Erneut hat ein Gericht Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung (PKV) für unwirksam erklärt. Dem Landgericht Verden waren die Begründungen nicht plausibel genug. Daher entschied es mit Urteil vom 25. Juli 2022, dass der Versicherer zur Rückzahlung unzulässiger Beitragsanpassungen verpflichtet ist (Az.: 8 O 315/21 – nicht rechtskräftig).

"Gerichte bestätigen immer häufiger, dass viele Tariferhöhungen unwirksam sind und PKV-Versicherte erfolgreich Geld zurückfordern können", sagt Rechtsanwalt Christopher Kress, Partner der Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann (AKH-H) in Esslingen, der das Urteil gegen die SDK Süddeutsche Krankenversicherung erstritten hat.

Ein Mann ist bei der SDK privat kranken- und pflegeversichert. Mehrfach wurden seine Beiträge erhöht und er zahlte prompt. Die Anpassungen hatte der Versicherer jeweils durch Schreiben ein bis zwei Monate vor dem Erhöhungszeitpunkt angekündigt. Zuletzt ließ der Kunde die Schreiben durch die Anwaltskanzlei überprüfen und wehrte sich dann dagegen, da sein Anwalt die Anpassungen für unzulässig hielt.

Urteil wegen unzulässiger PKV-Beitragsanpassung
Dem folgte das Landgericht: Erhöhungen in verschiedenen Tarifen seien formell unwirksam und damit nichtig. Die Schreiben hätten nicht den Anforderungen des Paragrafen 203 Absatz 5 VVG (externer Link) entsprochen. Der besagt: Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

Letzteres wurde der SDK zum Verhängnis. Grundsätzlich gilt, dass Versicherer Beitragserhöhungen plausibel und ausführlich begründen müssen. "Eine nur allgemeine formelhafte Mitteilung erfüllt die Voraussetzungen für eine wirksame Erhöhung nicht", so Kress. In den betreffenden Mitteilungsschreiben verwies die SDK lediglich darauf, dass das Ob und Wann einer Beitragsanpassung gesetzlich geregelt ist, informierte aber nicht, ob und inwiefern eine Überschreitung des Schwellenwertes festgestellt wurde, die eine Beitragserhöhung rechtfertigen würde.

Wenn Schwellenwerte überschritten sind, sollte Kunde es erfahren
Hintergrund: In der PKV müssen erst einer von zwei Schwellenwerten überschritten werden, ehe die Beiträge erhöht werden dürfen: Die Leistungsausgaben steigen mehr als zehn Prozent gegenüber der Kalkulation oder die statistische Sterblichkeit sinkt über fünf Prozent gegenüber der verwendeten Sterbetafel. Beide Faktoren lösen Beitragssprünge aus und heißen deswegen auch "auslösende Faktoren". Solange diese Faktoren nicht anschlagen, bleibt der Beitrag stabil – oft über Jahre. Ist der Grenzwert erreicht, werden mit der neuen Beitragskalkulation auch Anpassungen aus den Vorjahren nachgeholt.

Die SDK muss dem Kunden nun die zu viel gezahlten Erhöhungen komplett erstatten. Sämtliche unwirksamen Prämienanpassungen haben laut Gericht auch Auswirkungen in die Zukunft. Schon deswegen dürfte die SDK Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle einlegen.

OLG Köln vom BGH eingefangen
Vor knapp zwei Jahren hatte schon ein Urteil des OLG Köln für Aufsehen in der PKV-Branche gesorgt. Die OLG-Richter erkannten bei vielen Versicherern eine "unwirksame Klausel" in den Bedingungen, die sich auf die Musterbedingungen von 2009 des PKV-Verbandes stützten (Az.: 9 U 237/19 – externer Link). Dadurch wurden zahllose Beitragsanpassungen hinfällig, verbunden mit viel Aufwand und Einbußen für die Anbieter.

Demnach sollte die DKV Deutsche Krankenversicherung einem Kunden 9.500 Euro zurückzahlen. Das Urteil wurde jedoch nicht rechtskräftig und landete vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die obersten Zivilrichter stellten mit ihrer Entscheidung das Urteil der ersten Instanz vom Landgericht Köln wieder her (Az.: IV ZR 253/20). Die DKV musste doch nicht zahlen.

Höhere Beiträge bei Überschreitung der kalkulierten Schwellenwerte
Begründung: Die entscheidende Klausel (Paragraf 8b Absatz1 MB/KK) weicht laut BGH nicht zum Nachteil des Kunden von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab (Paragraf 203 Absatz 2 VVG) und sei damit wirksam. Mit der Klausel in Verbindung mit den Tarifbedingungen der DKV mache der Versicherer von der gesetzlich erlaubten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von zehn auf fünf Prozent abzusenken (nach Paragraf 155 Absatz 3 Satz 2 VAG).  

Prämienerhöhungen müssen jedoch weiterhin ausreichend begründet werden. Dies hatte zuletzt auch das Landgericht Berlin entschieden (Az.: 4 O 138/21). Die Mitteilungsschreiben zur Beitragserhöhung seien bereits formell unwirksam, wenn sie den Maßstäben des Paragrafen 203 VVG zuwiderliefen. Soll heißen: Der Kunde kann nicht erkennen, welche der beiden Berechnungsgrundlagen (Veränderung der Versicherungsleistung oder der Sterbewahrscheinlichkeit im Vergleich zum Vorjahr) das Anpassungsverfahren ausgelöst hat.

BGH hat im Prinzip alle Problemfelder bereits ausgeurteilt
Der Kunde muss die Beitragsanpassung nachvollziehen können, sagt aber auch der BGH in einem Urteil vom 16. Dezember 2020 und hat entschieden, wann die Begründung einer Beitragserhöhung formal falsch und damit unwirksam ist (Az.: IV ZR 314/19 – externer Link).

Der Versicherer muss demnach aber nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er muss auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, etwa den Rechnungszins, angeben. (dpo)