FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

351 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 Rücknahmepreis von 2017 sowie bei wieder- anlegenden Fonds die Höhe der thesaurierten Erträge. Zusätzlich müssen den depotführen- den Stellen die Anschaffungskosten der fiktiv zurückgekauften Fondsanteile vorliegen. Denn diese reduzieren bei einem späteren tatsächlichen Verkauf von Anteilen natürlich den steuerpflichtigen Veräußerungserlös. Mit welchen Werten die Depotbanken zu rechnen haben, gibt Paragraf 56 Absatz 2 des Investmentsteuergesetzes vor: „Als Veräuße- rungserlös und Anschaffungskosten ist der letzte im Kalenderjahr 2017 festgesetzte Rück- nahmepreis anzusetzen.“ Bei deutschen the- saurierenden Portfolios gibt es hier eine Besonderheit. Der Rücknahmepreis und damit der fiktive Veräußerungserlös und die fiktiven Anschaffungskosten sind um die Steuerliqui- dität zu mindern, die Kapitalgesellschaften für die 2017 thesaurierten Erträge noch einmal bereitstellen. „Man muss bedenken, dass die Kapitalver- waltungsgesellschaften die Rücknahmepreise all ihrer Fonds und die Höhe sämtlicher 2017 thesaurierter Erträge bis zum 31. Dezember vergangenen Jahres melden mussten“, sagt Iris Ade, Fachspezialistin Kundensteuern der Comdirect. Häuser, deren Geschäfts- nicht dem Kalenderjahr entspricht, hatten ein Rumpfgeschäftsjahr einzulegen, ihre Daten al- so früher als sonst zur Verfügung zu stellen. „Ausschüttende Fonds, bei denen dies der Fall war, wurden zudem ‚Zwangsthesaurierung‘ unterworfen“, sagt Ade. „Die Bereitstellung dieser Flut von Daten stellte die Fondsgesellschaften vor eine enor- me Herausforderung“, sagt Ade. Nicht alle konnten sie offenbar bewältigen oder aber die Datenprovider waren überlastet. Was auch im- mer die Gründe waren, klar ist, dass unzählige Werte zum Jahreswechsel 2017/ 2018 noch nicht bei Providern wie WM Da- tenservice eingespielt waren. Auch bis März lagen den Depotbanken nach eigenen Aussa- gen noch nicht alle Rücknahmepreise und 2017 thesaurierten Erträge vor. Solange die Depotbanken nicht mit den korrekten Daten rechnen können, müssen sie behelfsmäßig auf eine Schätzmethode oder eine Ersatzbemessungsgrundlage zurückgrei- fen. Sobald die echten Werte verfügbar sind, werden die Berechnungen korrigiert. Dies hat bei Banken wie der Comdirect, die Anlegern Abrechnungen geschickt haben, zu mehrfa- chen Berichtigungen geführt – auch wenn der Anleger gar keine Anteile verkauft hat und das Hin und Her keine Auswirkungen auf sein Konto hatte. Andere depotführende Stellen wie die Augsburger Aktienbank, Ebase, die FIL Fondsbank oder die ING-Diba versenden solche Abrechnungen nach eigenen Angaben ohnehin erst, wenn Anleger Fondsanteile tat- sächlich verkaufen. Liegen dann der Rück- nahmepreis oder die Höhe der 2017 thesau- rierten Erträge noch nicht vor, können Schät- zungen und Ersatzbemessungsgrundlage auch auf das Konto durchschlagen. Weder neu noch abenteuerlich „Liegen uns zum Zeitpunkt der tatsäch- lichen Veräußerung keine Angaben zu den 2017 thesaurierten Erträgen vor, so werden diese mit dem Vorjahreswert geschätzt“, er- läutert Steuerexpertin Ade. Ist auch kein Vor- jahreswert bekannt, beläuft sich die Schätzung auf sechs Prozent des letzten im abgelaufenen Geschäftsjahr festgesetzten Rücknahme- preises. Diese Methode ist allerdings – anders als zuweilen zu lesen – weder abenteuerlich noch wurde sie mit dem Investmentsteuer- reformgesetz