SACHWERTE SPEZIAL, Sonderausgabe 2022

Jahren – nicht innerhalb eines Jahres. Die relative Stabilität des Goldpreises aus den 1990er-Jahren ist ohnehin passé. „Am Markt sind mehr Spekulanten unterwegs als früher“, erläutert Vogel. Auch die Geld- schwemme der Europäischen Zentralbank während der Pandemie sei mitverantwort- lich für die Schwankungen. Der unabhängige Vermögensverwalter Markus Steinbeis ist davon überzeugt, dass Gold die Kaufkraft langfristig erhalten kann, und rät zu Positionen von zehn Prozent des Portfolios: „Gold war in den vergangenen Jahrzehnten ein Schutz ge- genüber einer Abwertung der Fiatwährun- gen“, sagt er. „Aber es gibt kurzfristig über- lagernde Effekte bei einem temporären Anstieg des Realzinsniveaus.“ 600 Prozent Der Goldpreis sei seit Euro-Einführung am 1. Januar 1999 um rund 600 Prozent gestiegen (Stand: 29. August 2022.). „Wäh- rend man damals für 1.000 Euro vier Fein- unzen Gold kaufen konnte, bekommt man jetzt nicht mal mehr eine dafür“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Steinbeis &Häcker Vermögensverwaltung. Zudem diene Gold als „letzte Währung“ in einer überschuldeten Welt. Daten des World Gold Council zeigen, wie sehr die Nachfrage nach Gold aktuell schwankt: Im ersten Quartal 2022 lag sie demnach 34 Pro- zent höher als im Vorjahreszeit- raum, im zweiten Quartal aber um acht Prozent niedriger. Kriegsangst Adrian Ash, Research-Direk- tor bei der Edelmetallhandels- plattform Bullionvault, gibt zu bedenken, dass Gold normaler- weise nicht auf geopolitische Ereignisse reagiere, es sei denn, sie hätten dramatische Aus- wirkungen auf die breiteren Finanzmärkte. Die Tatsache, dass Gold in diesem Frühjahr in Euro und den meisten anderen Währungen auf neue Rekord- hochs sprang, sei also ein Zeichen dafür, wie ernst Russlands jüngster Angriff auf die Ukraine wirklich sei. Schon in den letzten Wochen vor Be- ginn des Krieges in der Ukraine stieg der Goldpreis, am 8. März erreichte er dann 2.070 Dollar pro Feinunze. Das entsprach fast dem Allzeithoch von 2.075 Dollar am 6. August 2020 im ersten Pandemiejahr. Der Silberpreis kletterte am 8. März 2022 auf 26,95 Dollar pro Feinunze.Dann brach die Nachfrage nach börsengehandelten Rohstoffpapieren ein – und mit ihnen die Preise der physischen Edelmetalle. Nach Aussage von Frank Schallenberger, Leiter Rohstoff-Research bei der Landes- bank Baden-Württemberg, haben Investo- ren seit Ende April fast zwölf Milliarden Dollar aus Gold-Exchange-Traded-Commo- dities (ETCs) abgezogen. „Das entspricht et- wa sechs Prozent der Gold-ETC-Bestände“, ordnet er ein. Aus Silber-ETCs seien seit dem Hoch 2,4 Milliarden Dollar abgezo- gen worden, was über 14 Prozent der ETC- Bestände entspreche. Die Preise fielen aus drei Gründen. „Erstens entwickelten sich zuletzt einige wichtige Nachfragekom- ponenten schwächer, zweitens machte der feste US-Dollar den Edelmetallen zu schaf- fen, und drittens erhöhte die Fed den US- Leitzins schneller als erwartet“, erläutert Schallenberger. Erwartungen Inzwischen liegt der US-Leitzins in einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent. Schallen- berger rechnet zum Jahresende mit einer Erhöhung auf 3,5 Prozent: „Bis dahin er- warte ich heftigen Gegenwind für Gold durch weitere ETC- Verkäufe. Denn Investoren be- kommen für US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit be- reits fast 3,5 Prozent Zinsen.“ Das unverzinste Gold wird für Anleger also weniger attraktiv. Sollten die ETCs weiterhin so viel Gold und Silber verkaufen wie bisher, bestehe ein Ange- botsüberschuss. Entsprechend verhalten klingt Schallenber- gers Prognose: „Ich erwarte auf Zwölfmonatssicht einen Preis von 1.600 Dollar pro Feinunze Gold und von 17 Dollar pro Feinunze Silber.“ Theorie und Praxis Einschätzung vs. Besitz von Gold als Investment Gold überzeugt in der Theorie. In der Praxis besitzt nur jeder neunte Barren oder Münzen. Quelle:Forsa-Umfrage imAuftragvonProAurum2022,n=1.001,Mehrfachnennungenmöglich 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Ich besitze zurzeit Goldbarren oder -münzen. Ich betrachte Gold als eine sichere Geldanlage. Ich betrachte Gold als gute Ergänzung zu anderen Geldanlagen. % 74 % 11 % » Der bärenstarke Dollar lastet seit Monaten auf dem Goldpreis. « Gabor Vogel DZ Bank fondsprofessionell.de 3/2022 71 FOTOS: © VLADK213 | STOCK.ADOBE.COM, RENÉ SPALEK

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