Für 2023 schreiben die Lebensversicherer ihren Kunden erstmals seit 15 Jahren wieder steigende Zinsen gut – insbesondere im Vergleich zu 2022, 2021 und 2020. Über alle analysierten klassischen Produktarten und Tarifgenerationen steigt die laufende Verzinsung für 2023 im Marktdurchschnitt marginal auf 2,62 Prozent (2022: 2,55 Prozent). Doch der Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent im Neugeschäft erschwert die Kalkulation so stark, dass nur 13 Gesellschaften (Vorjahr: 21) überhaupt noch klassische Rentenpolicen anbieten.

"Die aktuelle Deklarationsrunde der Lebensversicherer steht erstmals seit langer Zeit wieder im Zeichen steigender Marktzinsen, allerdings spiegeln sich diese in den Überschussbeteiligungen erst allmählich wider", sagte Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Assekuranz Rating Agentur, am Donnerstag bei Vorstellung der 21. Marktstudie "Überschussbeteiligungen und Garantien 2023", an der 43 (Vorjahr: 46) Versicherer teilgenommen haben (Marktanteil nach Beitragseinnahmen: 70 Prozent).

Abrupter Zinsanstieg kommt zeitversetzt bei Überschüssen an
"Dass sich der abrupte Zinsanstieg am Kapitalmarkt nicht eins zu eins bei den Überschussbeteiligungen niederschlägt, ist den Eigenschaften des Geschäftsmodells geschuldet", so Will weiter. Einerseits dauere es viele Jahre, bis der höhere Marktzins in der Kapitalanlage von Lebensversicherern ankommt, andererseits seien durch die Zinswende stille Lasten in den Bilanzen entstanden. Daher sei es nicht verwunderlich, dass viele Anbieter in ihrer Überschusspolitik noch zurückhaltend sind, wenngleich sich die langfristige Ertragsperspektive mit dem Zinsaufschwung verbessert habe.

Insgesamt waren wieder 76 Versicherer angeschrieben worden, doch "je geringer der Zins, desto geringer auch die Auskunftsbereitschaft", so Will. Viele Nichtteilnehmer haben ihr Klassik-Angebot aber schon ganz oder teilweise eingestellt und setzen ausschließlich auf Fondspolicen oder Biometrie-Produkte.

Erstmaliger Anstieg laufender Verzinsung seit 15 Jahren
Für 2023 bieten Klassik-LV-Policen im Neugeschäft mit 0,25 Prozent Rechnungszins im Schnitt 2,22 Prozent laufende Verzinsung (Vorjahr: 2,13 Prozent). Bei der klassischen Privatrente sind es 2,26 Prozent (Vorjahr: 2,15 Prozent) und bei der Basisrente 1,95 Prozent (Vorjahr: 1,88 Prozent). "Dies hat historischen Charakter, denn der letzte Anstieg erfolgte letztmals vor 15 Jahren", sagte Will.  

Die deklarierte Gesamtverzinsung, die neben den laufenden Überschüssen auch Schlussüberschusskomponenten berücksichtigt, korrespondiert laut Assekurata mit der Entwicklung bei der laufenden Verzinsung. Rechnet man die aktuellen Deklarationen auf einen 25-jährigen Mustervertrag einer Privatrente hoch, so kletterte die illustrierte Beitragsrendite im Schnitt um elf Basispunkte auf 2,81 Prozent. Dies könne als unverbindliche Effektivverzinsung auf die Beiträge interpretiert werden.

Bei stillen Lasten keine Beteiligung an Reserven mehr möglich
"Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren kommt bei den meisten Anbietern zum Vertragsende allerdings keine weitere Beteiligung an den Bewertungsreserven mehr hinzu", ergänzte Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. "Hier wirken sich durch den abrupten Zinsanstieg aufgelaufene stille Lasten der Zinsanlagen in den Büchern der Lebensversicherer unmittelbar aus, wodurch häufig keine zu verteilenden Bewertungsreserven mehr vorhanden sind."

