FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

Foto: © robotocity | stock.adobe.com D ie Erträge deutscher Banken gingen im Jahr 2018 flächendeckend deutlich zu- rück. Gegenüber 2017 brach der Vor- steuergewinn der Kreditinstitute um rund 31 Prozent auf rund 19 Milliarden Euro ein, so der Monatsbericht der Bundesbank für Sep- tember. Mittlerweile liegt die Gesamtkapital- rendite der deutschen Institute nur noch bei 2,3 Promille der Bilanzsumme. Dabei sind die Probleme nicht nur im Niedrigzinsumfeld zu suchen: Die Finanzhäuser arbeiten bei einem zu hohen Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost- Income Ratio) insgesamt nicht mehr wirt- schaftlich, argumentieren die Zentralbanker. Um dies zu ändern, kann der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) helfen. Maschinelles Lernen „Künstliche Intelligenz bedeutet, dass Computer nicht mehr genaue Anweisungen bekommen, was sie tun sollen, sondern dass sie selber lernen können“, sagt Christian Rieck, Professor für Finance und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences (siehe Interview Seite 370). In gewisser Weise könne man KI als Übersetzer ansehen, der Schnittstellenproble- me auf verschiedensten Ebenen löse, so der Wissenschaftler. „Dass wir in der Vergangenheit noch Menschen brauchten, lag daran, dass sich Computer bisher mit unscharfen Daten und Aufgaben schwergetan haben. Auf einmal löst KI solche Aufgaben.“ Es gibt unterschiedliche Ansätze, um Com- puter so zu programmieren, dass sie mensch- liche Entscheidungsprozesse nachbilden. Zu den gängigen Lösungen gehören Entschei- dungsbäume, Rankings oder das maschinelle Lernen (ML). Letzteres ist ein relativ neuer Ansatz. „ML ist ein Teilbereich der KI und bezieht sich auf Computerprogramme, die Muster erkennen und auf dieser Grundlage Vorhersagen treffen“, erklärt Orcun Kaya, Analyst des Deutsche-Bank- Thinktanks DB Research. „Ein typi- sches Beispiel dafür ist eine Internetplattform, die Nutzern anhand ihrer bisherigen Präferen- zen bestimmte Produkte oder Nachrichten empfiehlt, die ihnen gefallen könnten.“ Die ML-Anwendungen analysieren laufend neue Daten und Szenarien und verfeinern so ihre Entscheidungsprozesse, ohne explizit darauf programmiert zu sein. Sie können quasi aus Daten lernen. Flirt mit „Emma“ Auch Chatbots, die als digitale Assistenten per Textnachricht oder telefonisch mit dem Kunden kommunizieren, setzen auf die neue Intelligenz. Wer sich bei der südostasiatischen OCBC Bank über eine Baufinanzierung informieren möchte, landet erst einmal bei „Emma“, einem Chatbot der neuesten Gene- ration. Emma beantwortete allein in den ersten drei Monaten ihrer Tätigkeit über 20.000 Anfragen von Häuslebauern, jede zehnte davon führte zu einem kon- kreten Verkaufsgespräch. Dank der hinterlegten Bau- finanzierungssoftware kann sie dem Kunden auch sofort die Höhe seines maximalen Kreditbetrags mitteilen. Zudem gleicht Emma ihr Wis- sen immer mit den neuesten regulatori- schen Anforderungen ab. Die „Dame“ scheint bei den Kunden gut anzukommen: Rund 90 Prozent der Interessenten sind mit ihren Antworten zufrieden, zeigt eine Erhebung. Emma wirkt dabei so authentisch, dass einige männliche Kunden sogar anfin- gen, mit ihr zu flirten. Auch die skandinavische Nordea-Gruppe nutzt KI, um Kundenanfragen automatisch an die richtige Abteilung weiterzuleiten. Die Technik, die vom estnischen Start-up Fee- lingstream entwickelt wurde, kann innerhalb einer Sekunde Hunderte Anfragen bearbeiten – und ersetzt damit Dutzende Mitarbeiter eines Callcenters. Computer schlägt Mensch KI kann auch dabei helfen, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen Künstliche Intelligenz kann den Banken dabei helfen, rentabler zu arbeiten. Einige Institute setzen bereits autonome Chatbots oder Systeme zur Betrugserkennung ein. Science Fiction war gestern So hatte man sich künstliche Intelligenz (KI) früher in Science-Fiction-Filmen vorgestellt. Mittlerweile zeigt sich: KI fühlt sich irgendwie anders an. » Künstliche Intelligenz bedeutet, dass Computer nicht mehr genaue Anweisungen bekommen, was sie tun sollen, sondern dass sie selber lernen können. « Christian Rieck, Frankfurt University of Applied Sciences 366 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 bank & fonds I künstliche intelligenz

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