FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Ereignisse veranlassten mich dazu, un- seren Analyserahmen einem Realität- scheck zu unterziehen. Ein Ergebnis war, dass mein Team und ich be- schlossen, eine eigene Abteilung zur Datenanalyse aufbauen, die politische und soziale Trends erfasst. Wie lassen sich solch weiche Fak- toren in harte Zahlen gießen? Das ist noch im Aufbau begriffen. Wir werden viele Ideen aufgreifen, manche Wege führen vielleicht in eine Sackgasse. Ein Beispiel für einen Ansatzpunkt: Die Wahl von Jair Bol- sonaro zum Präsidenten von Brasilien hatte sich in den klassischen Umfra- gen vor der Abstimmung nicht abge- zeichnet. Schaut man sich aber die Themen an, die die Menschen in Bra- silien bewegen, etwa innere Sicher- heit, Familienwerte oder der Kampf gegen die Korruption, offenbart sich eine große Übereinstimmung mit Bol- sonaros politischer Agenda. Ihr Ausblick für die Welt scheint deutlich getrübt. Sehen Sie das Risiko einer Rezession? Es gibt durchaus die latente Gefahr einer Rezession. Immerhin befinden wir uns in einer späten Phase des Konjunkturzyklus. Das Gewinn- wachstum der Unternehmen ist gedämpft. Das ist ein Signal, dass der Aufschwung zumindest vorerst nicht anhält. Demgegen- über hat die üppige Liquidität, die die Noten- banken in den Kreislauf pumpten, das Risiko einer Rezession in der Realwirtschaft gemin- dert. Daher erscheint es mir wahrscheinlicher, dass ein Ereignis an den Finanzmärkten oder ein politischer Schock einen Konjunktur- abschwung auslösen könnte. Je länger der Zyklus anhält, desto schärfer wird eine Kor- rektur ausfallen. Wann es so weit ist, lässt sich aber schwer vorhersagen. Das Risiko eines unmittelbar bevorstehenden Abschwungs sehe ich jedenfalls nicht. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Notenbanken Korrekturen an den Kapitalmärkten oderAnflüge eines Kon- junkturabschwungs mit noch mehr Geld kaschieren werden. Mit Erfolg? Die Zentralbanken haben auf die große Finanzkrise nach dem Platzen des US-Immo- bilienbooms und der Pleite der Investment- bank Lehman Brothers sehr intelligent, um- sichtig und innovativ reagiert. Sie nutzten völ- lig neue geldpolitische Instrumente. Mittler- weile hat die Welt aber den Notenbanken sehr viel abverlangt. Sie mussten so viele Proble- me lösen und sind mit Aufgaben befasst, die weit jenseits ihres Mandats liegen. Die Markt- teilnehmer verlassen sich nunmehr gänzlich auf sie. Doch den Zentralbanken gehen die Instrumente aus. Sie haben nur noch geringen Manövrierraum, die Zinsen sind ja schon so niedrig. Sollte es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen, bezweifle ich, dass sich Probleme dadurch lösen lassen, noch mehr Staatsanleihen zu kaufen oder die Zin- sen noch weiter zu senken. Die Zentralbanken könnten erneut gänz- lich neue Pfeile aus dem Köcher ziehen. Das ist natürlich möglich, dass sie neue Instrumente entwickeln. Aber da schwingt viel Hoffnung mit. Blicken wir doch einmal zurück: Die lockere Geldpolitik in der großen Finanzkrise verschaffte den Banken Liquidi- tät, als diese sie benötigten. Diese Maßnahme wirkte. Da die Zentralbanken aber nunmehr seit zehn Jahren Geld nachschießen, verblasst allmählich die Wirkung. Die Macht der Währungshüter ist also verpufft? Es gibt eine Grenze, was die Zentralbanken leisten können. Wir brauchen eine gute Wirt- gegen einen Sturm “ » Die Welt hat den Notenbanken sehr viel abverlangt. Doch ihnen gehen die Instrumente aus. Sie haben nur noch geringen Manövrier- raum, die Zinsen sind ja schon so niedrig. « Michael Hasenstab, Franklin Templeton www.fondsprofessionell.de | 1/2020 183

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