SACHWERTE SPEZIAL, Sonderausgabe 2022

Die überarbeitete EU-Richtlinie Mifid II verpflichtet Finanzdienstleister, das Thema Nachhaltigkeit in der Beratung und Vermittlung zu berücksichtigen. Die Regulierung ist jedoch komplex und unübersichtlich. Paragrafen dschungel In der Vergangenheit spielten Nachhaltigkeitsthemen im Beteiligungs- markt nur eine geringe Rolle. Die Politik ändert das: Berater müssen Anleger nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen fragen. I m März 2018 veröffentlichte die Euro- päische Kommission ihren Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Das Kernelement ist die Schaffung eines „nachhaltigen Finanzwesens“. Dafür verab- schiedeten die Kommission und das EU- Parlament hunderte Seiten lange Verord- nungen, die einerseits zwar einen guten Zweck verfolgen, andererseits aber das Re- geldickicht vergrößern und die Bürokratie aufblähen.Die Regulatoren bleiben zudem an vielen Stellen unpräzise: Vier Jahre spä- ter gibt es nicht nur, wie von Brüssel vor- gesehen, mehr oder weniger nachhaltige Fonds in zwei Kategorien, sondern auch „Artikel 8 Plus“-Produkte. Deren Defini- tion und Abgrenzung ist unübersichtlich. Fest steht: Seit dem 2. August müssen Anlageberater die Nachhaltigkeitspräferen- zen ihrer Kunden ermitteln und diese bei der Fondsauswahl berücksichtigen. Das ist eine Vorschrift aus der Finanzmarktricht- linie Mifid II. Sie gilt jedoch (vorerst) nicht für Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis gemäß Paragraf 34f Gewerbeordnung. Weitere wichtige Regelwerke sind die EU- Offenlegungsverordnung, die seit März 2021 in Kraft ist, und die seit Januar 2022 gültige Taxonomieverordnung. Dadurch müssen Fondsgesellschaften erklären, ob und in welcher Weise sie Nachhaltigkeit berücksichtigen. Die Taxonomie gibt vor, wie Investitionen beschaffen sein müssen, damit sie als nachhaltig gelten. Wichtige Definitionen Für die Einordnung der Fonds sind die Nachhaltigskeitsrisiken und die nachteili- gen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfak- toren (englisch: Principal Adverse Impacts, kurz PAIs) zu unterscheiden. Nachhaltig- keitsrisiken sind in der ESG-Welt Ereignisse oder Bedingungen im Bereich Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G), die, wenn sie eintreten, den Wert eines Investments negativ beeinflussen können. Mit Nachhaltigkeitsfaktoren meint die Verordnung Umwelt-, Sozial- und Arbeit- nehmerbelange, die Achtung der Men- schenrechte und die Bekämpfung von Kor- ruption und Bestechung. Die Offenlegungsverordnung bildet den Rahmen für die Kategorisierung der Fonds. Produkte nach Artikel 8 haben ökologi- sche oder soziale Merkmale – oder eine Kombination aus beiden. Sie müssen aber nicht nachhaltig investieren. Im Gegensatz dazu streben nach EU-V- orgabe Artikel-9-Produkte ein konkretes Nachhaltigkeitsziel an. Für deutsche Fonds reicht das Anstreben aber nicht aus. „Nach Definition der Bafin muss so ein Fonds verpflichtend in nachhaltige Vermögens- gegenstände investieren“, erklärt Rechts- anwältin Tanja Aschenbeck, Partnerin in der Kanzlei Osborne Clarke. SACHWERTE Nachhaltigkeit 62 fondsprofessionell.de 3/2022 SPEZIAL

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