FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

Otto stört, dass einige Anbieter offenbar ihre eigenen Bedingungen ignorieren oder zu eigenen Gunsten interpretieren, um Leistungen zu kürzen. Die VHV wendet in der Hausratversicherung eine eher schwammig formulierte Klausel an: „Die Mehrwertsteuer wird nur ersetzt, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“So liest sich das auch in den GDV-Muster- bedingungen von 2017.Die VHV reagierte auf Ottos Nachfrage zumindest mit einer internen Arbeitsanweisung, wonach „Scha- denfälle in der Hausratversicherung nun grundsätzlich nach dem Günstigkeitsprin- zip brutto, also inklusive Mehrwertsteuer, reguliert werden“. Die angekündigte Kor- rektur der Hausratbedingungen (VHB 2018) erfolgte bis Redaktionsschluss jedoch nicht, in einem weiteren Fall wurde Mehr- wertsteuer einbehalten. Auf Anfrage der Redaktion reagierte die VHV nicht. Auch die Concordia äußerte sich nicht. BGH-Urteil „Wenn der Versicherer die Leistung kür- zen will, muss er es in die Bedingungen schreiben“, sagt Otto. Dann könne man das gerichtlich nachprüfen. Das tat der Bun- desgerichtshof (BGH) übrigens schon 2006 im Fall einer Kfz-Kaskoversicherung: Eine Klausel, die die Mehrwertsteuer bei der Schadenregulierung nur ersetzt, wenn der Kunde diese Steuer tatsächlich bezahlt, verstößt gegen das Transparenzgebot (nach Paragraf 307 BGB), wenn der Kunde nicht deutlich erkennen kann, dass die Erstat- tung der Mehrwertsteuer ausgeschlossen sein soll (Az.: IV ZR 263/03). „Solche unberechtigten Leistungskür- zungen sind gang und gäbe“, sagt Fach- anwalt Hennemann. Ein anderer Anwalt, der namentlich nicht genannt werden möchte, spricht einen harten Verdacht aus: „Manche Versicherer beschäftigen Abtei- lungen oder Firmen, deren einzige Aufga- be darin besteht, sich logisch erscheinende Ablehnungsbegründungen für Schaden- fälle auszudenken.“ In der Tat beauftragen Versicherer zuneh- mend externe Firmen, die in ihrem Auf- trag Rechnungen prüfen – und oft auch Rechnungsposten kürzen. So schalten die Dialog Versicherungen unter anderem die Firma Sachcontrol ein, um Rechnungen zu prüfen. Auch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige kommen zum Einsatz, die mitunter vom Schreibtisch aus die Schadenhöhe reduzieren. Begutachtung aus der Ferne „Solche Beurteilungen aus der Ferne sind vor Gericht für den Versicherer wert- los, wenn keine persönliche Begutachtung des Schadens erfolgt ist“, so Otto. „Wenn der Versicherer die Leistung kürzen will, ist er beweispflichtig und muss die Unterlagen zur Begründung herausgeben.“ Oft ver- suchten die Versicherer, genau dies zu ver- meiden. „Man muss hartnäckig bleiben und auf das Recht des Kunden dazu pochen“, rät Otto. Die Generali-Tochter Dialog hielt Makler Otto im Fall eines Wasserschadens auf Trab. Ein Kunde hatte in seinem Wohn- und Geschäftshaus einen Nässeschaden an einer Decke zu beklagen und ließ den Rohr- bruch zunächst von einem Klempner pro- visorisch abdichten. Sein Gebäudeversi- cherer kürzte aber die Leistung um rund 470 Euro, da die Reparatur der defekten Wasserleitung erst provisorisch erfolgte und „durch diese zögerliche Schadenbeseiti- gung ein zusätzlicher und vermeidbarer Aufwand entstanden ist“, so die Begrün- dung der Dialog. „Übliches Vorgehen“ Dabei war der Kunde gerade durch die provisorische Abdichtung seiner Schaden- minderungspflicht nachgekommen, nach- dem er nicht sofort Zugang zu der betrof- fenen Mietwohnung und einer Gewerbe- einheit bekam, den Schaden aber dennoch schnell eindämmen wollte. Auch mit die- ser Erklärung gab sich die Dialog zunächst nicht zufrieden, in der Antwort heißt es: „Die Kosten sind der nicht vorhandenen Zugänglichkeit zur Wohnung geschuldet.“ Daraufhin reklamierte der Makler beim Versicherer mit demHinweis, dass die Dia- log laut ihren eigenen AVB notwendige Aufwendungen für Nebenarbeiten sowie Aufwendungen zur Schadenminderung zu ersetzen hat (Paragraf 3 AWB 87). So sei es auch im Gesetz festgelegt (Paragraf 83 VVG).Mit dem Verweis auf die eindeutige Sachlage schrieb der Makler süffisant: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Sachbearbei- terin bewusst den Irrtum erregen will, dass diese Aufwendungen nicht erstattungsfähig sind.“Kurz darauf bezahlte die Dialog kom- mentarlos. Auf Anfrage der Redaktion ant- wortete der Versicherer, über den beschrie- benen Vorgang könne man „durchaus un- terschiedlicher Auffassung“ sein. „Die (…) Vorgehensweise ist im Rahmen einer Scha- denregulierung durchaus üblich.“ Auch andere Makler berichten vom zähen Ringen mit so manchem Versiche- » Wenn der Versicherer die Leistung kürzen will, muss er Unterlagen herausgeben. « Michael Otto, Versicherungsmakler fondsprofessionell.de 4/2020 251

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