Für 2022 schreiben die Lebensversicherer ihren Kunden erneut sinkende Zinsen gut – wie schon 2021 und 2020. Über alle analysierten Produktarten und Tarifgenerationen sinkt die laufende Verzinsung für 2022 im Marktdurchschnitt zwar wiederum nur marginal um 0,03 Prozentpunkte auf 2,61 Prozent (2020: 2,74 Prozent). Doch die Absenkung des Höchstrechnungszinses von 0,9 auf 0,25 Prozent im Neugeschäft erschwert die Kalkulation so stark, dass nur 21 Gesellschaften überhaupt noch klassische Policen anbieten, davon lediglich drei mit Riester-Renten.

"Das geringe Angebot verdeutlicht, wie stark das einstige Flaggschiff der Lebensversicherer in der Gunst der Anbieter mittlerweile gesunken ist", sagte Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Assekuranz Rating Agentur, bei Vorstellung der 20. Marktstudie "Überschussbeteiligungen und Garantien 2022", an der 46 Versicherer teilgenommen haben (Marktanteil nach Beitragseinnahmen: 73 Prozent).

Weniger Studienteilnehmer, aber auch weniger Angebote
Insgesamt waren 76 Versicherer angeschrieben worden, doch "je geringer der Zins, desto geringer auch die Auskunftsbereitschaft", so Will. So haben auch Maklerversicherer wie die Bayerische, Condor, Dialog, Ergo, Helvetia, LV 1871, WWK und Zurich keine Daten beigesteuert. Einige davon haben ihr Klassik-Angebot aber schon ganz oder teilweise eingestellt und setzen ausschließlich auf Fondspolicen oder Biometrie-Produkte.

Für 2022 bieten Klassik-Policen im Neugeschäft mit 0,25 Prozent Rechnungszins im Schnitt wie schon 2021 noch 2,13 Prozent laufende Verzinsung. Bei der klassischen KLV sind es 2,1 Prozent, bei der Privatrente 2,15 Prozent, bei der Riester-Rente 2,08 Prozent und bei der Basisrente 1,88 Prozent. "Andererseits haben viele Anbieter ihre Überschussbeteiligung konstant gehalten, so dass sich der Abwärtsdruck bei den Deklarationen mittlerweile deutlich verlangsamte", so Will weiter.

Rechnet man die aktuellen Deklarationen inklusive der in Aussicht gestellten Schlussüberschüsse auf einen 25-jährigen Mustervertrag hoch, so liegt die illustrierte Beitragsrendite im Schnitt bei 1,79 Prozent (Vorjahr: 1,88 Prozent). "Sie kann als unverbindliche Effektivverzinsung auf die Beiträge interpretiert werden und schneidet gegenüber anderen zinsgebundenen Sparanlagen immer noch ganz ordentlich ab", urteilt Will.

Auslaufmodell klassische Policen
"Die traditionelle Klassik ist ein Auslaufmodell", kommentiert Lars Heermann, Bereichsleiter für Analysen und Bewertungen bei Assekurata. "Stattdessen setzen weite Teile des Marktes auf Produkte der sogenannten Neuen Klassik, die wie klassische Produkte auf einer konventionellen Überschuss-Systematik sowie dem Ausgleich im Kollektiv und der Zeit basieren", erklärt der Analyst. Ein zentraler Unterschied liege jedoch in den Garantien, die herabgesetzt oder vollständig abgeschafft werden, damit der Kunde eine höhere Überschussbeteiligung erhalten kann.

Von den 23 Unternehmen, die mit der "Neuen Klassik" an der Studie teilgenommen haben (Vorjahr: 26), bieten die meisten mittlerweile einen individuellen Garantiezins von weniger als unter 0,25 Prozent und häufig gar nur noch den Erhalt des Sparbeitrags. Vereinzelt wird auch ganz auf einen Garantiezins verzichtet.

Illustrierte Beitragsrendite spricht für Neue Klassik
Zugleich sind fast alle Teilnehmer der Umfrage in der Neuen Klassik von der 100-Prozent-Beitragsgarantie abgewichen: Während neun Unternehmen komplett auf fixe Beitragsgarantien verzichten, gilt das Leistungsversprechen der restlichen 13 Gesellschaften nur für einen bestimmten Anteil der eingezahlten Bruttobeiträge (zumeist rund 90 Prozent). "Eine vollständige Bruttobeitragsgarantie scheint wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll darstellbar zu sein", stellt Heermann fest.

Bei der illustrierten Beitragsrendite (2,24 Prozent) stellt sich ein Renditevorteil der Neuen Klassik gegenüber der alten Klassik (1,79 Prozent) heraus. "Dies ist aufgrund des geringeren Garantieniveaus auch zu erwarten", sagt Heermann. Dennoch: Bei einer Inflationsrate von über drei Prozent (2021) erzielen im Durchschnitt sowohl Klassik als auch Neue Klassik oder Indexpolicen (bezogen auf die sichere Verzinsung) keine positive Realverzinsung. Dies erschwere laut Assekurata Kundenansprache und Vertrieb zusätzlich.

Indexpolicen haben Inflation auch nicht geschlagen
Apropos Indexpolicen, die 2021 relativ erfolgreich abgeschnitten haben und laut Studie 2021 zwischen 3,0 und über zehn Prozent Renditegutschrift erzielten: Alle 13 Umfrage-Teilnehmer verzichten inzwischen auf vollständigen Beitragserhalt, verlangen aber häufig weiter eine Mindestvertragslaufzeit. Dafür ist das Kapitalverlustrisiko für den Kunden ausgeschlossen. Der deklarierte laufende Überschusszins liegt im Schnitt bei 2,49 Prozent (Vorjahr: 2,48 Prozent) und damit höher als bei alten und Neuer Klassik.

Die sichere Verzinsung, die der Kunde für den Überschuss alternativ zur Indexbeteiligung wählen kann, liegt im Schnitt bei 2,22 Prozent (Vorjahr: 2,35 Prozent) und fällt damit niedriger aus als der laufende Überschusszins für die Indexbeteiligung – ein Beleg, dass die Versicherer Kunden primär zur Indexbeteiligung anreizen wollen, so die Studie. Gleichwohl ist er höher als bei alter und Neuer Klassik, was Indexpolicen für Kunden attraktiv machen soll.

Index schlägt sichere Verzinsung
Auf Basis der sicheren Verzinsung beträgt die illustrierte Beitragsrendite bei Indexpolicen im Schnitt jedoch wie schon im Vorjahr nur 1,7 Prozent. Der Kunde muss bei Wahl der sicheren Verzinsung mit einer illustrierten Beitragsrendite unterhalb der Inflationsrate rechnen, die schlechter ist als bei der alten Klassik. Wählt er dagegen die Indexbeteiligung, kann die Rendite deutlich höher ausfallen, ist aber im Vorhinein ungewiss und nicht nach einheitlichen Maßstäben prognostizierbar“, so der Warnhinweis in der Studie. Zudem seien Indexpolicen "teurer" kalkuliert: Der Effektivzins beträgt in den untersuchten Musterfällen im Schnitt 1,26 Prozent (alte Klassik: 0,9 Prozent; Neue Klassik: 1,02 Prozent).

Die 130-Seiten-Studie mit zahlreichen Einzelauswertungen auch zu Indexpolicen, Garantien und zur Zinszusatzreserve kann hier (externer Link) zum Preis von rund 1.807 Euro inklusive Mehrwertsteuer bestellt werden. (dpo)