Sinkende Einkommensgrenzen für PKV-Beitritt?
Eine neue Studie empfiehlt, die Einkommensgrenzen für den Beitritt von Arbeitnehmern in die PKV zu senken. Die Politik tut seit Jahren jedoch das Gegenteil. Was die Solvenzberichte der privaten Krankenversicherer mit dem Thema zu tun haben.
Wie in fast jedem Jahr sind die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) in der Sozialversicherung auch 2023 angehoben worden. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stieg die BBG gleich um 1.800 Euro auf aktuell 59.850 Euro. Bis zu diesem Bruttoeinkommen ist Beitrag zu zahlen, oberhalb der Grenze nicht.
Gleichzeitig stieg die sogenannte Versicherungspflichtgrenze um satte 2.250 Euro auf aktuell 66.600 Euro Bruttoeinkommen pro Jahr. Das sind umgerechnet 5.550 Euro brutto pro Monat. Nur wer als Arbeitnehmer mehr verdient, darf in die private Krankenvollversicherung (PKV) wechseln. Im Vorjahr lag die Grenze noch bei 5.362,50 Euro. Damit erhöhte die Politik die Hürden weiter für Gutverdiener, von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV zu wechseln.
Drastische Anhebung der Versicherungspflichtgrenze?
Dieser Trend dürfte auch 2024 anhalten, zur Debatte steht von SPD und Grünen eine Erhöhung auf die Höhe der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung (aktuell: 87.600 Euro pro Jahr, also 7.300 Euro brutto pro Monat). Freiwillig gesetzlich Versicherte müssten damit eine Erhöhung von über 47 Prozent hinnehmen.
Hintergrund: Der demografische Wandel holt sowohl die GKV als auch die gesetzliche Pflegeversicherung ein. Die Prämieneinnahmen reichen nicht mehr aus, um die Ausgaben zu decken. "Schon schielt man in der Politik auf einmalige Erträge und denkt schon zur Jahresmitte über eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze nach, ab der der Wechsel in die PKV überhaupt möglich ist", schreibt Carsten Zielke im Vorwort der Studie "Private Krankenversicherer: keine Pflegekandidaten" (externer Link). In der gesetzlichen Pflegeversicherung wurden gerade die Beiträge erhöht.
Zielke: Gegenläufige Entwicklung wäre sinnvoll
Dies sei jedoch zu kurz gedacht, so der Geschäftsführer von Zielke Research Consult. Zwar würde eine erhöhte Pflichtgrenze einerseits mehr Kunden in der GKV halten beziehungsweise dorthin zurückbringen. Andererseits würde durch diese Erhöhung auch der maximale Beitragssatz erhöht.
Vergessen wird zudem, dass allein die privat Krankenversicherten das Überleben vieler Arztpraxen sichern. "Seit nahezu 30 Jahren wurden die Tarife nicht angehoben, womit jede Arztpraxis seit Mitte der 90er Jahre mehr als 50 Prozent des Realeinkommens pro Patienten verloren hat", erinnert Zielke.
Dabei haben die privat Versicherten 2021 laut PKV-Verband zu 20,4 Prozent der Erträge von Arztpraxen beigetragen, obwohl sie nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. "Sinnvoller wäre es also, die BBG in der GKV abzusenken, um mehr Erwerbstätigen die Wahl zwischen zwei Systemen zu ermöglichen, den Wettbewerb zu fördern und damit das Gesundheitssystem zu stabilisieren", schlägt Zielke vor. Bei Beamten passiert dies bereits.
