FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022

Robert Merton ist Finanzprofessor an der MIT Sloan School und bekam 1997 den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften. Nun befasst er sich mit Rentensystemen – und hat ein völlig neues Altersvorsorgekonzept entwickelt. D ie Niederlande und die Schweiz ha- ben dieses Jahr eine Rentenreform beschlossen. Auch in vielen anderen Län- dern sprechen die demografische Entwick- lung und die Langlebigkeit für eine bal- dige Reform der Altersvorsorgesysteme. Robert Merton hat eine Antwort auf die Herausforderung gefunden: „Selfies“. Das hat nichts mit Selbstporträts per Smartpho- ne zu tun, sondern ist die Abkürzung für „Standard-of-Living indexed, Forward-star- ting, Income-only Securities“. Im Rahmen der diesjährigen Tagung der Nobelpreis- träger in Lindau am Bodensee erläuterte Merton im Interview mit FONDS profes- sionell sein Konzept. Herr Professor Merton, was steckt hinter Ihrer Idee der Selfies? Robert Merton: Es geht dabei um eine Lösung für ein Rentensystem, das super- einfach ist und das sich auch für Menschen eignet, die im informellen Sektor arbeiten und vielleicht nur wenig finanzielle Bil- dung haben. Es muss simpel, preiswert und transparent sein. Warum befassen Sie sich ausgerechnet jetzt mit dieser Rentenlösung? Es droht eine Rentenkrise. Individuen werden zunehmend aufgefordert, Verant- wortung für ihre eigene Altersvorsorge zu übernehmen. Dabei müssen sie drei kom- plexe, miteinander verbundene Entschei- dungen treffen: Wie viel soll ich ansparen? Wie soll ich investieren? Und wie kann ich im Ruhestand mein Vermögen verzehren? Das sind sehr schwierig zu beantwortende Fragen! Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Rentensystem aus? Ziel eines guten Rentensystems muss sein, dass man im Ruhestand über genauso viel Geld verfügt wie in den letzten Jahren seines Erwerbslebens. Schließlich hat man sich an diesen Lebensstandard gewöhnt und möchte diesen nach Möglichkeit für den Rest seines Lebens beibehalten. Das ist ein hoher Anspruch! Wie funktio- niert Ihr Selfies-System? Jedes gute Rentensystem muss die Frage beantworten können, was mit den Men- schen geschieht, die keinen oder nur einen sehr geringen Rentenanspruch haben. Oft betrifft das Menschen aus dem informellen Sektor. Wir müssen bedenken: In vielen Ländern arbeitet die Mehrheit der Bevöl- kerung im informellen Sektor! Das betrifft nicht nur Entwicklungsländer. In den USA beobachten wir, dass sich der Arbeitsmarkt verändert. Wir sprechen von der „Gig Economy“, in der Selbstständige kurzfristig anderen Menschen helfen, etwas Bestimm- tes zu erledigen. Für diese Selbstständigen werden oft keine Einzahlungen in ein formelles Rentensystem vorgenommen. Selfies können hier eine Lösung bieten. Was sind denn Selfies genau? Im Prinzip sind Selfies Staatsanleihen, die ein ganz bestimmtes Auszahlungsprofil aufweisen. Bei einer normalen Staatsanlei- he kaufen Sie das Papier, und anschließend „Ein Rentenkonzept muss simpel und preiswert sein“ » Bei Selfies brauchen Sie keinerlei Annahmen zu treffen und sich nicht großartig mit Finanzen auszukennen. « Robert Merton, MIT Sloan School FONDS & VERSICHERUNG Robert Merton | MIT Sloan School of Management 258 fondsprofessionell.de 4/2022

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