Wie hoch die Aktienquote in einem Depot ausfallen sollte, hängt in erster Linie natürlich vom finanziellen Risikoprofil und den Anlagezielen des Kunden ab. Soll ein Vermögen auf ein bestimmtes Datum hin gemanagt werden, das lange in der Zukunft liegt, bieten sich dagegen sogenannte Lebenszyklus- oder Target-Date-Konzepte an: Anfangs kann das Geld dann gerne komplett in Aktien stecken. Doch je näher der Tag X rückt, umso sicherer sollte das Vermögen investiert sein – zu hoch wäre sonst das Risiko, im letzten Moment kalt von einem Börsencrash erwischt zu werden.

Solche Modelle gibt es schon lange, sonderlich verbreitet sind sie hierzulande aber nicht. "Die Target-Fonds entstanden Anfang der 1990er Jahre in den USA", berichtet Christof Quiring, Leiter "Workplace Investing" bei Fidelity International in Kronberg. "Ausschlaggebend war die Erfahrung, dass sich viele Arbeitnehmer bei ihren 401k-Pensionsplänen am Anfang einmal für eine Anlagestrategie entscheiden und diese dann über Jahrzehnte nicht anfassen."

Eine der volumenstärksten Fondsgruppen in den USA…
So kam es, dass manche Arbeitnehmer selbst kurz vor der Rente fast nur Aktien im Depot hatten, ohne sich der damit verbundenen Risiken wirklich bewusst zu sein. Andere wiederum entschieden sich in jungen Jahren für eine viel zu hohe Rentenquote – und verzichteten so auf hohe Renditechancen. "Die Target-Fonds wurden entwickelt, damit sich die Arbeitnehmer um nichts mehr kümmern müssen", so Quiring.

In den meisten 401k-Pensionsplänen seien Target-Fonds als "Default-Option" hinterlegt, erläutert der Fidelity-Manager. "Das heißt: Entscheidet sich der Arbeitnehmer nicht bewusst für andere Investmentprodukte, bespart er einen Target-Fonds." So kommt es, dass die Produktgruppe in den USA im Laufe der Jahre zu einer der volumenstärksten Fondskategorien heranwuchs. "Unsere Schwestergesellschaft Fidelity Investments in den USA ist Marktführer auf diesem Gebiet. Darum lag für uns die Idee natürlich nahe, entsprechende Fonds auch in Deutschland anzubieten", sagt Quiring.

… während es in Deutschland kaum Anbieter gibt
Fidelity International hat aktuell neun Target-Fonds im Programm, der jüngste trägt das Jahr 2060 als Zieldatum im Namen. In Summe verwalten die Portfolios immerhin knapp fünf Milliarden Euro. Damit ist Fidelity auch hierzulande Marktführer – was angesichts der überschaubaren Konkurrenz allerdings auch nicht verwundern darf. Allianz Global Investors bietet mit der "Allianz Finanzplan"-Reihe entsprechende Produkte an, die allerdings nicht frei vertrieben werden, sondern ausschließlich im Versicherungsmantel zum Einsatz kommen.

Die DWS verabschiedete sich vor einigen Jahren aus dem Segment, das sie zuvor mit ihren "Flexpension"-Fonds bedient hatte. In zwei Wellen 2016 und 2019 liquidierte sie die Portfolios, die einst fast acht Milliarden Euro verwalteten. Der Grund: Die DWS hatte das Lebenszykluskonzept um Garantien erweitert, die in der Nullzinsphase bekanntlich sehr teuer und somit zum Renditekiller geworden waren.

Bleibt die Deka, die 2005 mit der "Zielfonds"-Reihe in das Segment einstieg. Die ersten drei damals aufgelegten Fonds werden auf das Enddatum 2024, 2029 beziehungsweise 2034 hin gemanagt. Zwei Jahre später folgten vier weitere Produkte, die bis 2039, 2044, 2049 und 2054 laufen sollen.

Kaum Geschäft außerhalb der betrieblichen Altersversorgung
Bei Fidelity stammen rund 80 Prozent des Fondsvolumens aus Pensionsplänen. Quiring macht deutlich, dass die Target-Fonds auch außerhalb der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ihre Berechtigung haben. Er selbst schloss beispielsweise für seine Kinder Sparpläne auf die hauseigenen Fonds ab. Mit diesem Geld sollen sie eines Tages ihre Ausbildung finanzieren.

Für den Vertrieb der Deka-"Zielfonds" spielen die bAV oder Versicherungslösungen keine Rolle. Vermarktet wurden die Fonds von den Sparkassen an Kunden mit entsprechend langfristigen Anlagezielen. Die Nachfrage hielt sich allerdings im Rahmen, aktuell bringt die Fondsserie in Summe 180 Millionen Euro auf die Waage. Henning Möller, der bei der Deka das Portfoliomanagement der fondsgebundenen Vermögensverwaltung leitet, führt das unter anderem darauf zurück, dass seinerzeit staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte wie Riester immer beliebter wurden, die zudem mit einer harten Garantie des eingesetzten Kapitals punkten konnten – anders als die Lebenszyklusfonds. "Deren Grundidee hat unserer Meinung nach aber immer noch Charme", betont Möller. "Das Umschichten des Portfolios, das im Laufe der Jahre sonst aktiv begleitet werden muss, geschieht bei den 'Target-Fonds' ganz automatisch."

Schwierig für den Berater: Er ist deutlich seltener gefragt
Fidelity-Manager Quiring kann sich über fehlende Nachfrage nach seinen Produkten nicht beklagen, schließlich hat sich deren Volumen in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht. Auch im turbulenten Jahr 2022 habe es jeden Monat Zuflüsse gegeben – den langfristig abgeschlossenen Pensionsplänen sei Dank. Doch auch ihm ist bewusst, dass es schwierig ist, Privatinvestoren außerhalb der bAV für sein Produkt zu begeistern.

"Man muss schon Überzeugungsarbeit leisten, wenn man einen Anleger dazu bewegen möchte, anfangs zu 100 Prozent in Aktien zu investieren", nennt er einen Grund. Ein weiteres Argument zielt nicht auf die Kunden, sondern auf den Vertrieb ab: "Nutzen Anleger einen Target-Fonds, benötigen sie deutlich weniger Beratung." Sprich: Die Zahl der Beratungsanlässe würde sinken, was mit dem Geschäftsmodell der meisten Finanzvertriebe nicht wirklich vereinbar ist. (bm)


Der vollständige Beitrag über Lebenszyklusfonds ist in FONDS professionell 1/2023 ab Seite 136 erschienen. Angemeldete Nutzer können ihn auch hier im E-Magazin abrufen.