FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Foto: © Daniel Weisser R echtzeitig in die Defensive gehen – und dann wieder mutig bei günsti- gen Gelegenheiten zuschlagen. Mit dieser Strategie baute Michael Hasenstab seinen Ruf als Starfondsmanager bei Franklin Templeton auf. So hatte er vor der Finanzkrise rund um US-Immobilien und Lehman-Pleite auf Sicherheit gesetzt, dann mit Wetten wie der auf eine Erho- lung Irlands hohe Renditen eingefahren – und zuletzt vor möglichen Börsenverwer- fungen durch das Coronavirus gewarnt. Mit anderen Investments bewies er jedoch kein so glückliches Händchen. Seit Jahren ziehen Anleger Mittel ab. Hasenstab erklärt, warum er nun seine Portfolios umbaut. Herr Hasenstab, Ihre Fonds, darunter das Flaggschiff Templeton Global Bond, hinken dem Wettbewerb und dem Ver- gleichsindex hinterher. Woran liegt das? Michael Hasenstab: Ich wappne die Port- folios gegen einen möglichen Sturm. Die Zeit dafür scheint mir nun gekommen. Vielleicht bin ich damit zu früh dran. Die Party an den Finanzmärkten könnte noch anhalten. Aber ich möchte lieber das Kapital meiner Kunden erhalten, statt das letzte Quäntchen Rendite aus der Hausse herauszuquetschen. Ich nehme es gern in Kauf, für ein höheres Maß an Sicherheit hinter dem Vergleichsindex hin- terherzuhinken. Meine Fonds werfen eine Rendite von vier Prozent pro Jahr ab. Das ist immer noch ein ansehnliches Ergebnis. Zwi- schenzeitlich kann ich der Geschehnisse harren, die da kommen mögen. Wo zieht denn ein Sturm herauf? Die Unsicherheiten in der Welt nehmen zu. Bislang gültige ökonomische, politische und geostrategische Paradigmen unterliegen einem grundlegenden Wandel. Die Risiken rund um den Globus nehmen zu. Dies kann in einer Instabilität der Finanzmärkte münden. Welche Umwälzungen bereiten Ihnen konkret Sorgen? Da wäre zum einen der geostrategische Wan- del. China gewinnt auf der Weltbühne immer mehr Macht und Einfluss. Ein Blick in die Historie zeigt: Eine Verschiebung der Hege- monie führte stets auch an den Finanzmärkten zu Turbulenzen. Der aufgeflammte Handels- streit zwischen dem aufstrebenden China und der bisherigen Weltmacht USA ist ein Zeichen für diese Veränderung. Der Handelsstreit wurde doch vielmehr durch die populistische Politik des US- Präsidenten Donald Trump entfacht. Den sich ausbreitenden Populismus sowie die politische und soziale Polarisierung halte ich für weitere problematische Phänomene. In den USA klafft ein Riss in der Gesellschaft, wie es ihn in der jüngeren Geschichte nicht gab. Sehr viele Menschen hegen das Emp- finden, dass ihnen der soziale Aufstieg ver- wehrt ist. Zudem klafft eine Lücke zwischen der realen und der wahrgenommenen Ent- wicklung der Einkommen. Diese Gemenge- lage schafft einen Nährboden für Populisten – nicht nur in den USA. Wo noch? In Europa führt dies zumAufstieg nationalis- tischer Parteien. Kommt es zu einer weiteren Finanz- oder Wirtschaftskrise, wird der Zu- sammenhalt der Europäischen Währungs- union auf eine Bewährungsprobe gestellt. Mein Eindruck ist, dass in der Bevölkerung die Bereitschaft gesunken ist, andere Staaten zu retten. Damit der gemeinsame Wirt- schafts- und Währungsraum funktioniert, bedarf es jedoch einer politischen Koope- ration. Ich zweifle, ob der europäischen Idee noch die gleiche Bindekraft inne- wohnt wie während der Krise der Euro- Peripherieländer. Wie wirken sich Populismus und Natio- nalismus auf die Finanzmärkte aus? Diese Strömungen verfolgen unorthodoxe Ziele und sehen einen freien Handel skep- tisch. Beschränkungen im freien Waren- verkehr ziehen Folgen für die Wirtschaft nach sich, die sich letztendlich auf den Finanzmärk- ten widerspiegeln. Aber nicht nur in Europa oder den USA, sondern rund um den Globus nehmen Spannungen und Konflikte zu. So ist in Südostasien eine religiöse Radikalisierung zu beobachten. Spielt die Analyse politischer Entwick- lungen eine größere Rolle in Ihrem Investmentprozess als früher? Dies war schon immer Teil unserer Analyse. Früher kam es auch schon zu Spannungen und Konflikten. Doch diese rangierten im Bereich der Grauschattierungen – heute wird viel mehr in Schwarz und Weiß gezeichnet. Politik und Gesellschaft neigen immer mehr den Extremen zu. Ein Beispiel: In den USA wird so ernsthaft wie wohl noch nie diskutiert, ob eine sozialistisch oder eine kapitalistisch geprägte Ordnung gelten soll. Bislang gab es stets einen Konsens, eine gemeinsame Basis, auf der sich alle bewegten. Diese erodiert jedoch zusehends zwischen den Extremen. Gab es einen Schlüsselmoment, an dem sich Ihnen die wachsende Bedeutung sol- cher Entwicklungen offenbarte? Das waren zwei Überraschungen: die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sowie der Ausstieg Großbritanniens aus der Euro- päischen Union. Diese Entscheidungen ließen sich allein aus den bislang üblichen Meinungs- umfragen heraus nicht sicher ablesen. Diese Milliardenmanager Michael Hasenstab sieht weltweit wachsende Unsicherheiten. Die Kraft der Notenbanken erreiche ihre Grenzen. So manches Schwellenland sei hingegen besser denn je gerüstet für eine Krise, so der Franklin-Templeton -Stratege. Und er verrät, welchen Begriff er auf Wikipedia nachschlagen musste. „Ich wappne die Portfolios » Die Risiken rund um den Globus nehmen zu. Dies kann in einer Instabilität der Finanz- märkte münden. « Michael Hasenstab, Franklin Templeton markt & strategie I michael hasenstab | franklin templeton 182 www.fondsprofessionell.de | 1/2020

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