar nicht. Daher haben die Analysten ein eigenes Grundfähigkeiten-Raster entwickelt, mit 15 wesentlichen Grundfähigkeiten.

Favoriten der Makler
Die Kritik an fehlenden Marktstandards teilt auch die Assekuranz-Ratingagentur Assekurata: "Noch immer hat sich bei den Bedingungen kein Marktstandard etabliert, sodass der Leistungsumfang der Tarife auf den ersten Blick nur schwer vergleichbar ist", heißt es bei Assekurata. Bislang dienten die Definitionen in den AVB vornehmlich zur Diversifizierung der Produkte im Anbieterwettbewerb, ohne einen versicherungstechnischen Mehrwert zu stiften.

Aus Maklersicht sind die meistgewählten Anbieter von GF-Policen weitgehend stabil. Vor einem Jahr hatte die Versicherungs-Makler-Genossenschaft (VEMA) das Votum ihrer Partnermakler offengelegt. Die meistgenutzten GF-Anbieter waren demnach Canada Life, Allianz, Volkswohl Bund und Swiss Life. (dpo)