Was die Solvenzberichte der PKV-Anbieter hergeben
Die Senkung der Einkommensgrenze für die PKV ist unter diesem Aspekt sicherlich sinnvoll, ist sie aber auch realistisch? Was die Politik der Ampel-Koalition betrifft, eher nicht. Was die Bereitschaft der PKV angeht, ganz sicher ja. Wie die Solvenzberichte von 36 privaten Krankenversicherern zeigen, ist die reine Solvency-II-Quote 2022 im Schnitt leicht auf 516 Prozent gestiegen (2012: 504 Prozent), auch dank Beitragsanpassungen. Laut dem Marktbeobachter Map-Report sind die Beitragseinnahmen der Branche 2022 um 3,8 Prozent auf 46,9 Milliarden Euro gewachsen.
Die Solvenzquote weist aus, zu wie viel Prozent ein Unternehmen mögliche Risiken bewältigen kann, sprich: das Verhältnis der Eigenmittel zu den möglichen Verpflichtungen gegenüber Versicherten – auch unter extremen Bedingungen. Faktisch hat laut Studie aktuell jedes Unternehmen eine mehr als ausreichend hohe Quote und könnte auch weiteren Kundenzustrom bei der PKV-Vollversicherung locker verkraften.
Optimale Solvenz lässt auch Schreckgespenst Beitragsanpassung verblassen
Wie Zielke mitteilt, ist eine hohe Solvenzquote aber ebenso wenig positiv zu sehen wie eine Quote unter 150 Prozent. Optimal seien Quoten im Bereich von 250 und 450 Prozent, weil dadurch auch andere wichtige Aspekte wie Diversifizierung zwischen versicherungstechnischen und Kapitalmarktrisiken oder Transparenz und Beitragsstabilität besser berücksichtigt werden könnten.
Apropos Beitragsstabilität: Eine große Stabilität vor weiteren Beitragssteigerungen, die seit 2013 im Schnitt um 2,8 Prozent pro Jahr innerhalb der PKV-Branche betrugen (GKV: + 3,4 Prozent), weisen laut Studie 14 Versicherer auf. Weitere 13 werden neutral eingestuft, und bei zehn Anbietern geht Zielke von weiteren Prämienerhöhungen aus, weil der Solvenzmix nicht optimal ist.
Zum Vergleich: Das brandaktuelle Rating PKV-Beitragsstabilität (externer Link) des Analysehauses Morgen & Morgen bestätigt auch 2023 mit 2,04 Prozent (2022: 2,07 Prozent) Anpassung die Tendenz der leichten Beitragssteigerung im Neugeschäft. Ergebnis: Von über 1.000 untersuchten Tarifen wird über der Hälfte mindestens eine sehr gute Beitragsstabilität attestiert. Die DEVK hat, wie bereits 2022, als einziger Akteur für alle untersuchten Tarife eine Fünf-Sterne-Bewertung erhalten. (dpo)
Kommentare
Es wird Zeit für die Politiker in die GKV zu überführen
AntwortenJa, es wird Zeit, dass die Raus aus ihrer IKEA-Welt kommen. Weil Sie es selber verbocken, es wird Zeit, das Politiker a) den vollen Beitrag zahlen Und genau die gleiche Leistung erhalten, b) wie die Bevölkerung mit Wartezeiten bis zu 2 Monaten. Und am besten als freiwillige gesetzlich versichert, damit endlich die 1.000 € bzw. bis zu 2.000 € für die GKV fällig wird. Selten so ein unfähiger "Hampelmann" entdeckt, wie der aktuelle. Der holt sich so viele Risiken in die GKV, bis diese wirtschaftlich implodieren. Wenn zukünftig eine Bürgerversicherung will, sollte gleichzeitig sein Reisepass abgeben und aufhören zu träumen wieder zu verreisen, weil er keine weitere Versicherung leisten kann, um den wirtschaftlichen Ruin durch eine Erkrankung abzuwehren. Es wird Zeit, das diese Versager aus dem Ministerium entfernt werden, denn die werden in den anderen Branchen gebraucht, wie bei Tönnies als Keuler oder Zerleger und Altenpflegeheime. Hauptsache kein weiteres dauerhaftes Elend in der GKV.
Bruno1968 am 09.07.23 um 01:49