FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

352 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 gen, wann und in welcher Weise Anleger von überhöhten Steuerzahlungen betroffen sein können. Die Schätzmethode dürfte in erster Linie zum Tragen kommen, wenn Anteile an ausländischen thesaurierenden Fonds verkauft werden. Denn während deutsche Kapitalver- waltungsgesellschaften die Höhe der 2017 wiederangelegten Erträge eigentlich zum 31. Dezember 2017 hätten melden müssen – und dies nun zügig nachholen –, haben ausländi- sche Gesellschaften länger Zeit. Keine große Überraschung Für Anleger, die in ausländische Thesaurie- rer investiert sind, sollte die Schätzmethode allerdings keine allzu große Überraschung sein. Denn: Die Fondsgesellschaften reizten auch bisher oft die rechtlich zugestandenen vier Monate aus, um nach dem Abschluss eines Geschäftsjahres die zuletzt thesaurierten Erträge zu melden. Wer also früh nach Ende des Wirtschaftsjahres Anteile veräußerte, wurde auch vor 2018 auf Basis von Schätzun- gen besteuert. Völlig auszuschließen ist natürlich nicht, dass aufgrund des Übergangs auf das Invest- mentsteuerreformgesetz in den ersten Wochen 2018 ausnahmsweise auch Verkäufer von Anteilen an deutschen Thesaurierern oder so- gar ausschüttenden Portfolios betroffen waren. Immerhin: Auf Anfrage von FONDS profes- sionell hat das BMF eindeutig mitgeteilt, dass überhöhte Steuerzahlungen, zu es denen durch die Schätzmethode gekommen ist, sofort er- stattet werden müssen, sobald die korrigierten Daten vorliegen. Anders sieht es aus, wenn Fondsanleger über die Ersatzbemessungs- grundlage zu hoch besteuert wurden oder werden. In diesem Fall können sie sich die zu viel abgeführten Beträge nach Auskunft des BMF – wie vielfach auch dargestellt – erst über ihre nächste Einkommensteuererklärung zurückholen. Völlig falsch liegen hingegen Berichte, die erklärten, die Ersatzbemessungs- grundlage greife, wenn die Höhe der zuletzt thesaurierten Erträge zum Verkaufszeitpunkt nicht bekannt sei. Wie das BMF unmissverständlich klarge- stellt hat, dürfen 25 Prozent Abgeltungsteuer auf 30 Prozent des letzten bekannten Rück- nahmepreises nur veranschlagt werden, wenn der tatsächliche Veräußerungserlös aufgrund fehlender Anschaffungskosten nicht ermittelt werden kann. Nach eigenen Angaben hat auch keine der von FONDS professionell be- fragten Depotbanken die Ersatzbemessungs- grundlage in anderen Fällen angewandt. Denkbar ist allenfalls, dass bei einigen deut- schen thesaurierenden Portfolios der Rücknah- mepreis mangels Daten nicht um die Steuer- liquidität für die 2017 thesaurierten Erträge gemindert werden konnte. Da eine Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten dann nicht möglich gewesen wäre, hätte die Ersatz- bemessungsgrundlage gegriffen. Solche Fälle wurden FONDS professionell aber von keiner der befragten Depotbanken bestätigt. Steuer trotz Kursverlust? Bleibt zuletzt die in manchen Berichten be- schriebene Verwunderung über eine Besteue- rung trotz erlittener Kursverluste. Auch dieser Sachverhalt ist nicht neu. Die besitzzeitantei- ligen akkumulierten ausschüttungsgleichen Erträge – komplett bekannt oder für das ab- gelaufene Geschäftsjahr geschätzt – wurden beim Verkauf ausländischer Thesaurierer schon immer mit Kapitalertragsteuer belegt (siehe Kasten Seite 352). Diese führt die Depotbank ab, selbst