Run-off: Verbände fordern Wechselrecht für Versicherungskunden
Der Bund der Versicherten (BdV) und der Vermittlerverband AfW haben ein gemeinsames Eckpunkteppaier vorgestellt. Darin mahnen sie ein außerordentliches Wechsel- und Kündigungsrecht für Versicherungskunden an, deren Verträge von einem Run-off betroffen sind.
Vier Millionen Kunden sind allein bei der Generali von einem Run-off betroffen – weitere Bestandsübertragungen und-verkäufe an Verwaltungsplattformen sind zu erwarten. Der Bund der Versicherten (BdV) als Kundenschutzverein und der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) als Berufsverband der Versicherungsmakler fordern nun, dass Verträge nicht mehr wie eine einfache Ware weiterverkauft werden dürfen.
Stattdessen wollen AfW und BdV, dass Versicherte im Falle eines Run-offs ein faires Wechselrecht bekommen – ohne auf Geld verzichten zu müssen, das ihnen eigentlich zusteht. Dabei sollen sie auch die Möglichkeit haben, auf qualifizierte Hilfe, zum Beispiel durch Makler, zurückzugreifen.
Know-how der unabhängigen Vermittler nutzen
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Hamburg haben die beiden Verbände nun ein Eckpunktepapier vorgestellt, dass ihre Forderungen konkretisiert. "Wir erwarten weitere Run-offs und empfinden es als unsere Pflicht, für die Rechte der Verbraucher einzustehen", sagte BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. "Mit einem fairen Übertragungswert unter Berücksichtigung der ausstehenden Abschlusskosten kann das Know-how der unabhängigen Vermittler genutzt werden, um die besten Lösungen für die Versicherten bei einem Run-off zu finden", ergänzte Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW.
Kunden hätten ihre Lebenspolicen regelmäßig im Vertrauen auf die Stabilität der gewählten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen und würden jetzt reihenweise enttäuscht. "Das schadet der ganzen Versicherungsbranche, auch wenn es bisher nur einzelne Versicherer sind, die diesen Weg gehen", so Wirth.
Kündigung mit erheblichen Nachteilen verbunden
Eine normale Kündigung käme bei einem Run-off oft nicht in Frage, da dann zum Beispiel der Versicherungsschutz verloren ginge. "Versicherte brauchen eine Möglichkeit, auch bei einem Eigentümerwechsel den Todesfall- oder Invaliditätsschutz weiter zu behalten", erklärte Kleinlein. Darauf ziele das vorgestellte Konzept ab.
Gegen eine normale Kündigung spreche auch, dass den Kunden wichtige weitere Leistungen verloren gingen. "Bei einer Kündigung behält das Unternehmen viel Geld, das als noch nicht ausgeschüttete Überschüsse in zusätzlichen Reservetöpfen schlummert, ebenso Bewertungsreserven und Zinszusatzreserven", so Versicherungsmathematiker Kleinlein. Ein weiterer Posten seien noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten. "Durch die Weitergabe der ausstehenden Abschlusskosten könnte der neue Versicherer die Möglichkeit bekommen, den Abschlussberater weiter zu honorieren", hofft Wirth.
Mehr Wettbewerb im Run-off angemahnt
Beide Verbände sind sich einig, dass eine Lösung erforderlich ist, die die Rechte der Kunden stärkt, für mehr Wettbewerb in der Assekuranz sorgt, und die Situation der unabhängigen Vermittler verbessert. Verträge im Run-off seien keinem Wettbewerb mehr ausgesetzt. "Die Erfahrungswerte zeigen, dass diese Verträge schlechter bedient werden – ob nun in Sachen Service, Leistung oder Überschussbeteiligung –, diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben", fordert Kleinlein.
Das Forderungspapier hat nach Ansicht der Verbände die Lösung parat: ein außerordentliches Wechsel- und Kündigungsrecht. Es sieht vor, dass der Vertrag entweder komplett an einen neuen Versicherer weitergereicht werden oder gekündigt werden kann, wobei der Run-off-Übertragungswert ausgekehrt wird. Beim Run-off-Übertragungswert von Policen mit biometrischen Risiken gelten noch einige Besonderheiten.
Verträge leichter fortführen
"Dies würde zum Beispiel dazu führen, dass Verträge, die ansonsten nur durch Kündigung beendet werden könnten, leichter und wirtschaftlich vorteilhafter fortgesetzt werden", hofft Kleinlein. "Und es entsteht ein Wettbewerb zwischen Run-off-Plattformen und anderen Versicherern, die die Verträge aufnehmen wollen", ergänzt Wirth.
Neue Regelungen für Verträge im Run-off sind in der Tat erforderlich. Erst kürzlich hatte die Verbraucherzentrale Hamburg die Generali Leben abgemahnt, weil sie argwöhnte, der Versicherer verweigere einem Kunden zu Unrecht die Rückabwicklung einer alten Rentenpolice, da sie inzwischen zur Run-off-Plattform Viridium gehört (FONDS professionell ONLINE berichtete). Mitte April 2019 hatte die Aufsichtsbehörde Bafin grünes Licht für den Run-off von über 4.000 Lebensversicherungsverträgen der Generali an den Abwickler Viridium gegeben (FONDS professionell ONLINE berichtete).
Transaktionen dieser Art seien kein Sündenfall, sondern eine geeignete Möglichkeit, der anhaltenden Niedrigzinsphase zu begegnen, hieß es bei der Bafin (FONDS professionell ONLINE berichtete). "Wir werden in Zukunft vermehrt solche Transaktionen sehen, weil effizientere Strategien für das Bestandsmanagement nötig sind“, betont Michael Klüttgens, Leiter Versicherungsberatung beim Risikoberater Willis Towers Watson. (dpo)