Im vergangenen Jahr zahlten die Versicherer für Schäden durch Naturkatastrophen 5,5 Milliarden Euro aus (Vorjahr: 5,4 Milliarden Euro). "Im Vergleich zum historischen Schadendurchschnitt, der seit Mitte der 1970er Jahre bei rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr liegt, zeigen sich hier deutliche Folgen des Klimawandels", sagte Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Assekuranz-Rating-Agentur, kürzlich bei der Vorstellung des Marktausblicks 2025 seines Hauses zur Schaden- und Unfallversicherung. Die Versicherer müssten sich dauerhaft auf häufigere und kostspieligere Schäden durch extreme Wetterereignisse einstellen.

Die neue Bundesregierung will nach jahrelangen politischen Debatten endlich eine Versicherung gegen Elementarschäden zur Pflicht machen. Laut Koalitionsvertrag soll im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenzusatz angeboten werden, und im Bestandsgeschäft sollen sämtliche Wohngebäudepolicen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden. Ob dieses Modell eine harte Pflicht wird oder mit einer Opt-out-Lösung zu versehen ist, soll erst noch geprüft werden. Um die langfristige Rückversicherbarkeit zu sichern, soll eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden kommen. "Die Versicherungsbedingungen werden weitgehend reguliert", heißt es im Koalitionsvertrag.

Pflichtversicherung noch mit vielen Fragezeichen
Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) warnte jüngst in einem Fachgespräch davor, die Einführung einer solchen Pflichtversicherung als einfache Antwort auf zunehmende Klimarisiken zu verstehen. "Der Versicherungsschutz funktioniert nur dann nachhaltig, wenn er mit weitgehend risikogerechten Prämien, effektiver Prävention und einem gesicherten Kumulschutz einhergeht", sagte DAV-Past-President Maximilian Happacher, im Hauptberuf Vorstandsmitglied der Ergo International.

Angesichts zunehmender Schäden durch Starkregen, Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse, die aufgrund des Klimawandels anders als früher jeden überall treffen können, sei eine verpflichtende Elementarschadenversicherung naheliegend. Es blieben aus aktuarieller Sicht aber noch viele zentrale Fragen offen. "Eine Pflichtversicherung allein verhindert keine Schäden – wenn risikogerechte Prämien und gezielte Prävention fehlen, kann sie sogar Fehlanreize schaffen", so Happacher.

Gesamtkonzept muss Raum- und Bauleitplanung einbeziehen
Die DAV fordert daher von der Politik ein Gesamtkonzept, das auf risikobasierten Prämien fußt und einen solidarischen Prämienausgleich nur für Extremrisiken erlaubt. Zudem sei ein gesichert verfügbarer Kumulschutz notwendig, der gegebenenfalls in Form eines ergänzenden staatlichen Rückversicherers und einer staatlichen Stop-Loss-Garantie geschaffen werden könnte. Auch eine klare Verantwortung der öffentlichen Hand in der Raum- und Bauleitplanung bei Hochwasserschutz und dem Ausweis von Baugebieten sei unabdingbar, um Schadenpotenziale gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Versicherungsaktuare warnen auch vor zu starker Regulierung. Durch Vorgaben für die Prämienhöhe zum Beispiel bestehe die Gefahr, dass sich immer mehr Versicherer aus dem Markt zurückziehen – derzeit sei dies etwa in den USA zu beobachten. Folge: Bezahlbare Policen für Wohngebäude seien oft nicht mehr verfügbar.

Opt-out oder Pflicht?
Tatsächlich schließen in Deutschland bislang erst rund 54 Prozent der Neukunden von Wohngebäudeversicherungen auch den Elementarschadenschutz mit ein. Daher bleibt das Thema Pflichtversicherung für Elementarschäden akut. Nach Schätzungen von Assekurata betreiben über 20 Gebäudeversicherer eine Art Opt-out für den Elementarschadenschutz: Der Kunde kann den inkludierten Elementarschadenzusatz also abwählen. Davon machen viele angesichts generell steigender Beiträge für die Wohngebäudeversicherung Gebrauch.

Laut Assekurata stiegen die Beitragseinnahmen 2024 um satte zwölf Prozent. "Zu Jahresbeginn 2025 haben viele Wohngebäudeversicherer ihre Beiträge erneut angehoben, und zwar über die üblichen Indexanpassungen hinaus", beobachtet Dennis Wittkamp. "Dies ist ein klares Zeichen für den wachsenden Ertragsdruck", so der Fachkoordinator Schaden- und Unfallversicherung bei Assekurata weiter.

Staatliche Rückversicherung und mehr Bauverbote durch öffentliche Hand
Große Veränderungen in der Branche erwartet Assekurata durch die Pläne zur Einführung einer Pflichtversicherung. "Herausfordernd bleibt die Frage, wie Versicherer dauerhaft bezahlbare und risikogerechte Prämien anbieten können – eine Pflicht zur Versicherung für alle Gebäude könnte die Branche überfordern", warnt auch Wittkamp. "Staatliche Rückversicherungslösungen – etwa nach französischem Vorbild – bieten hier eine zweckmäßige Ergänzung, ebenso ein solidarisch finanzierter Beitragszuschlag für alle", so Wittkamp weiter.

Auch politische Begleitmaßnahmen seien nötig, etwa die angekündigten Anpassungen im Baurecht. Baustopps in Überschwemmungsgebieten seien ein wichtiger Schritt, weitere Empfehlungen aus dem GDV-Leitfaden "Build Back Better" (externer Link) – wie der Einsatz wasserresistenter Baustoffe oder der Einbau von Rückstauklappen – sollten folgen, rät Assekurata-Chef Will.

Umsetzung weitgehend noch offen
Vieles sei zur Ausgestaltung noch offen. Aktuar Happacher nennt dabei diese Punkte: Opt-out oder harte Pflicht, die Risikogerechtigkeit der Prämien (war bislang unstrittig, steht aber nicht im Koalitionsvertrag), die Bedeutung des Begriffs "Risikogerechtigkeit", der Einschluss des Risikos Sturmflut in die Pflichtversicherung, die Ausgestaltung des staatlichen Rückversicherers und die Einführung einer staatlichen Stop-Loss-Garantie.

"Es braucht weitgehend risikobasierte Prämien und den solidarischen Prämienausgleich wirklich nur für die Extremrisiken", erklärte Happacher. "Eine Pflicht macht die Versicherung nicht preisgünstiger." (dpo)