Weite Teile des Marktes setzen inzwischen auf Produkte der sogenannten Neuen Klassik, die wie klassische Produkte auf einer konventionellen Überschuss-Systematik sowie dem Ausgleich im Kollektiv und der Zeit basieren. "Ein zentraler Unterschied liegt jedoch in den Garantien, die herabgesetzt und in der Regel endfällig gestaltet werden, damit der Kunde eine höhere Überschussbeteiligung erhalten kann", erklärt der Analyst. Zumeist beinhalten die Tarife demnach eine reduzierte Beitragsgarantie von rund 90 Prozent.

Illustrierte Beitragsrendite spricht für Neue Klassik
Von den 21 Unternehmen, die mit der Neuen Klassik an der Studie teilgenommen haben (Vorjahr: 23), hoben zwölf die laufende Verzinsung 2023 im Neugeschäft an. Aktuell liegt die laufende Verzinsung der betrachteten Neugeschäftstarife mit maximal 0,25 Prozent Rechnungszins laut Assekurata bei durchschnittlich 2,19 Prozent (Vorjahr: 2,05 Prozent) und somit nur leicht oberhalb der alten Klassik mit 2,14 Prozent (Vorjahr: 2,01 Prozent).

Bei der illustrierten Beitragsrendite von 2,31 Prozent (Vorjahr: 2,24 Prozent) stellt sich ein Renditevorteil der Neuen Klassik gegenüber der alten Klassik mit 1,92 Prozent (Vorjahr: 1,79 Prozent) heraus. "Dies ist aufgrund des geringeren Garantieniveaus auch zu erwarten", sagt Heermann. Dennoch: Bei einer Inflationsrate von knapp sieben Prozent (Januar 2023) erzielen im Durchschnitt Klassik, Neue Klassik oder Indexpolicen (bezogen auf die sichere Verzinsung) keine positive Realverzinsung. Dies erschwert laut Assekurata Kundenansprache und Vertrieb.

Indexpolicen mit schwierigem Jahr
Apropos Indexpolicen, die 2021 relativ erfolgreich abgeschnitten hatten: Sie schafften 2022 laut Studie wegen des schwierigen Indexjahres kaum positive Renditen: Alle zwölf Umfrage-Teilnehmer verzichten inzwischen auf vollständigen Beitragserhalt, verlangen aber häufig weiter eine Mindestvertragslaufzeit. Dafür ist das Kapitalverlustrisiko für den Kunden ausgeschlossen. Der deklarierte laufende Überschusszins für die sichere Verzinsung jenseits der Indexanlage liegt im Schnitt bei 2,24 Prozent (Vorjahr: 2,22 Prozent).

Auf Basis der sicheren Verzinsung beträgt die illustrierte Beitragsrendite bei Indexpolicen im Schnitt jedoch wie schon im Vorjahr nur 1,7 Prozent, über den Zeitraum der vergangenen sieben Jahre – so lange gibt es Indexpolicen – rund 2,7 Prozent. Wählt der Kunde dagegen die Indexbeteiligung, kann die Rendite deutlich höher ausfallen, ist aber im Vorhinein ungewiss und nicht nach einheitlichen Maßstäben prognostizierbar.

Vergleich der Effektivkosten über alle Produkte
Die Effektivkosten fallen bei Indexpolicen mit 1,37 Prozent (Vorjahr: 1,26 Prozent) höher aus als im Branchenschnitt der alten Klassik (0,94 Prozent) und der Neuen Klassik (1,07 Prozent). Bei den erstmals untersuchten Fondspolicen mit Garantien liegen die Effektivkosten im Schnitt bei relativ niedrigen 1,21 Prozent, wobei Assekurata unter den 20 Teilnehmern eine Spannweite zwischen 0,57 Prozent und 2,17 Prozent festgestellt hat. (dpo)


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