Urteil: BGH entscheidet über Beitragsanpassungen in der PKV
Bei Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung monieren Kunden oft unzureichend begründete Prämienanpassungen. Doch selbst wenn Fehler passieren, kann die Anpassung rechtens sein, entschied nun der Bundesgerichtshof.
Der Fall ist beinahe skurril: Ein Kunde beschwerte sich, dass der Versicherer Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB) verwendet hat, um die Höhe der Beitragsanpassung zu dämpfen. Normalerweise ist es umgekehrt: Kunden beschweren sich, weil zu hohe Beitragsanpassungen erfolgen. Solche Beitrags-Limitierungsmaßnahmen sind eine heikle Sache und müssen fehlerfrei erfolgen.
Doch selbst wenn dabei Fehler passieren, bleibt die entsprechende Nachkalkulation, die zur Beitragserhöhung führt, wirksam. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20. März 2024 (Az.: IV ZR 68/22). Damit wurde eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin, das die Prämienanpassung für materiell unwirksam gehalten hatte (Az.: 6 U 88/18), nicht bestätigt.
Wie Prämienerhöhungen funktionieren
"Eine Prämienanpassung vollzieht sich in zwei Schritten", erklärt der BGH in einer Pressemeldung. Das eigentliche Urteil und die Entscheidungsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Die Prämie werde zunächst anhand der geänderten Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert. In einem Gerichtsverfahren habe der Versicherer zu beweisen, dass diese Nachkalkulation den gesetzlichen Anforderungen entspricht. In einem zweiten Schritt kann die Beitragserhöhung durch die Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen für Beitragserstattungen (RfB) limitiert werden.
Bei einer gerichtlichen Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen sind laut BGH lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten geeignet, einen materiellen Verstoß gegen den Prüfungsmaßstab für die Maßnahmen zu begründen. Eine Motiv- oder Begründungskontrolle der vom Versicherer getroffenen Limitierungsentscheidung finde nicht statt.
Beweislast liegt beim Kunden
Besonders ärgerlich aus Kundensicht: Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast dafür, dass die Limitierungsentscheidung den Anforderungen des Paragrafen 155 Absatz 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist, schreibt der BGH. Der Umstand, dass der Kunde die internen Verhältnisse des Versicherers nicht kennen kann, führe allerdings zu einer sekundären Darlegungslast des Versicherers. Er hat zu den Parametern, die der Limitierungsentscheidung zugrunde liegen, näher vorzutragen. Die Komplexität des Sachverhalts ist unverkennbar.
Ob die Prämienanpassung wirksam war, ist noch unklar. Der BGH hat die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen, damit es die Prüfung der Prämiennachkalkulation nachholen und, falls diese Prüfung keine Fehler ergibt, die Limitierungsmaßnahme unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des BGH neu beurteilen kann.
Schwellenwerte bei Beitragsanpassungen
Für Beitragsanpassungen gilt: In der PKV muss erst einer von zwei Schwellenwerten überschritten werden, ehe die Beiträge erhöht werden dürfen. Entweder steigen die Leistungsausgaben um mehr als zehn Prozent gegenüber der Kalkulation oder die statistische Sterblichkeit sinkt über fünf Prozent gegenüber der verwendeten Sterbetafel. Beide Faktoren lösen Beitragssprünge aus und heißen deswegen auch "auslösende Faktoren". Solange diese Faktoren nicht gegeben sind, bleibt der Beitrag stabil – oft über Jahre. Ist der Grenzwert erreicht, werden mit der neuen Beitragskalkulation auch Anpassungen aus den Vorjahren nachgeholt.
Der BGH hatte unter anderem am 17. Juli 2023 entschieden: Eine Prämienanpassungsklausel in der PKV, nach welcher der Versicherer die Beiträge bei einer Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen um mehr als fünf Prozent überprüfen und anpassen kann, aber nicht muss, weicht nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab und benachteiligt diesen auch nicht unangemessen.
Versicherer müssen Anpassungen weiter genau begründen
Für Kunden kann es weiter sinnvoll sein, gegen Ankündigungen zur PKV-Beitragserhöhung vorzugehen. Die müssen nämlich mehr als nur den bloßen Hinweis auf einen allgemeinen Anstieg der medizinischen Kosten enthalten. Ansonsten sind sie unwirksam. So muss der Kunde die Beitragsanpassung nachvollziehen können, erklärte der BGH in einem Urteil vom 16. Dezember 2020 und entschied, wann die Begründung einer Beitragserhöhung formal falsch und damit unwirksam ist (Az.: IV ZR 314/19).
Grundsätzlich gilt, dass Versicherer Beitragserhöhungen plausibel und ausführlich begründen müssen, urteilte der BGH 21.Juli 2021 (Az.: IV ZR 191/20 und 23. Juni 2021 (Az.: IV ZR 250/20). Die Voraussetzungen für Begründungsschreiben zur Beitragserhöhung sind gesetzlich geregelt. (dpo)