FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

rer, darunter Michael Melchert aus Ratin- gen. Er meldete einen Fahrraddiebstahl, der in der Hausratversicherung der Alten Leip- ziger über den Deckungskonzeptanbieter Degenia versichert war. Bis zur fairen Regu- lierung des Schadens vergingen viereinhalb Monate, in denen der Makler mehrfach nachhaken musste. „Eine Farce“ Zunächst zahlte die Alte Leipziger nur 300 Euro, obwohl das Rad rund 1.280 Euro gekostet hatte und Fahrräder im Degenia-Hausratkonzept bis 2.500 Euro versichert sind. Mehrfache Klärungsversu- che des Maklers blieben ergebnislos. Nach drei Monaten Stillstand schaltete Melchert den Vorstand der Degenia ein, worauf die Alte Leipziger schon am nächsten Tag rund 980 Euro nachzahlte und die Sache damit eigentlich erledigt war. „Die Scha- denregulierung glich einer Farce“, erinnert sich Melchert. Der Sachbearbeiter reagierte weder auf E-Mails noch auf Anrufe. „Da denkt man schon darüber nach, die Verträ- ge abzuziehen und anderswo einzudecken“, so der Makler. Letztlich bekam der Kunde sogar mehr Geld, weil er sich ein neues Rad gleicher Art und Güte kaufte. „Mein Kunde freute sich, und ich mich mit ihm, doch den Aufwand hätte der Versicherer al- len Beteiligten besser erspart“, so Melchert. Apropos Degenia Versicherungsdienst: Eine Mitarbeiterin des Deckungskonzept- anbieters erklärte dem Passauer Makler Christopher Schätzl auf Nachfrage, in der Privathaftpflicht (Degenia Premium T 17; Risikoträger: Condor) seien Mietsachschä- den zwar versichert, aber „grobe Fahrlässig- keit nicht eingeschlossen“. Das verwundert, denn laut VVG kann der Versicherer die Leistung nur ablehnen, wenn der Kunde „vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden her- beigeführt hat“ (Paragraf 103). Daher sind alle Formen von Fahrlässigkeit versichert. Schätzl fand dazu keinerlei Angabe in den AVB und hakte daher nach. „Eine Privat- haftpflichtpolice mit Leistungsausschluss für grob fahrlässig verursachte Schäden wä- re das Allheilmittel für die Schadenquote“, meint er. Auf Nachfrage von FONDS pro- fessionell stellte Degenia-Vorstand Halime Koppius klar: „Das war wohl ein Missver- ständnis – natürlich ist in unseren Privat- haftpflichtbedingungen nur der Vorsatz ausgeschlossen.“ Das alles sind nur Einzelfälle. Doch bei insgesamt 442 Millionen Versicherungsver- trägen mit 216 Milliarden Euro Jahresbei- trag dürfte durch Leistungskürzungen eine erkleckliche Summe zusammenkommen. Dabei ließe sich dieser Missbrauch, der auf dem überlegenen Fachwissen der Leis- tungsprüfer gegenüber Verbrauchern beru- he, leicht abstellen, ist Jurist Hennemann überzeugt: „Der Gesetzgeber müsste die Versicherer zwingen, statt des oft nur gerin- gen Honorars auf Basis des Streitwerts den tatsächlichen Aufwand für den Rechtsan- walt des Kunden zu bezahlen.“ „Straf-Schadenersatz“ Der Fachanwalt rechnet vor: Bei einem Kfz-Schaden von 5.000 Euro kürzen Versi- cherer seiner Erfahrung nach oft 400 Euro. Ein Mandat mit diesem Streitwert beschäf- tige einen Anwalt samt Klagevertretung mindestens fünf Stunden, doch er dürfe dafür nur rund 110 Euro Gebühren be- rechnen. „Das ist betriebswirtschaftlich nicht darstellbar, und das wissen die Versi- cherer, aber der Gesetzgeber sieht keine Veranlassung, den Rechtsmissbrauch zu be- enden“, so Hennemann. Seine Idee: Durch gesetzliche Einführung eines „Straf-Scha- denersatzes“müsste der Versicherer zumin- dest in Haftungsfällen eine bis zu 250-fach höhere Zahlung leisten. Hennemann ist sich sicher: „In drei Monaten wäre der Spuk mit ungerechtfertigten Leistungskür- zungen vorbei.“ DETLEF POHL FP Jürgen Hennemann, Fachanwalt: „Leistungszah- lungen werden systematisch verzögert, verschleppt und verweigert.“ Christopher Schätzl, Versicherungsmakler: „Überraschende Klauseln, die nicht mal in den AVB stehen, dürften unwirksam sein.“ » Den unnötigen Aufwand hätte der Versicherer dem Kunden und mir besser erspart. « Michael Melchert, Versicherungsmakler FONDS & VERSICHERUNG Schadenregulierung 252 fondsprofessionell.de 4/2020 FOTO: © CHRISTOPHER SCHÄTZL, JÜRGEN HENNEMANN

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