wenn sich auf der Kurs- seite ein Verlust ergeben hat. Das gilt auch für vor 2009 erworbene bestandsgeschützte Alt- anteile. Hier ist lediglich der fiktive Veräuße- rungserlös bei einem späteren Verkauf steuer- frei, die besitzzeitanteiligen akkumulierten ausschüttungsgleichen Erträge hingegen wer- den besteuert. Genau diese Erträge waren auch die Ursa- che für die verwirrenden Stornomitteilungen, die Prokurist Klaus Mieling erhielt. Sofern nach der erfolgten Abrechnung von der Kapi- talverwaltungsgesellschaft ein Update geliefert wird, werden automatisch alle Abrechnungen von Kunden, die Anteile an Fonds dieser In- vestmentgesellschaft halten, aktualisiert. In Einzelfällen wurden dabei aus dem Da- tensatz nicht die besitzzeitanteiligen akkumu- lierten ausschüttungsgleichen Erträge berück- sichtigt, sondern alle thesaurierten Erträge seit Auflage des Fonds. Ein Fehler, der passiert ist, aber zügig korrigiert wurde. Und weil Klaus Mieling seine Anteile in der Zwischen- zeit nicht verkauft hat, ist unterm Strich ei- gentlich gar nichts passiert. ANDREA MARTENS | FP steuer & recht I investmentsteuerreform Foto: © Comdirect Iris Ade, Comdirect: „Die Ermittlung der Daten war für Fondsgesellschaften eine Herausforderung.“ Neue Zeitrechnung: Was künftig gilt Fiktiver Verkauf und Kauf: Am 31. Dezember 2017 haben die Depotbanken alle Fondsanteile fiktiv verkauft und sie am 1. Januar 2018 wiederangeschafft. Dabei erzielte Kursgewinne lösten beim Anleger zunächst keine Steuerpflicht aus. Der neue Anschaffungswert wurde für die Ermittlung eines künftigen – steuerpflichtigen – Ver- äußerungsgewinns im System hinterlegt. Alt-Anteile: Das Investmentsteuerreformgesetz definiert sämtliche Fondsbestände, die vor dem 1. Januar 2018 erworben worden sind, als „Alt-Anteile“. Solche, die vor dem 1. Januar 2009 gekauft wurden, werden als „be- standsgeschützte Alt-Anteile“ bezeichnet. Werden be- standsgeschützte Alt-Anteile nach dem 1. Januar 2018 verkauft, bleibt der erzielte fiktive Veräußerungserlös steuerfrei. Abgeltungsteuer wird nur auf Kursgewinne erhoben, die bei einer tatsächlichen Veräußerung erzielt werden. Für diese hat der Gesetzgeber einen Freibetrag von 100.000 Euro vorgesehen. Bei Alt-Anteilen, die Anleger nach Jahresbeginn 2009 gekauft haben, ist der Erlös aus der fiktiven Veräußerung bei einem tatsächlichen Verkauf zu versteuern. Vorabpauschale: Die Vorabpauschale ersetzt in erster Linie die bisherige Besteuerung der tatsächlichen laufen- den Erträge von thesaurierenden Fonds. Sie wird am ers- ten Werktag eines neuen Jahres für die vorangegangenen zwölf Monate von der depotführenden Stelle anhand einer gesetzlich vorgeschriebenen Formel ermittelt. Die auf die Pauschale berechnete Kapitalertragsteuer wird unter Be- rücksichtigung des Sparerpauschbetrags an die Finanz- behörden abgeführt. Die neue Regelung gilt für ausländi- sche thesaurierende Fonds ebenso wie für deutsche. Vor 2018 thesaurierte Erträge: Akkumulierte aus- schüttungsgleiche Erträge aus ausländischen thesaurie- renden Fonds, die dem Anleger vor dem 1. Januar 2018 zugeflossen sind, werden bei einem späteren Verkauf weiterhin automatisch mit Kapitalertragsteuer belegt. Dies gilt auch für bestandsgeschützte Alt-Anteile. Denn: Hier waren bisher nur Kursgewinne steuerfrei, laufende Erträge jedoch nicht.

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