neu eingeführt (siehe Kasten Seite 351). „Konnten wir die fiktive Veräußerung per 31. Dezember 2017 noch nicht durchführen, etwa weil noch keine Informationen zum letz- ten im Kalenderjahr 2017 festgesetzten Rück- nahmepreis zur Verfügung standen, fehlten uns auch die fiktiven Anschaffungskosten“, sagt Ade. Daher kann die Bank den steuer- pflichtigen Veräußerungserlös aus dem tat- sächlichen Verkauf nicht ermitteln. In diesem Fall dürfen sich die Institute der steuerlichen Ersatzbemessungsgrundlage (siehe Kasten Seite 351) bedienen. Dann berechnen sie 25 Prozent Abgeltungsteuer auf 30 Prozent des Veräußerungserlöses. Die klar voneinander zu trennenden Bedin- gungen, unter denen die beiden „Hilfskon- struktionen“ angewandt werden dürfen, zei- Andreas Beys, Sauren: „Der Vermögenszuwachs von vor 2018 wird erst beim tatsächlichen Verkauf versteuert.“ Zum letzten Mal: Wie Fondserträge bisher besteuert wurden Um zu verstehen, wie es zu den – vermeintlichen – Un- gereimtheiten in vielen Steuermitteilungen kommt, die Anleger seit Jahresbeginn von ihren deutschen depot- führenden Stellen erhalten haben, ist es gut, sich einige der bisher geltenden Regelungen vor Augen zu führen. Denn: Vorübergehend überhöhte Steuerzahlungen sind nicht allein den Vorschriften des Investmentsteuerreform- gesetzes geschuldet. Ausländische thesaurierende Fonds: Ausländische Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) stellen – anders als inländische – den deutschen depotführenden Stellen keine Liquidität für die Steuerzahlungen auf jährlich thesaurierte ausschüttungsgleiche Erträge zur Verfügung. Daher mussten Inhaber solcher Fondsanteile die laufenden Erträge bislang über ihre Einkommensteuererklärung ver- steuern. Verkaufte ein Anleger Anteile an einem solchen Portfolio, kam es zu einer zeitweisen Doppelbesteuerung. Der deutsche Fiskus konnte nicht sicher sein, dass der Anleger während der Haltedauer alle thesaurierten Fonds- erträge immer korrekt deklariert hatte. Daher belastete die depotführende Stelle dem Anleger noch einmal Kapital- ertragsteuer auf alle thesaurierten Erträge, die sich wäh- rend der Haltedauer angesammelt hatten. Zu viel gezahlte Steuern musste sich der Anleger mit seiner nächsten Einkommensteuer zurückholen. Schätzung: Nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres hatten deutsche und ausländische KVGs vier Monate Zeit, um die Höhe der thesaurierten Erträge zu melden. Deutsche Gesellschaften veröffentlichten die Daten in der Regel sofort, ausländische KVGs ließen sich dafür Zeit. Verkaufte ein Anleger Anteile an ausländischen thesaurierenden Fonds kurz nach dem Ende des Geschäftsjahres der KVG, lag die Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge für die vorangegangenen zwölf Monate meist noch nicht vor. In diesem Fall wurde sie geschätzt. Sofern der Vorjahreswert bekannt war, wurde dieser verwendet. War kein Vorjahres- wert verfügbar, wurden die Erträge mit sechs Prozent des letzten festgesetzten Rücknahmepreises berechnet. Ersatzbemessungsgrundlage: Um bei einem Verkauf von Fondsanteilen den steuerpflichtigen Veräußerungs- erlös zu ermitteln, benötigen die Depotbanken die Anschaffungskosten. Sind diese nicht bekannt, so wird die Abgeltungsteuer auf 30 Prozent des Veräußerungs- erlöses erhoben. Diese Ersatzbemessungsgrundlage ist seit 2009 im Einkommensteuergesetz vorgesehen.

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